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Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

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der Eyfersucht.

Das gantze Haußgesinde weinetlaut über solchen Fall/ also
daß das Geschrey davon biß in der Gräfin Zimmer dringet.
Sie fällt bey gehörten Abschiede aus dieser Welt ihres hertz-
geliebtesten Kindes in eine starcke Ohnmacht. Endlich/ da sie
daraus wieder zu sich selbst gebracht/ hebet sie traurig ihre Au-
gen gen Himmel/ und betet mit tieffsten Respect sein ihr zuge-
schicktes herbes Verhängniß an. Sie tröstet sich/ daß sie ihre
Tochter in einem Alter verlohren/ welches die Unschuld an-
noch begleitet hätte/ und das noch nicht fähig gewesen/ von
der verderbten Welt sich verführen zu lassen. Endlich wün-
schet sie sehnlich/ daß sie ihr doch fein bald in die Ewigkeit
nachfolgen möchte.

Der Graf/ der über diesen Verlust keinen Trost anneh-
men will/ gibt der Gräfin alle Schuld/ daß ihn solcher betrof-
fen. Er hält dafür/ wenn er seiner Tochter nicht erlaubet sie
zu sehen/ so wäre sie nicht gestorben. Er nimmt sich darauf vor/
seine Rache gegen die Gräfin ansznüben/ die er so lange im
Sinn gehabt/ und es kömmt gleich eine Zeitung/ die ihn an-
treibet/ seinen grausamen Entschluß desto schleuniger ins
Werck zu richten.

Der König wird nach vielen Conferenzen zwischen seiner
Schwester der Madame d' Alencon und Kayser Carln wieder
in Freyheit gesetzet. Der Graf besorget/ daß er nach seiner
Zurückkuufft seine Frau nicht wieder nach Hofe holen liesse/
und dieses strenget ihn an/ der unglückseligen Francisca ihre
Todes-Stunde zu befördern.

Die Hofmeisterin des verstorbenen Fräuleins mercket seine
vorhabende Grausamkeit/ und warnet die Gräfin. Diese
antwortet ohne Bewegung; daß sie sich schon längst zum Ster-
ben geschickt: daß nach ihrer liebsten Tochter Tode ihr das
Leben ohnediß eine rechte Last wäre/ und daß ihr Mann/
wann er ihr selbiges nähme/ sie mehr verpflichtete/ als er
wohl dächte/ damit sie wieder zu ihrem liebsten Kinde käme/
und von so viel Elend befreyet würde.

Er kömmt darauf mit gantz brennenden Augen in ihr Zim-
mer/ und ist von sechs vermafqveten Mördern begleitet.

Sie siehet ihn gantz liebreich an/ sagend: Sie wisse wohl/
in welchem Vorhaben er zu ihr käme. Doch sie murre nicht
dawider; und verdiene wohl eine härtere Straffe. Aber weil

doch
der Eyferſucht.

Das gantze Haußgeſinde weinetlaut uͤber ſolchen Fall/ alſo
daß das Geſchrey davon biß in der Graͤfin Zimmer dringet.
Sie faͤllt bey gehörten Abſchiede aus dieſer Welt ihres hertz-
geliebteſten Kindes in eine ſtarcke Ohnmacht. Endlich/ da ſie
daraus wieder zu ſich ſelbſt gebracht/ hebet ſie traurig ihre Au-
gen gen Himmel/ und betet mit tieffſten Reſpect ſein ihr zuge-
ſchicktes herbes Verhaͤngniß an. Sie troͤſtet ſich/ daß ſie ihre
Tochter in einem Alter verlohren/ welches die Unſchuld an-
noch begleitet haͤtte/ und das noch nicht faͤhig geweſen/ von
der verderbten Welt ſich verfuͤhren zu laſſen. Endlich wuͤn-
ſchet ſie ſehnlich/ daß ſie ihr doch fein bald in die Ewigkeit
nachfolgen moͤchte.

Der Graf/ der uͤber dieſen Verluſt keinen Troſt anneh-
men will/ gibt der Graͤfin alle Schuld/ daß ihn ſolcher betrof-
fen. Er haͤlt dafür/ wenn er ſeiner Tochter nicht erlaubet ſie
zu ſehen/ ſo waͤre ſie nicht geſtorben. Er nim̃t ſich darauf vor/
ſeine Rache gegen die Graͤfin ansznuͤben/ die er ſo lange im
Sinn gehabt/ und es koͤm̃t gleich eine Zeitung/ die ihn an-
treibet/ ſeinen grauſamen Entſchluß deſto ſchleuniger ins
Werck zu richten.

Der Koͤnig wird nach vielen Conferenzen zwiſchen ſeiner
Schweſter der Madame d’ Alençon und Kayſer Carln wieder
in Freyheit geſetzet. Der Graf beſorget/ daß er nach ſeiner
Zuruͤckkuufft ſeine Frau nicht wieder nach Hofe holen lieſſe/
und dieſes ſtrenget ihn an/ der ungluͤckſeligen Franciſca ihre
Todes-Stunde zu befoͤrdern.

Die Hofmeiſterin des verſtorbenen Fraͤuleins mercket ſeine
vorhabende Grauſamkeit/ und warnet die Graͤfin. Dieſe
antwortet ohne Bewegung; daß ſie ſich ſchon laͤngſt zum Ster-
ben geſchickt: daß nach ihrer liebſten Tochter Tode ihr das
Leben ohnediß eine rechte Laſt waͤre/ und daß ihr Mann/
wann er ihr ſelbiges naͤhme/ ſie mehr verpflichtete/ als er
wohl daͤchte/ damit ſie wieder zu ihrem liebſten Kinde kaͤme/
und von ſo viel Elend befreyet wuͤrde.

Er köm̃t darauf mit gantz brennenden Augen in ihr Zim-
mer/ und iſt von ſechs vermafqveten Moͤrdern begleitet.

Sie ſiehet ihn gantz liebreich an/ ſagend: Sie wiſſe wohl/
in welchem Vorhaben er zu ihr kaͤme. Doch ſie murre nicht
dawider; und verdiene wohl eine haͤrtere Straffe. Aber weil

doch
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[187/0211] der Eyferſucht. Das gantze Haußgeſinde weinetlaut uͤber ſolchen Fall/ alſo daß das Geſchrey davon biß in der Graͤfin Zimmer dringet. Sie faͤllt bey gehörten Abſchiede aus dieſer Welt ihres hertz- geliebteſten Kindes in eine ſtarcke Ohnmacht. Endlich/ da ſie daraus wieder zu ſich ſelbſt gebracht/ hebet ſie traurig ihre Au- gen gen Himmel/ und betet mit tieffſten Reſpect ſein ihr zuge- ſchicktes herbes Verhaͤngniß an. Sie troͤſtet ſich/ daß ſie ihre Tochter in einem Alter verlohren/ welches die Unſchuld an- noch begleitet haͤtte/ und das noch nicht faͤhig geweſen/ von der verderbten Welt ſich verfuͤhren zu laſſen. Endlich wuͤn- ſchet ſie ſehnlich/ daß ſie ihr doch fein bald in die Ewigkeit nachfolgen moͤchte. Der Graf/ der uͤber dieſen Verluſt keinen Troſt anneh- men will/ gibt der Graͤfin alle Schuld/ daß ihn ſolcher betrof- fen. Er haͤlt dafür/ wenn er ſeiner Tochter nicht erlaubet ſie zu ſehen/ ſo waͤre ſie nicht geſtorben. Er nim̃t ſich darauf vor/ ſeine Rache gegen die Graͤfin ansznuͤben/ die er ſo lange im Sinn gehabt/ und es koͤm̃t gleich eine Zeitung/ die ihn an- treibet/ ſeinen grauſamen Entſchluß deſto ſchleuniger ins Werck zu richten. Der Koͤnig wird nach vielen Conferenzen zwiſchen ſeiner Schweſter der Madame d’ Alençon und Kayſer Carln wieder in Freyheit geſetzet. Der Graf beſorget/ daß er nach ſeiner Zuruͤckkuufft ſeine Frau nicht wieder nach Hofe holen lieſſe/ und dieſes ſtrenget ihn an/ der ungluͤckſeligen Franciſca ihre Todes-Stunde zu befoͤrdern. Die Hofmeiſterin des verſtorbenen Fraͤuleins mercket ſeine vorhabende Grauſamkeit/ und warnet die Graͤfin. Dieſe antwortet ohne Bewegung; daß ſie ſich ſchon laͤngſt zum Ster- ben geſchickt: daß nach ihrer liebſten Tochter Tode ihr das Leben ohnediß eine rechte Laſt waͤre/ und daß ihr Mann/ wann er ihr ſelbiges naͤhme/ ſie mehr verpflichtete/ als er wohl daͤchte/ damit ſie wieder zu ihrem liebſten Kinde kaͤme/ und von ſo viel Elend befreyet wuͤrde. Er köm̃t darauf mit gantz brennenden Augen in ihr Zim- mer/ und iſt von ſechs vermafqveten Moͤrdern begleitet. Sie ſiehet ihn gantz liebreich an/ ſagend: Sie wiſſe wohl/ in welchem Vorhaben er zu ihr kaͤme. Doch ſie murre nicht dawider; und verdiene wohl eine haͤrtere Straffe. Aber weil doch

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/211>, abgerufen am 21.11.2024.