Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

[Gleich. 215] § 66. Numerische Rechnungen.
Dieser Werth ist dreimal so klein, als der von mir in den
Wien. Ber. l. c. gefundene, was daher rührt, dass ich daselbst
die schon dort als unwahrscheinlich bezeichnete Voraussetzung
machte, dass sich die vier Sauerstoffatome bei der Vereinigung
und Wiedertrennung zweier NO2-Gruppen beliebig austauschen,
wogegen ich hier jede solche Gruppe als sich nicht zerlegend,
ganz die Rolle eines Atomes spielend betrachtete.

Für Joddampf fand ich (l. c.)
215) [Formel 1] .
Die betreffenden Versuche wurden ebenfalls unter Atmosphären-
druck (im Mittel 728 mm Quecksilber) angestellt. Ferner ist
das Molekulargewicht 2m1 von J2 gleich 253·6. Die Substitution
dieser Werthe liefert beiläufig
[Formel 2] .

Weder für Untersalpetersäure, noch für Joddampf ist der
Werth der Waals'schen Constanten b bekannt, man kann daher
den von den Molekülen ausgefüllten Raum nicht aus der Waals'-
schen Formel berechnen, die ihn übrigens auch nur der Grössen-
ordnung nach liefert, da sie die Moleküle als fast undeformir-
bare Kugeln betrachtet und noch verschiedene andere Verein-
fachungen annimmt, welche das Resultat beeinflussen können.
Es bleibt uns ausschliesslich die Loschmidt'sche Schätzungs-
methode. Wir wollen die Dichte der flüssigen Untersalpeter-
säure gleich 1·5, die des festen Jodes gleich 5 setzen, was
Temperaturen entspricht, die etwas unter der des schmelzen-
den Eises liegen. Bei diesen Temperaturen ist der Dampf-
druck beider Substanzen nur mehr gering; für Jod freilich
noch viel geringer als für Untersalpetersäure; doch kommt
dies hier, wo wir nur Grössenordnungen roh schätzen, nicht
in Betracht. Wir nehmen daher ganz willkürlich an, dass in
diesen beiden Substanzen zwei Drittel des Gesammtraumes
von den Molekülen erfüllt ist. Dann wäre der von den
Molekülen eines Grammes Untersalpetersäure erfüllte Raum
0·44 cm3 / gr; die Summe der Volumina der Deckungssphären
dieser Moleküle ist achtmal so gross, also 3·55 cm3 / gr. Die-
selben Grössen wären dann für Jod 0·133 cm3 / gr und

13*

[Gleich. 215] § 66. Numerische Rechnungen.
Dieser Werth ist dreimal so klein, als der von mir in den
Wien. Ber. l. c. gefundene, was daher rührt, dass ich daselbst
die schon dort als unwahrscheinlich bezeichnete Voraussetzung
machte, dass sich die vier Sauerstoffatome bei der Vereinigung
und Wiedertrennung zweier NO2-Gruppen beliebig austauschen,
wogegen ich hier jede solche Gruppe als sich nicht zerlegend,
ganz die Rolle eines Atomes spielend betrachtete.

Für Joddampf fand ich (l. c.)
215) [Formel 1] .
Die betreffenden Versuche wurden ebenfalls unter Atmosphären-
druck (im Mittel 728 mm Quecksilber) angestellt. Ferner ist
das Molekulargewicht 2μ1 von J2 gleich 253·6. Die Substitution
dieser Werthe liefert beiläufig
[Formel 2] .

Weder für Untersalpetersäure, noch für Joddampf ist der
Werth der Waals’schen Constanten b bekannt, man kann daher
den von den Molekülen ausgefüllten Raum nicht aus der Waals’-
schen Formel berechnen, die ihn übrigens auch nur der Grössen-
ordnung nach liefert, da sie die Moleküle als fast undeformir-
bare Kugeln betrachtet und noch verschiedene andere Verein-
fachungen annimmt, welche das Resultat beeinflussen können.
Es bleibt uns ausschliesslich die Loschmidt’sche Schätzungs-
methode. Wir wollen die Dichte der flüssigen Untersalpeter-
säure gleich 1·5, die des festen Jodes gleich 5 setzen, was
Temperaturen entspricht, die etwas unter der des schmelzen-
den Eises liegen. Bei diesen Temperaturen ist der Dampf-
druck beider Substanzen nur mehr gering; für Jod freilich
noch viel geringer als für Untersalpetersäure; doch kommt
dies hier, wo wir nur Grössenordnungen roh schätzen, nicht
in Betracht. Wir nehmen daher ganz willkürlich an, dass in
diesen beiden Substanzen zwei Drittel des Gesammtraumes
von den Molekülen erfüllt ist. Dann wäre der von den
Molekülen eines Grammes Untersalpetersäure erfüllte Raum
0·44 cm3 / gr; die Summe der Volumina der Deckungssphären
dieser Moleküle ist achtmal so gross, also 3·55 cm3 / gr. Die-
selben Grössen wären dann für Jod 0·133 cm3 / gr und

13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0213" n="195"/><fw place="top" type="header">[Gleich. 215] § 66. Numerische Rechnungen.</fw><lb/>
Dieser Werth ist dreimal so klein, als der von mir in den<lb/>
Wien. Ber. l. c. gefundene, was daher rührt, dass ich daselbst<lb/>
die schon dort als unwahrscheinlich bezeichnete Voraussetzung<lb/>
machte, dass sich die vier Sauerstoffatome bei der Vereinigung<lb/>
und Wiedertrennung zweier NO<hi rendition="#sub">2</hi>-Gruppen beliebig austauschen,<lb/>
wogegen ich hier jede solche Gruppe als sich nicht zerlegend,<lb/>
ganz die Rolle eines Atomes spielend betrachtete.</p><lb/>
          <p>Für Joddampf fand ich (l. c.)<lb/>
215) <hi rendition="#et"><formula/>.</hi><lb/>
Die betreffenden Versuche wurden ebenfalls unter Atmosphären-<lb/>
druck (im Mittel 728 mm Quecksilber) angestellt. Ferner ist<lb/>
das Molekulargewicht 2<hi rendition="#i">&#x03BC;</hi><hi rendition="#sub">1</hi> von <hi rendition="#i">J</hi><hi rendition="#sub">2</hi> gleich 253·6. Die Substitution<lb/>
dieser Werthe liefert beiläufig<lb/><hi rendition="#c"><formula/>.</hi></p><lb/>
          <p>Weder für Untersalpetersäure, noch für Joddampf ist der<lb/>
Werth der <hi rendition="#g">Waals</hi>&#x2019;schen Constanten <hi rendition="#i">b</hi> bekannt, man kann daher<lb/>
den von den Molekülen ausgefüllten Raum nicht aus der <hi rendition="#g">Waals</hi>&#x2019;-<lb/>
schen Formel berechnen, die ihn übrigens auch nur der Grössen-<lb/>
ordnung nach liefert, da sie die Moleküle als fast undeformir-<lb/>
bare Kugeln betrachtet und noch verschiedene andere Verein-<lb/>
fachungen annimmt, welche das Resultat beeinflussen können.<lb/>
Es bleibt uns ausschliesslich die <hi rendition="#g">Loschmidt</hi>&#x2019;sche Schätzungs-<lb/>
methode. Wir wollen die Dichte der flüssigen Untersalpeter-<lb/>
säure gleich 1·5, die des festen Jodes gleich 5 setzen, was<lb/>
Temperaturen entspricht, die etwas unter der des schmelzen-<lb/>
den Eises liegen. Bei diesen Temperaturen ist der Dampf-<lb/>
druck beider Substanzen nur mehr gering; für Jod freilich<lb/>
noch viel geringer als für Untersalpetersäure; doch kommt<lb/>
dies hier, wo wir nur Grössenordnungen roh schätzen, nicht<lb/>
in Betracht. Wir nehmen daher ganz willkürlich an, dass in<lb/>
diesen beiden Substanzen zwei Drittel des Gesammtraumes<lb/>
von den Molekülen erfüllt ist. Dann wäre der von den<lb/>
Molekülen eines Grammes Untersalpetersäure erfüllte Raum<lb/>
0·44 cm<hi rendition="#sup">3</hi> / gr; die Summe der Volumina der Deckungssphären<lb/>
dieser Moleküle ist achtmal so gross, also 3·55 cm<hi rendition="#sup">3</hi> / gr. Die-<lb/>
selben Grössen wären dann für Jod 0·133 cm<hi rendition="#sup">3</hi> / gr und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0213] [Gleich. 215] § 66. Numerische Rechnungen. Dieser Werth ist dreimal so klein, als der von mir in den Wien. Ber. l. c. gefundene, was daher rührt, dass ich daselbst die schon dort als unwahrscheinlich bezeichnete Voraussetzung machte, dass sich die vier Sauerstoffatome bei der Vereinigung und Wiedertrennung zweier NO2-Gruppen beliebig austauschen, wogegen ich hier jede solche Gruppe als sich nicht zerlegend, ganz die Rolle eines Atomes spielend betrachtete. Für Joddampf fand ich (l. c.) 215) [FORMEL]. Die betreffenden Versuche wurden ebenfalls unter Atmosphären- druck (im Mittel 728 mm Quecksilber) angestellt. Ferner ist das Molekulargewicht 2μ1 von J2 gleich 253·6. Die Substitution dieser Werthe liefert beiläufig [FORMEL]. Weder für Untersalpetersäure, noch für Joddampf ist der Werth der Waals’schen Constanten b bekannt, man kann daher den von den Molekülen ausgefüllten Raum nicht aus der Waals’- schen Formel berechnen, die ihn übrigens auch nur der Grössen- ordnung nach liefert, da sie die Moleküle als fast undeformir- bare Kugeln betrachtet und noch verschiedene andere Verein- fachungen annimmt, welche das Resultat beeinflussen können. Es bleibt uns ausschliesslich die Loschmidt’sche Schätzungs- methode. Wir wollen die Dichte der flüssigen Untersalpeter- säure gleich 1·5, die des festen Jodes gleich 5 setzen, was Temperaturen entspricht, die etwas unter der des schmelzen- den Eises liegen. Bei diesen Temperaturen ist der Dampf- druck beider Substanzen nur mehr gering; für Jod freilich noch viel geringer als für Untersalpetersäure; doch kommt dies hier, wo wir nur Grössenordnungen roh schätzen, nicht in Betracht. Wir nehmen daher ganz willkürlich an, dass in diesen beiden Substanzen zwei Drittel des Gesammtraumes von den Molekülen erfüllt ist. Dann wäre der von den Molekülen eines Grammes Untersalpetersäure erfüllte Raum 0·44 cm3 / gr; die Summe der Volumina der Deckungssphären dieser Moleküle ist achtmal so gross, also 3·55 cm3 / gr. Die- selben Grössen wären dann für Jod 0·133 cm3 / gr und 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/213
Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/213>, abgerufen am 21.11.2024.