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Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

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des Frauenvolcks.
Schönheit verleite sie zur Eigen-Liebe/ und man ge-
be ihnen noch dazu alle Mittel an die Hand/ sich je
mehr und mehr gefällig zu machen.

Eine Jungfer kenne ihre Religion nicht weiter als
aus ihrem Catechismus, die Wissenschafften nur
den Nahmen nach/ und alle gute Sachen bloß in dem
Abrisse. Sie lerne die Music/ und die Warheit
bleibe ihr unbekandt. Sie wisse alle Spiele/ und
lese keine andern Bücher/ als dadurch sie nur noch
mehr verdorben würde. Daher bekäme sie einen
Abschen vor allen/ was gut und nützlich wäre/ und
verachtete solches aus Unwissenheit. Machete sich
hingegen nach der Einbildung ihrer Selbst-Liebe
und nach der Gewonheit der Zeit ein Muster der
Vollkommenheit/ nach welchem sie alle ihre Hand-
lungen einrichtete.

Ein gutes Absehen vertrsache/ daß man das
Frauenzimmer von höhern Wissenschafften abhal-
te/ und folge darauf eine böse Wirckung. Jndem
man selbiges dahin bringen wolte/ daß es die Hof-
fart der Halb-Gelehrten nicht solle an sich nehmen/
so liesse man sie in die Unwissenheit der warhafftig
Hoffärtigen fallen. Eine Jungfer läse nur/ um an-
derer Damen ihre Intriguen zu lernen/ und die ih-
rigen darnach einzurichten. Sie dächte nicht eines
sein Hertz rechtmäßig zu gewinnen/ sondern nur vie-
le Liebhaber an sich zu ziehen/ und suchete aus deren
Anzahl einen falschen Ruhm.

Sie beflisse sich auf liebreitzende Blicke/ und
dächte stets/ wie sie durch Kunst ihre Schönheit
vermehren möchte/ und immer einem Gegenstande
nach dem andern gefallen. Sie wäre allezeit müßig/

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des Frauenvolcks.
Schoͤnheit verleite ſie zur Eigen-Liebe/ und man ge-
be ihnen noch dazu alle Mittel an die Hand/ ſich je
mehr und mehr gefaͤllig zu machen.

Eine Jungfer kenne ihre Religion nicht weiter als
aus ihrem Catechiſmus, die Wiſſenſchafften nur
den Nahmen nach/ und alle gute Sachen bloß in dem
Abriſſe. Sie lerne die Muſic/ und die Warheit
bleibe ihr unbekandt. Sie wiſſe alle Spiele/ und
leſe keine andern Buͤcher/ als dadurch ſie nur noch
mehr verdorben wuͤrde. Daher bekaͤme ſie einen
Abſchen vor allen/ was gut und nuͤtzlich waͤre/ und
verachtete ſolches aus Unwiſſenheit. Machete ſich
hingegen nach der Einbildung ihrer Selbſt-Liebe
und nach der Gewonheit der Zeit ein Muſter der
Vollkommenheit/ nach welchem ſie alle ihre Hand-
lungen einrichtete.

Ein gutes Abſehen vertrſache/ daß man das
Frauenzimmer von hoͤhern Wiſſenſchafften abhal-
te/ und folge darauf eine boͤſe Wirckung. Jndem
man ſelbiges dahin bringen wolte/ daß es die Hof-
fart der Halb-Gelehrten nicht ſolle an ſich nehmen/
ſo lieſſe man ſie in die Unwiſſenheit der warhafftig
Hoffaͤrtigen fallen. Eine Jungfer laͤſe nur/ um an-
derer Damen ihre Intriguen zu lernen/ und die ih-
rigen darnach einzurichten. Sie daͤchte nicht eines
ſein Hertz rechtmaͤßig zu gewinnen/ ſondern nur vie-
le Liebhaber an ſich zu ziehen/ und ſuchete aus deren
Anzahl einen falſchen Ruhm.

Sie befliſſe ſich auf liebreitzende Blicke/ und
daͤchte ſtets/ wie ſie durch Kunſt ihre Schoͤnheit
vermehren moͤchte/ und immer einem Gegenſtande
nach dem andern gefallen. Sie waͤre allezeit muͤßig/

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[283/0315] des Frauenvolcks. Schoͤnheit verleite ſie zur Eigen-Liebe/ und man ge- be ihnen noch dazu alle Mittel an die Hand/ ſich je mehr und mehr gefaͤllig zu machen. Eine Jungfer kenne ihre Religion nicht weiter als aus ihrem Catechiſmus, die Wiſſenſchafften nur den Nahmen nach/ und alle gute Sachen bloß in dem Abriſſe. Sie lerne die Muſic/ und die Warheit bleibe ihr unbekandt. Sie wiſſe alle Spiele/ und leſe keine andern Buͤcher/ als dadurch ſie nur noch mehr verdorben wuͤrde. Daher bekaͤme ſie einen Abſchen vor allen/ was gut und nuͤtzlich waͤre/ und verachtete ſolches aus Unwiſſenheit. Machete ſich hingegen nach der Einbildung ihrer Selbſt-Liebe und nach der Gewonheit der Zeit ein Muſter der Vollkommenheit/ nach welchem ſie alle ihre Hand- lungen einrichtete. Ein gutes Abſehen vertrſache/ daß man das Frauenzimmer von hoͤhern Wiſſenſchafften abhal- te/ und folge darauf eine boͤſe Wirckung. Jndem man ſelbiges dahin bringen wolte/ daß es die Hof- fart der Halb-Gelehrten nicht ſolle an ſich nehmen/ ſo lieſſe man ſie in die Unwiſſenheit der warhafftig Hoffaͤrtigen fallen. Eine Jungfer laͤſe nur/ um an- derer Damen ihre Intriguen zu lernen/ und die ih- rigen darnach einzurichten. Sie daͤchte nicht eines ſein Hertz rechtmaͤßig zu gewinnen/ ſondern nur vie- le Liebhaber an ſich zu ziehen/ und ſuchete aus deren Anzahl einen falſchen Ruhm. Sie befliſſe ſich auf liebreitzende Blicke/ und daͤchte ſtets/ wie ſie durch Kunſt ihre Schoͤnheit vermehren moͤchte/ und immer einem Gegenſtande nach dem andern gefallen. Sie waͤre allezeit muͤßig/ ob U 3

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/315>, abgerufen am 21.11.2024.