Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.sechszehen Monate lang provisorisch im Gefängnisse Die gerichtliche Untersuchung jenes Frankfurter ſechszehen Monate lang proviſoriſch im Gefängniſſe Die gerichtliche Unterſuchung jenes Frankfurter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0222" n="210"/> ſechszehen Monate lang proviſoriſch im Gefängniſſe<lb/> ſchmachten ließ. Wäre nicht die unſelige Verehrung<lb/> alles Beſtehenden, hätte man längſt bei Criminal-<lb/> Verbrechen das mündliche Verfahren eingeführt und<lb/> der Schneckengang ſchriftlicher Vertheidigung hätte<lb/> nicht länger die Qual eines Eingekerkerten zur Un¬<lb/> erträglichkeit ausgedehnt. In Frankfurt iſt nur ein<lb/> einziger Criminalrichter, und dieſer konnte bei den<lb/> vielen andern Geſchäften, die ihm oblagen, auch mit<lb/> dem beſten Willen und dem angeſtrengteſten Fleiße,<lb/> jene Unterſuchung nicht ſchneller fördern. Hätte man<lb/> aber nur die geringſte Vorſtellung, daß nicht blos<lb/> der Staat an den Bürger, ſondern daß auch der<lb/> Menſch an den Staat Anſprüche zu machen habe:<lb/> Dann hätte man ſich keinen Tag beſonnen und hätte<lb/> die Zahl der Unterſuchungsrichter vermehrt und die<lb/> Bedenklichkeit eine alte Gerichtsordnung umzuändern,<lb/> und die Staatsausgaben um einige tauſend Gulden<lb/> zu vermehren, wäre hier, wo es auf die Freiheit<lb/> mehrerer Bürger und die Ruhe ihrer Familien ankam,<lb/> gar nicht in Betracht gekommen. Wie ich aber er¬<lb/> fahren, hat man ſich erſt kürzlich beſonnen, und dem<lb/> Criminalrichter, erſt auf ſein eignes Verlangen, einen<lb/> Gehülfen gegeben.</p><lb/> <p>Die gerichtliche Unterſuchung jenes Frankfurter<lb/> Tumults, an dem nur wenige hundert Menſchen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [210/0222]
ſechszehen Monate lang proviſoriſch im Gefängniſſe
ſchmachten ließ. Wäre nicht die unſelige Verehrung
alles Beſtehenden, hätte man längſt bei Criminal-
Verbrechen das mündliche Verfahren eingeführt und
der Schneckengang ſchriftlicher Vertheidigung hätte
nicht länger die Qual eines Eingekerkerten zur Un¬
erträglichkeit ausgedehnt. In Frankfurt iſt nur ein
einziger Criminalrichter, und dieſer konnte bei den
vielen andern Geſchäften, die ihm oblagen, auch mit
dem beſten Willen und dem angeſtrengteſten Fleiße,
jene Unterſuchung nicht ſchneller fördern. Hätte man
aber nur die geringſte Vorſtellung, daß nicht blos
der Staat an den Bürger, ſondern daß auch der
Menſch an den Staat Anſprüche zu machen habe:
Dann hätte man ſich keinen Tag beſonnen und hätte
die Zahl der Unterſuchungsrichter vermehrt und die
Bedenklichkeit eine alte Gerichtsordnung umzuändern,
und die Staatsausgaben um einige tauſend Gulden
zu vermehren, wäre hier, wo es auf die Freiheit
mehrerer Bürger und die Ruhe ihrer Familien ankam,
gar nicht in Betracht gekommen. Wie ich aber er¬
fahren, hat man ſich erſt kürzlich beſonnen, und dem
Criminalrichter, erſt auf ſein eignes Verlangen, einen
Gehülfen gegeben.
Die gerichtliche Unterſuchung jenes Frankfurter
Tumults, an dem nur wenige hundert Menſchen
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