Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.des Frauenvolcks. verschonete/ dadurch zöhe man sie von denen Ver-richtungen ab/ und um ihre Gestalt allzu viel zu con- ferviren/ so dächte man nicht auf die Regierung ih- rer Affecten. Weil nun ihr Verstand also in Unwissenheit/ Ein Frauenzimmer/ welches andere Hertzen zu ge- Doch diese Selbst-Liebe regiere nicht allein in de- Die/ so vor andern vor verständig wolten gehal- Mit Nutzen sich selbst zu richten/ müsse man mit grosser
des Frauenvolcks. verſchonete/ dadurch zoͤhe man ſie von denen Ver-richtungen ab/ und um ihre Geſtalt allzu viel zu con- ferviren/ ſo daͤchte man nicht auf die Regierung ih- rer Affecten. Weil nun ihr Verſtand alſo in Unwiſſenheit/ Ein Frauenzimmer/ welches andere Hertzen zu ge- Doch dieſe Selbſt-Liebe regiere nicht allein in de- Die/ ſo vor andern vor verſtaͤndig wolten gehal- Mit Nutzen ſich ſelbſt zu richten/ muͤſſe man mit groſſer
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des Frauenvolcks.
verſchonete/ dadurch zoͤhe man ſie von denen Ver-
richtungen ab/ und um ihre Geſtalt allzu viel zu con-
ferviren/ ſo daͤchte man nicht auf die Regierung ih-
rer Affecten.
Weil nun ihr Verſtand alſo in Unwiſſenheit/
und der Leib in Weichlichkeit bliebe/ ſo gaͤbe ihr die
Selbſt-Liebe allerhand wolluͤſtige Neigungen ein;
ſo bald ſich die Vernunfft ein wenig hervorthaͤt/ zei-
gete ihr die Eigen-Liebe allerhand anmuthige Ge-
genwuͤrffe/ um ihren Geſchmack zu verfuͤhren; und
machete ihr allerhand ſuͤße Einbildungen von dem
Zukuͤnfftigen genieſſen.
Ein Frauenzimmer/ welches andere Hertzen zu ge-
winnen ſuchete/ wuͤrde durch die Selbſt-Liebe dazu
verleitet: Und dieſe waͤre ſowohl eine Freundin des
Eigennutzes/ als der Wolluſt.
Doch dieſe Selbſt-Liebe regiere nicht allein in de-
nen/ ſo zur Buhlerey geneiget/ und die ſich bemuͤhe-
ten/ galant zu ſeyn/ ſondern auch in derer Hertzen/
die da from̃ wolten angeſehen ſeyn/ und doch Heuch-
lerinnen waͤren. Sie redeten von nichts als von An-
dacht und Chriſtlicher Liebe/ da doch eine ſo wenig
als die andere in der That bey ihnen zu finden: Nur
die Selbſt-Liebe triebe ſie zu ſolcher euſſerlichen Hei-
ligkeit an.
Die/ ſo vor andern vor verſtaͤndig wolten gehal-
ten werden/ in der Warheit aber nichts wuͤſten/ waͤ-
ren auch mit dem Laſter der Selbſt-Liebe behafftet.
Sie waͤren ſcharffſichtig genug/ anderer ihre Fehler
zu ſehen/ und durchzuziehen/ bey ihren eigenen aber
machete ſie die Selbſt-Liebe blind.
Mit Nutzen ſich ſelbſt zu richten/ muͤſſe man mit
groſſer
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