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Bohse, August: Des Frantzöischen Helicons auserlesene Winter-Früchte. [Bd. 1]. Leipzig, 1703.

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Denckwürdigkeiten.
Abt gewesen. Daher kommts/ daß man in Franck-
reich sagt/ es sey Joannes Gerson Doctor von der
Sorbone und Cantzler der Universität zu| Paris,
welcher vor zwey hundert Jahren lebete. Per re-
gulam: De duobus litigantibus gaudet tertius.

Man findet eine alte Edition unter diesem Namen
Gerson; ich habe solche auch gesehen unter dem
Namen Sanct Bernardi.

Monsieur Labbe ein Advocat, hat über diese Ma-
terie
sich gemacht/ und will erweisen/ daß der wahre
Autor dieses Buchs/ Franckreich zur Ehre/ dieser
Jean Gerson sey/ aber er wird es niemahls genug be-
haupten können.

Als der Cardinal Richelieu dieses Buch in
Louvre wieder drucken ließ/ ware er willens den Na-
men Thomas a Kempis davor drucken zu lassen: A-
ber die Benedictiner in Franckreich kahmen dazwi-
schen/ und bathen sehr/ es möchten ihre Eminenz
lassen den Namen Joann Gerson davor setzen/ und
rühmeten sich/ daß sie solches zu erweisen vier Ma-
nuscripta
dieses Buchs zu Rom hätten/ welche alle
diesen Namen führeten. Der Cardinal willigte
in ihr Begehren/ so fern das/ was sie vorgäben/
durch gute Leute und Kenner solcher Sachen beja-
het und vor wahr bestätiget würde: Er schrieb
auch selbst an den Cardinal Bagni, welcher als ein
Mann von stattlichem Verstande die vier Manuscri-
pta
liesse zu sich bringen/ darüber die Herren Patres
des Benedictiner-Ordens sehr froh waren/ denn sie
meyneten/ den Cardinal zu betrügen/ aber sie ver-
mochten es nicht. Denn wir musten sie alle in sei-

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Denckwuͤrdigkeiten.
Abt geweſen. Daher kommts/ daß man in Franck-
reich ſagt/ es ſey Joannes Gerſon Doctor von der
Sorbone und Cantzler der Univerſitaͤt zu| Paris,
welcher vor zwey hundert Jahren lebete. Per re-
gulam: De duobus litigantibus gaudet tertius.

Man findet eine alte Edition unter dieſem Namen
Gerſon; ich habe ſolche auch geſehen unter dem
Namen Sanct Bernardi.

Monſieur Labbé ein Advocat, hat uͤber dieſe Ma-
terie
ſich gemacht/ und will erweiſen/ daß der wahre
Autor dieſes Buchs/ Franckreich zur Ehre/ dieſer
Jean Gerſon ſey/ aber er wird es niemahls genug be-
haupten koͤnnen.

Als der Cardinal Richelieu dieſes Buch in
Louvre wieder drucken ließ/ ware er willens den Na-
men Thomas à Kempis davor drucken zu laſſen: A-
ber die Benedictiner in Franckreich kahmen dazwi-
ſchen/ und bathen ſehr/ es moͤchten ihre Eminenz
laſſen den Namen Joann Gerſon davor ſetzen/ und
ruͤhmeten ſich/ daß ſie ſolches zu erweiſen vier Ma-
nuſcripta
dieſes Buchs zu Rom haͤtten/ welche alle
dieſen Namen fuͤhreten. Der Cardinal willigte
in ihr Begehren/ ſo fern das/ was ſie vorgaͤben/
durch gute Leute und Kenner ſolcher Sachen beja-
het und vor wahr beſtaͤtiget wuͤrde: Er ſchrieb
auch ſelbſt an den Cardinal Bagni, welcher als ein
Mañ von ſtattlichem Verſtande die vier Manuſcri-
pta
lieſſe zu ſich bringen/ daruͤber die Herren Patres
des Benedictiner-Ordens ſehr froh waren/ denn ſie
meyneten/ den Cardinal zu betruͤgen/ aber ſie ver-
mochten es nicht. Denn wir muſten ſie alle in ſei-

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[231/0251] Denckwuͤrdigkeiten. Abt geweſen. Daher kommts/ daß man in Franck- reich ſagt/ es ſey Joannes Gerſon Doctor von der Sorbone und Cantzler der Univerſitaͤt zu| Paris, welcher vor zwey hundert Jahren lebete. Per re- gulam: De duobus litigantibus gaudet tertius. Man findet eine alte Edition unter dieſem Namen Gerſon; ich habe ſolche auch geſehen unter dem Namen Sanct Bernardi. Monſieur Labbé ein Advocat, hat uͤber dieſe Ma- terie ſich gemacht/ und will erweiſen/ daß der wahre Autor dieſes Buchs/ Franckreich zur Ehre/ dieſer Jean Gerſon ſey/ aber er wird es niemahls genug be- haupten koͤnnen. Als der Cardinal Richelieu dieſes Buch in Louvre wieder drucken ließ/ ware er willens den Na- men Thomas à Kempis davor drucken zu laſſen: A- ber die Benedictiner in Franckreich kahmen dazwi- ſchen/ und bathen ſehr/ es moͤchten ihre Eminenz laſſen den Namen Joann Gerſon davor ſetzen/ und ruͤhmeten ſich/ daß ſie ſolches zu erweiſen vier Ma- nuſcripta dieſes Buchs zu Rom haͤtten/ welche alle dieſen Namen fuͤhreten. Der Cardinal willigte in ihr Begehren/ ſo fern das/ was ſie vorgaͤben/ durch gute Leute und Kenner ſolcher Sachen beja- het und vor wahr beſtaͤtiget wuͤrde: Er ſchrieb auch ſelbſt an den Cardinal Bagni, welcher als ein Mañ von ſtattlichem Verſtande die vier Manuſcri- pta lieſſe zu ſich bringen/ daruͤber die Herren Patres des Benedictiner-Ordens ſehr froh waren/ denn ſie meyneten/ den Cardinal zu betruͤgen/ aber ſie ver- mochten es nicht. Denn wir muſten ſie alle in ſei- ner P 4

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Frantzöischen Helicons auserlesene Winter-Früchte. [Bd. 1]. Leipzig, 1703, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon01_1703/251>, abgerufen am 22.12.2024.