Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.Die kurzen Tage der langen Briefe sind jetzt Den Tag meiner Abreise kann ich noch nicht Die kurzen Tage der langen Briefe ſind jetzt Den Tag meiner Abreiſe kann ich noch nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0238" n="226"/> <p>Die kurzen Tage der langen Briefe ſind jetzt<lb/> vorüber. Ich danke Euch, Ihr Götter! Wie ich<lb/> es ſatt bin! Uebermorgen iſt der 20. März, an<lb/> welchem, Morgens 8 Uhr 16 Minuten der Frühling<lb/> beginnt. Von da an will ich lieben, ſelbſt den Teufel,<lb/> und lieben bis der Senne heimkehrt und die Blätter<lb/> fallen. Nach der Traubenleſe beginne ich meinen<lb/> Kampf von neuen. Ach! Ich trinke ja keinen Wein<lb/> mehr und wenn es nicht die Freiheit wäre, was<lb/> ſollte mein altes Herz erwärmen in den kalten<lb/> Wintertagen? Die Freiheit liebte ich immer; aber<lb/> als ich noch jung war und den Becher liebte, da<lb/> träumte ich von ihr, und da vermißte ich ſie ſelten,<lb/> denn ich trank oft. Jetzt wache ich und bin nüchtern<lb/> wie ein Bach, und wenn ich dampfe, iſt es nur<lb/> weil die Luft noch kälter iſt als ich.</p><lb/> <p>Den Tag meiner Abreiſe kann ich noch nicht<lb/> beſtimmen, das hängt von meinem Holze ab. Ja<lb/> wahrhaftig von meinem Brennholze; das iſt mein<lb/> Kerbholz, mein Kalender. Ich habe geſchworen, kein<lb/> friſches mehr kommen zu laſſen, ſondern in den<lb/> Wagen zu ſteigen, ſobald der letzte Scheit im Kamin<lb/> liegt. Nein was ich dieſen Winter Holz verbrannt<lb/> habe, wage ich Ihnen nicht zu ſagen; es möchte<lb/> Ihrer Geſundheit ſchaden. Es iſt <hi rendition="#g">gräulich</hi>!<lb/> Zehen brave deutſche Hausfrauen hätte das unter<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [226/0238]
Die kurzen Tage der langen Briefe ſind jetzt
vorüber. Ich danke Euch, Ihr Götter! Wie ich
es ſatt bin! Uebermorgen iſt der 20. März, an
welchem, Morgens 8 Uhr 16 Minuten der Frühling
beginnt. Von da an will ich lieben, ſelbſt den Teufel,
und lieben bis der Senne heimkehrt und die Blätter
fallen. Nach der Traubenleſe beginne ich meinen
Kampf von neuen. Ach! Ich trinke ja keinen Wein
mehr und wenn es nicht die Freiheit wäre, was
ſollte mein altes Herz erwärmen in den kalten
Wintertagen? Die Freiheit liebte ich immer; aber
als ich noch jung war und den Becher liebte, da
träumte ich von ihr, und da vermißte ich ſie ſelten,
denn ich trank oft. Jetzt wache ich und bin nüchtern
wie ein Bach, und wenn ich dampfe, iſt es nur
weil die Luft noch kälter iſt als ich.
Den Tag meiner Abreiſe kann ich noch nicht
beſtimmen, das hängt von meinem Holze ab. Ja
wahrhaftig von meinem Brennholze; das iſt mein
Kerbholz, mein Kalender. Ich habe geſchworen, kein
friſches mehr kommen zu laſſen, ſondern in den
Wagen zu ſteigen, ſobald der letzte Scheit im Kamin
liegt. Nein was ich dieſen Winter Holz verbrannt
habe, wage ich Ihnen nicht zu ſagen; es möchte
Ihrer Geſundheit ſchaden. Es iſt gräulich!
Zehen brave deutſche Hausfrauen hätte das unter
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