Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

blos Brod ohne Wasser. Ich wunderte mich gar
nicht darüber, denn ich dachte, es sei eine sinnreiche
deutsche Rache gegen die französische Juli-Revolution.
Aber aus dem Constitutionnel, der das Urtheil in
seiner ganzer Ausdehnung mit den Unterschriften der
Richter enthielt, erfuhr ich erst seinen wahren Sinn.
Es heißt dort: verurtheilt ... "a observer un
jeaune de quinze jours chaque mois de Juillet
de chaque annee de son enprisonnement, de
maniere qu'il ne doit recevoir pendant trois
jours que du pain et de l'eau, pendant les
trois jours suivant la nourriture daue aux pri¬
sonniers, et ainsi da suite et alternativement
pendant la quinzaine
." Was wird es dem Herrn
Oestreicher (so heißt der verurtheilte Zeitungs-
Redakteur) in der Freiheit gut schmecken! Er komme
jedesmal im Juli zu uns, und wir wollen ihn vier¬
zehen Tage lang abwechselnd drei Tage mit Cham¬
pagner und Austern, und drei Tage mit Burgunder
und Trüffelpasteten bewirthen und dabei auf die Ge¬
sundheit des Herrn Staatsrathes Feuerbach trinken
-- nämlich auf die Gesundheit seines Kopfes. Ich
habe Ihnen schon früher gesagt, daß diese schönen
Baierischen Kriminalgesetze keineswegs aus einer
alten barbarischen Zeit herstammen, sondern daß sie
im neunzehnten Jahrhundert, zwanzig Jahr nach
der französischen Erklärung der Menschenrechte ver¬

blos Brod ohne Waſſer. Ich wunderte mich gar
nicht darüber, denn ich dachte, es ſei eine ſinnreiche
deutſche Rache gegen die franzöſiſche Juli-Revolution.
Aber aus dem Conſtitutionnel, der das Urtheil in
ſeiner ganzer Ausdehnung mit den Unterſchriften der
Richter enthielt, erfuhr ich erſt ſeinen wahren Sinn.
Es heißt dort: verurtheilt ... „à observer un
jeûne de quinze jours chaque mois de Juillet
de chaque année de son enprisonnement, de
manière qu'il ne doit recevoir pendant trois
jours que du pain et de l'eau, pendant les
trois jours suivant la nourriture dûe aux pri¬
sonniers, et ainsi da suite et alternativement
pendant la quinzaine
.“ Was wird es dem Herrn
Oeſtreicher (ſo heißt der verurtheilte Zeitungs-
Redakteur) in der Freiheit gut ſchmecken! Er komme
jedesmal im Juli zu uns, und wir wollen ihn vier¬
zehen Tage lang abwechſelnd drei Tage mit Cham¬
pagner und Auſtern, und drei Tage mit Burgunder
und Trüffelpaſteten bewirthen und dabei auf die Ge¬
ſundheit des Herrn Staatsrathes Feuerbach trinken
— nämlich auf die Geſundheit ſeines Kopfes. Ich
habe Ihnen ſchon früher geſagt, daß dieſe ſchönen
Baieriſchen Kriminalgeſetze keineswegs aus einer
alten barbariſchen Zeit herſtammen, ſondern daß ſie
im neunzehnten Jahrhundert, zwanzig Jahr nach
der franzöſiſchen Erklärung der Menſchenrechte ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0220" n="208"/>
blos Brod ohne Wa&#x017F;&#x017F;er. Ich wunderte mich gar<lb/>
nicht darüber, denn ich dachte, es &#x017F;ei eine &#x017F;innreiche<lb/>
deut&#x017F;che Rache gegen die franzö&#x017F;i&#x017F;che Juli-Revolution.<lb/>
Aber aus dem Con&#x017F;titutionnel, der das Urtheil in<lb/>
&#x017F;einer ganzer Ausdehnung mit den Unter&#x017F;chriften der<lb/>
Richter enthielt, erfuhr ich er&#x017F;t &#x017F;einen wahren Sinn.<lb/>
Es heißt dort: verurtheilt ... &#x201E;<hi rendition="#aq">à observer un<lb/>
jeûne de quinze jours chaque mois de Juillet<lb/>
de chaque année de son enprisonnement, de<lb/>
manière qu'il ne doit recevoir pendant trois<lb/>
jours que du pain et de l'eau, pendant les<lb/>
trois jours suivant la nourriture dûe aux pri¬<lb/>
sonniers, et ainsi da suite et alternativement<lb/>
pendant la quinzaine</hi>.&#x201C; Was wird es dem Herrn<lb/><hi rendition="#g">Oe&#x017F;treicher</hi> (&#x017F;o heißt der verurtheilte Zeitungs-<lb/>
Redakteur) in der Freiheit gut &#x017F;chmecken! Er komme<lb/>
jedesmal im Juli zu uns, und wir wollen ihn vier¬<lb/>
zehen Tage lang abwech&#x017F;elnd drei Tage mit Cham¬<lb/>
pagner und Au&#x017F;tern, und drei Tage mit Burgunder<lb/>
und Trüffelpa&#x017F;teten bewirthen und dabei auf die Ge¬<lb/>
&#x017F;undheit des Herrn Staatsrathes Feuerbach trinken<lb/>
&#x2014; nämlich auf die Ge&#x017F;undheit &#x017F;eines Kopfes. Ich<lb/>
habe Ihnen &#x017F;chon früher ge&#x017F;agt, daß die&#x017F;e &#x017F;chönen<lb/>
Baieri&#x017F;chen Kriminalge&#x017F;etze keineswegs aus einer<lb/>
alten barbari&#x017F;chen Zeit her&#x017F;tammen, &#x017F;ondern daß &#x017F;ie<lb/>
im neunzehnten Jahrhundert, zwanzig Jahr nach<lb/>
der franzö&#x017F;i&#x017F;chen Erklärung der Men&#x017F;chenrechte ver¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0220] blos Brod ohne Waſſer. Ich wunderte mich gar nicht darüber, denn ich dachte, es ſei eine ſinnreiche deutſche Rache gegen die franzöſiſche Juli-Revolution. Aber aus dem Conſtitutionnel, der das Urtheil in ſeiner ganzer Ausdehnung mit den Unterſchriften der Richter enthielt, erfuhr ich erſt ſeinen wahren Sinn. Es heißt dort: verurtheilt ... „à observer un jeûne de quinze jours chaque mois de Juillet de chaque année de son enprisonnement, de manière qu'il ne doit recevoir pendant trois jours que du pain et de l'eau, pendant les trois jours suivant la nourriture dûe aux pri¬ sonniers, et ainsi da suite et alternativement pendant la quinzaine.“ Was wird es dem Herrn Oeſtreicher (ſo heißt der verurtheilte Zeitungs- Redakteur) in der Freiheit gut ſchmecken! Er komme jedesmal im Juli zu uns, und wir wollen ihn vier¬ zehen Tage lang abwechſelnd drei Tage mit Cham¬ pagner und Auſtern, und drei Tage mit Burgunder und Trüffelpaſteten bewirthen und dabei auf die Ge¬ ſundheit des Herrn Staatsrathes Feuerbach trinken — nämlich auf die Geſundheit ſeines Kopfes. Ich habe Ihnen ſchon früher geſagt, daß dieſe ſchönen Baieriſchen Kriminalgeſetze keineswegs aus einer alten barbariſchen Zeit herſtammen, ſondern daß ſie im neunzehnten Jahrhundert, zwanzig Jahr nach der franzöſiſchen Erklärung der Menſchenrechte ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/220
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/220>, abgerufen am 18.05.2024.