Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

"der Erkenntlichkeit an sich zu fesseln. Als wenn
"sich ein Ehrgeiziger je um ein anderes Glück als
"nur sein eignes bekümmern könnte! Napoleon kann
"freilich für die Welt gute Folgen haben; doch sind
"wir ihm keinen Dank dafür schuldig, denn er hat
"bei allem sein Thun nicht das Gute beabsichtigt,
"sondern das Böse. Ein verrosteter Riegel ist
"schwer zurückgeschoben; ist es aber einmal geschehen
"und es gelingt einem ihn wieder vorzuschieben,
"wird er nie mehr so gut als früher schließen.
"Was ein Meister zu seinem Vortheile seine Arbeiter
"lehrt, das wenden diese später zu ihrem eignen an.
"Napoleon hat unsern Kindern die Taschenspieler-
"Künste mit Päpsten, Fürsten, Königen und andern
"solchen Gliedermännern gezeigt. Wir Alten hängen
"noch zu sehr an unserem Schaukelpferde und Blei¬
"soldaten; aber unsere Söhne werden die Puppen
"unserer Zeit verachten, sie auf immer wegwerfen
"und ein Männerspiel spielen."

"Der Kaiser wollte mir, als ein Zeichen seiner
"großmüthigen Gesinnung etwas schenken, das keinen
"Schilling werth war -- das Band der Ehren¬
"legion. Er hätte mich entehrt durch meine
"Ernennung zum Ritter; ich wäre lieber Glücksritter
"und Gauner geworden.

„der Erkenntlichkeit an ſich zu feſſeln. Als wenn
„ſich ein Ehrgeiziger je um ein anderes Glück als
„nur ſein eignes bekümmern könnte! Napoleon kann
„freilich für die Welt gute Folgen haben; doch ſind
„wir ihm keinen Dank dafür ſchuldig, denn er hat
„bei allem ſein Thun nicht das Gute beabſichtigt,
„ſondern das Böſe. Ein verroſteter Riegel iſt
„ſchwer zurückgeſchoben; iſt es aber einmal geſchehen
„und es gelingt einem ihn wieder vorzuſchieben,
„wird er nie mehr ſo gut als früher ſchließen.
„Was ein Meiſter zu ſeinem Vortheile ſeine Arbeiter
„lehrt, das wenden dieſe ſpäter zu ihrem eignen an.
„Napoleon hat unſern Kindern die Taſchenſpieler-
„Künſte mit Päpſten, Fürſten, Königen und andern
„ſolchen Gliedermännern gezeigt. Wir Alten hängen
„noch zu ſehr an unſerem Schaukelpferde und Blei¬
„ſoldaten; aber unſere Söhne werden die Puppen
„unſerer Zeit verachten, ſie auf immer wegwerfen
„und ein Männerſpiel ſpielen.“

„Der Kaiſer wollte mir, als ein Zeichen ſeiner
„großmüthigen Geſinnung etwas ſchenken, das keinen
„Schilling werth war — das Band der Ehren¬
legion. Er hätte mich entehrt durch meine
„Ernennung zum Ritter; ich wäre lieber Glücksritter
„und Gauner geworden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0195" n="183"/>
&#x201E;der Erkenntlichkeit an &#x017F;ich zu fe&#x017F;&#x017F;eln. Als wenn<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich ein Ehrgeiziger je um ein anderes Glück als<lb/>
&#x201E;nur &#x017F;ein eignes bekümmern könnte! Napoleon kann<lb/>
&#x201E;freilich für die Welt gute Folgen haben; doch &#x017F;ind<lb/>
&#x201E;wir ihm keinen Dank dafür &#x017F;chuldig, denn er hat<lb/>
&#x201E;bei allem &#x017F;ein Thun nicht das Gute beab&#x017F;ichtigt,<lb/>
&#x201E;&#x017F;ondern das Bö&#x017F;e. Ein verro&#x017F;teter Riegel i&#x017F;t<lb/>
&#x201E;&#x017F;chwer zurückge&#x017F;choben; i&#x017F;t es aber einmal ge&#x017F;chehen<lb/>
&#x201E;und es gelingt einem ihn wieder vorzu&#x017F;chieben,<lb/>
&#x201E;wird er nie mehr &#x017F;o gut als früher &#x017F;chließen.<lb/>
&#x201E;Was ein Mei&#x017F;ter zu &#x017F;einem Vortheile &#x017F;eine Arbeiter<lb/>
&#x201E;lehrt, das wenden die&#x017F;e &#x017F;päter zu ihrem eignen an.<lb/>
&#x201E;Napoleon hat un&#x017F;ern Kindern die Ta&#x017F;chen&#x017F;pieler-<lb/>
&#x201E;Kün&#x017F;te mit Päp&#x017F;ten, Für&#x017F;ten, Königen und andern<lb/>
&#x201E;&#x017F;olchen Gliedermännern gezeigt. Wir Alten hängen<lb/>
&#x201E;noch zu &#x017F;ehr an un&#x017F;erem Schaukelpferde und Blei¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;oldaten; aber un&#x017F;ere Söhne werden die Puppen<lb/>
&#x201E;un&#x017F;erer Zeit verachten, &#x017F;ie auf immer wegwerfen<lb/>
&#x201E;und ein Männer&#x017F;piel &#x017F;pielen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der Kai&#x017F;er wollte mir, als ein Zeichen &#x017F;einer<lb/>
&#x201E;großmüthigen Ge&#x017F;innung etwas &#x017F;chenken, das keinen<lb/>
&#x201E;Schilling werth war &#x2014; <hi rendition="#g">das Band der Ehren¬</hi><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">legion</hi>. Er hätte mich entehrt durch meine<lb/>
&#x201E;Ernennung zum Ritter; ich wäre lieber Glücksritter<lb/>
&#x201E;und Gauner geworden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0195] „der Erkenntlichkeit an ſich zu feſſeln. Als wenn „ſich ein Ehrgeiziger je um ein anderes Glück als „nur ſein eignes bekümmern könnte! Napoleon kann „freilich für die Welt gute Folgen haben; doch ſind „wir ihm keinen Dank dafür ſchuldig, denn er hat „bei allem ſein Thun nicht das Gute beabſichtigt, „ſondern das Böſe. Ein verroſteter Riegel iſt „ſchwer zurückgeſchoben; iſt es aber einmal geſchehen „und es gelingt einem ihn wieder vorzuſchieben, „wird er nie mehr ſo gut als früher ſchließen. „Was ein Meiſter zu ſeinem Vortheile ſeine Arbeiter „lehrt, das wenden dieſe ſpäter zu ihrem eignen an. „Napoleon hat unſern Kindern die Taſchenſpieler- „Künſte mit Päpſten, Fürſten, Königen und andern „ſolchen Gliedermännern gezeigt. Wir Alten hängen „noch zu ſehr an unſerem Schaukelpferde und Blei¬ „ſoldaten; aber unſere Söhne werden die Puppen „unſerer Zeit verachten, ſie auf immer wegwerfen „und ein Männerſpiel ſpielen.“ „Der Kaiſer wollte mir, als ein Zeichen ſeiner „großmüthigen Geſinnung etwas ſchenken, das keinen „Schilling werth war — das Band der Ehren¬ „legion. Er hätte mich entehrt durch meine „Ernennung zum Ritter; ich wäre lieber Glücksritter „und Gauner geworden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/195
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/195>, abgerufen am 27.11.2024.