Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.aber keinen Schatz mehr. So haben wir einen Die deutschen Strafgesetze gegen Staatsver¬ aber keinen Schatz mehr. So haben wir einen Die deutſchen Strafgeſetze gegen Staatsver¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0216" n="204"/> aber keinen Schatz mehr. So haben wir einen<lb/> Staat aber keine Menſchen darin.</p><lb/> <p>Die deutſchen Strafgeſetze gegen Staatsver¬<lb/> brechen, und beſonders die Art und Weiſe auf welche<lb/> mit einem Angeklagten die gerichtliche Unterſuchung<lb/> geführt, und die Geſetze auf einzelne Fälle angewen¬<lb/> det werden — das alles iſt fürchterlich! Sie ſind<lb/> ein Frauenzimmer und brauchten dieſe Schändlichkei¬<lb/> ten nur zu fühlen, nicht zu verſtehen; aber die Sache<lb/> iſt ſo klar, daß ſie ſelbſt ein Kind begreift und ſich<lb/> davor entſetzt. In einem monarchiſchen Staate wer¬<lb/> den Staat und Fürſt für Eines angeſehen, und ſo<lb/> wird jedes Staatsverbrechen zur Beleidigung des<lb/> Fürſten, und jede Beleidigung des Fürſten zum Staats¬<lb/> verbrechen. Und dieſer Fürſt der beleidigt worden,<lb/> beſtimmt ſelbſt die Strafe der Beleidigung, beſtraft<lb/> ſelbſt den Beleidiger; denn die Richter, die Geſetz¬<lb/> geber ſind des Fürſten Beamte, werden von ihm ein¬<lb/> geſetzt und abgeſetzt, und ihr Schickſal und das<lb/> ihrer Familie hängt von ihrer Folgſamkeit gegen die<lb/> Wünſche und Launen des Fürſten ab. So nimmt jede<lb/> fürſtliche Rache den Schein des Rechts und, was noch<lb/> gefährlicher iſt, ſelbſt die verdienteſte Strafe nimmt<lb/> den Schein der Rache an. Bei aller Rechtspflege<lb/> kömmt es nicht blos darauf an, daß Recht geſprochen<lb/> werde, ſondern auch daß jeder Bürger im Staate<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [204/0216]
aber keinen Schatz mehr. So haben wir einen
Staat aber keine Menſchen darin.
Die deutſchen Strafgeſetze gegen Staatsver¬
brechen, und beſonders die Art und Weiſe auf welche
mit einem Angeklagten die gerichtliche Unterſuchung
geführt, und die Geſetze auf einzelne Fälle angewen¬
det werden — das alles iſt fürchterlich! Sie ſind
ein Frauenzimmer und brauchten dieſe Schändlichkei¬
ten nur zu fühlen, nicht zu verſtehen; aber die Sache
iſt ſo klar, daß ſie ſelbſt ein Kind begreift und ſich
davor entſetzt. In einem monarchiſchen Staate wer¬
den Staat und Fürſt für Eines angeſehen, und ſo
wird jedes Staatsverbrechen zur Beleidigung des
Fürſten, und jede Beleidigung des Fürſten zum Staats¬
verbrechen. Und dieſer Fürſt der beleidigt worden,
beſtimmt ſelbſt die Strafe der Beleidigung, beſtraft
ſelbſt den Beleidiger; denn die Richter, die Geſetz¬
geber ſind des Fürſten Beamte, werden von ihm ein¬
geſetzt und abgeſetzt, und ihr Schickſal und das
ihrer Familie hängt von ihrer Folgſamkeit gegen die
Wünſche und Launen des Fürſten ab. So nimmt jede
fürſtliche Rache den Schein des Rechts und, was noch
gefährlicher iſt, ſelbſt die verdienteſte Strafe nimmt
den Schein der Rache an. Bei aller Rechtspflege
kömmt es nicht blos darauf an, daß Recht geſprochen
werde, ſondern auch daß jeder Bürger im Staate
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