Bogatzky, Carl Heinrich von: Güldenes Schatz-Kästlein der Kinder GOttes, deren Schatz im Himmel ist. Halle, 1755.5. Maj. HERR, lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir O bitte bald darum! die Sterbekunst ist nicht bald gelernet. Erinnre mich, daß ich, als Erde, zur Erd' auch einmal werden muß, Damit ich klug und wachsam werde; Weil unsrer Zeiten schneller Fluß, Eh' man es glaubet, oft verfließt, und in die Ewigkeit verschießt. Drum laß mich täglich Rechnung halten durch wahre Prüfung, Buß und Reu, Auf daß die letzte beym Erkalten nicht allzugroß und schwer mir sey: Auch führ mich stets in deinen Tod, so hats in meinem keine Noth. Ach laß mich, HErr, nur nicht verzagen, du weist, wie schwach und blöd ich bin, Wie ich so wenig kan ertragen: drum stärke du mein Herz und Sinn, Und laß mich in der Todespein nicht über Macht versuchet seyn. Dein Geist sey in den letzten Stunden mein Reisgefärte bis ins Grab, Mein Weg und Durchgang deine Wunden, dein Wort mein Schwerdt, dein Creutz mein Stab; Die Ruhstätt, wenn ich müde bin, das Vaterherz, dein Liebessinn. 5. Maj. HERR, lehre uns bedenken, daß wir ſterben müſſen, auf daß wir O bitte bald darum! die Sterbekunſt iſt nicht bald gelernet. Erinnre mich, daß ich, als Erde, zur Erd’ auch einmal werden muß, Damit ich klug und wachſam werde; Weil unſrer Zeiten ſchneller Fluß, Eh’ man es glaubet, oft verfließt, und in die Ewigkeit verſchießt. Drum laß mich täglich Rechnung halten durch wahre Prüfung, Buß und Reu, Auf daß die letzte beym Erkalten nicht allzugroß und ſchwer mir ſey: Auch führ mich ſtets in deinen Tod, ſo hats in meinem keine Noth. Ach laß mich, HErr, nur nicht verzagen, du weiſt, wie ſchwach und blöd ich bin, Wie ich ſo wenig kan ertragen: drum ſtärke du mein Herz und Sinn, Und laß mich in der Todespein nicht über Macht verſuchet ſeyn. Dein Geiſt ſey in den letzten Stunden mein Reisgefärte bis ins Grab, Mein Weg und Durchgang deine Wunden, dein Wort mein Schwerdt, dein Creutz mein Stab; Die Ruhſtätt, wenn ich müde bin, das Vaterherz, dein Liebesſinn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0137" n="125"/> <div n="2"> <dateline>5. <hi rendition="#aq">Maj.</hi></dateline><lb/> <p><hi rendition="#in">H</hi><hi rendition="#fr">ERR, lehre uns bedenken, daß wir ſterben müſſen, auf daß wir<lb/> klug werden.</hi> Pſ. 90, 12. Wer alſo ſein Ende nicht recht bedenkt, iſt<lb/> nicht klug, ſondern voller Thorheit, ob er auch ein groſſer Weltweiſe und<lb/> Staatsmann wäre. Dis rechte Bedenken muß aber erbeten werden.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>O bitte bald darum! die Sterbekunſt iſt nicht bald gelernet.</l><lb/> <l>Erinnre mich, daß ich, als Erde, zur Erd’ auch einmal werden muß,</l><lb/> <l>Damit ich klug und wachſam werde; Weil unſrer Zeiten ſchneller Fluß,</l><lb/> <l>Eh’ man es glaubet, oft verfließt, und in die Ewigkeit verſchießt.</l><lb/> <l>Drum laß mich <hi rendition="#fr">täglich</hi> Rechnung halten durch wahre Prüfung, Buß und Reu,</l><lb/> <l>Auf daß die letzte beym Erkalten nicht allzugroß und ſchwer mir ſey:</l><lb/> <l>Auch führ mich ſtets <hi rendition="#fr">in deinen Tod,</hi> ſo hats in meinem keine Noth.</l><lb/> <l>Ach laß mich, HErr, nur nicht verzagen, du weiſt, wie ſchwach und blöd ich bin,</l><lb/> <l>Wie ich ſo wenig kan ertragen: drum ſtärke du mein Herz und Sinn,</l><lb/> <l>Und laß mich in der Todespein nicht über Macht verſuchet ſeyn.</l><lb/> <l>Dein Geiſt ſey in den letzten Stunden mein Reisgefärte bis ins Grab,</l><lb/> <l>Mein Weg und Durchgang deine Wunden, dein Wort mein Schwerdt, dein</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Creutz mein Stab;</hi> </l><lb/> <l>Die Ruhſtätt, wenn ich müde bin, das Vaterherz, dein Liebesſinn.</l> </lg> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [125/0137]
5. Maj.
HERR, lehre uns bedenken, daß wir ſterben müſſen, auf daß wir
klug werden. Pſ. 90, 12. Wer alſo ſein Ende nicht recht bedenkt, iſt
nicht klug, ſondern voller Thorheit, ob er auch ein groſſer Weltweiſe und
Staatsmann wäre. Dis rechte Bedenken muß aber erbeten werden.
O bitte bald darum! die Sterbekunſt iſt nicht bald gelernet.
Erinnre mich, daß ich, als Erde, zur Erd’ auch einmal werden muß,
Damit ich klug und wachſam werde; Weil unſrer Zeiten ſchneller Fluß,
Eh’ man es glaubet, oft verfließt, und in die Ewigkeit verſchießt.
Drum laß mich täglich Rechnung halten durch wahre Prüfung, Buß und Reu,
Auf daß die letzte beym Erkalten nicht allzugroß und ſchwer mir ſey:
Auch führ mich ſtets in deinen Tod, ſo hats in meinem keine Noth.
Ach laß mich, HErr, nur nicht verzagen, du weiſt, wie ſchwach und blöd ich bin,
Wie ich ſo wenig kan ertragen: drum ſtärke du mein Herz und Sinn,
Und laß mich in der Todespein nicht über Macht verſuchet ſeyn.
Dein Geiſt ſey in den letzten Stunden mein Reisgefärte bis ins Grab,
Mein Weg und Durchgang deine Wunden, dein Wort mein Schwerdt, dein
Creutz mein Stab;
Die Ruhſtätt, wenn ich müde bin, das Vaterherz, dein Liebesſinn.
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