Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

[Gleich. 292] § 92. Ableitung des Wärmegleichgewichtes.
entwickelt wurde. Wir denken uns ein Gemisch beliebig vieler
beliebig beschaffener idealer Gase von unbeweglichen, starren,
indifferenten Wänden umschlossen, welches wir unser mecha-
nisches System nennen wollen. Die Lage sämmtlicher Theile
eines Moleküles einer Gasart, welche wir die erste nennen, sei
durch m Coordinaten p1, p2 ... pm, die eines Moleküles einer
anderen (der zweiten) Gattung durch n Coordinaten pm + 1,
pm + 2 ... pm + n bestimmt. Die dazu gehörigen Momente seien
q1, q2 ... qm + n.

Wir setzen voraus, dass mit Ausnahme weniger singulärer
Zustände alle Anfangszustände allmählich zu wahrscheinlichen
Zuständen führen, in denen dann das System stets während
einer Zeit verbleibt, die enorm lang ist, gegenüber den Zeiten,
während welcher es unwahrscheinliche Zustände hat. Für alle
wahrscheinlichen Zustände sollen die Mittelwerthe der ver-
schiedenen Grössen in jedem selbst kleinen Bezirke gleich sein,
obwohl sonst bei denselben die einzelnen Moleküle noch in
der verschiedensten Weise vertheilt sein und die verschieden-
sten Zustände haben können.

Wir verstehen jetzt unter
290 a) f1 (p1, p2 ... qm) d p1 d p2 ... d qm
die Wahrscheinlichkeit, dass für ein Molekül erster Gattung
die Variabeln
291) p1, p2 ... qm
zwischen den Grenzen
292) p1 und p1 + d p1, p2 und p2 + d p2 ... qm und qm + d qm
liegen und definiren diese folgendermaassen: Wir betrachten
unser System während einer langen Zeit T, während welcher
es sich fortwährend in wahrscheinlichen Zuständen befindet.
Das Verhältniss der Summe aller Zeitstrecken, während welcher
die Variabeln 291) für irgend eines der Moleküle erster
Gattung zwischen den Grenzen 292) liegen, zur ganzen mit der
Anzahl der Moleküle erster Gattung multiplicirten Zeit T ist
dann die Definition der Wahrscheinlichkeit, dass die Variabeln
291) für ein Molekül erster Gattung zwischen den Grenzen 292)
liegen.

Es können dabei in der Zeit T auch solche Zeiten ein-

[Gleich. 292] § 92. Ableitung des Wärmegleichgewichtes.
entwickelt wurde. Wir denken uns ein Gemisch beliebig vieler
beliebig beschaffener idealer Gase von unbeweglichen, starren,
indifferenten Wänden umschlossen, welches wir unser mecha-
nisches System nennen wollen. Die Lage sämmtlicher Theile
eines Moleküles einer Gasart, welche wir die erste nennen, sei
durch μ Coordinaten p1, p2pμ, die eines Moleküles einer
anderen (der zweiten) Gattung durch ν Coordinaten pμ + 1,
pμ + 2pμ + ν bestimmt. Die dazu gehörigen Momente seien
q1, q2qμ + ν.

Wir setzen voraus, dass mit Ausnahme weniger singulärer
Zustände alle Anfangszustände allmählich zu wahrscheinlichen
Zuständen führen, in denen dann das System stets während
einer Zeit verbleibt, die enorm lang ist, gegenüber den Zeiten,
während welcher es unwahrscheinliche Zustände hat. Für alle
wahrscheinlichen Zustände sollen die Mittelwerthe der ver-
schiedenen Grössen in jedem selbst kleinen Bezirke gleich sein,
obwohl sonst bei denselben die einzelnen Moleküle noch in
der verschiedensten Weise vertheilt sein und die verschieden-
sten Zustände haben können.

Wir verstehen jetzt unter
290 a) f1 (p1, p2qμ) d p1 d p2d qμ
die Wahrscheinlichkeit, dass für ein Molekül erster Gattung
die Variabeln
291) p1, p2qμ
zwischen den Grenzen
292) p1 und p1 + d p1, p2 und p2 + d p2qμ und qμ + d qμ
liegen und definiren diese folgendermaassen: Wir betrachten
unser System während einer langen Zeit T, während welcher
es sich fortwährend in wahrscheinlichen Zuständen befindet.
Das Verhältniss der Summe aller Zeitstrecken, während welcher
die Variabeln 291) für irgend eines der Moleküle erster
Gattung zwischen den Grenzen 292) liegen, zur ganzen mit der
Anzahl der Moleküle erster Gattung multiplicirten Zeit T ist
dann die Definition der Wahrscheinlichkeit, dass die Variabeln
291) für ein Molekül erster Gattung zwischen den Grenzen 292)
liegen.

Es können dabei in der Zeit T auch solche Zeiten ein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0279" n="261"/><fw place="top" type="header">[Gleich. 292] § 92. Ableitung des Wärmegleichgewichtes.</fw><lb/>
entwickelt wurde. Wir denken uns ein Gemisch beliebig vieler<lb/>
beliebig beschaffener idealer Gase von unbeweglichen, starren,<lb/>
indifferenten Wänden umschlossen, welches wir unser mecha-<lb/>
nisches System nennen wollen. Die Lage sämmtlicher Theile<lb/>
eines Moleküles einer Gasart, welche wir die erste nennen, sei<lb/>
durch <hi rendition="#i">&#x03BC;</hi> Coordinaten <hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, <hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub">2</hi> &#x2026; <hi rendition="#i">p<hi rendition="#sub">&#x03BC;</hi></hi>, die eines Moleküles einer<lb/>
anderen (der zweiten) Gattung durch <hi rendition="#i">&#x03BD;</hi> Coordinaten <hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub"><hi rendition="#i">&#x03BC;</hi> + 1</hi>,<lb/><hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub"><hi rendition="#i">&#x03BC;</hi> + 2</hi> &#x2026; <hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub"><hi rendition="#i">&#x03BC;</hi> + <hi rendition="#i">&#x03BD;</hi></hi> bestimmt. Die dazu gehörigen Momente seien<lb/><hi rendition="#i">q</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, <hi rendition="#i">q</hi><hi rendition="#sub">2</hi> &#x2026; <hi rendition="#i">q</hi><hi rendition="#sub"><hi rendition="#i">&#x03BC;</hi> + <hi rendition="#i">&#x03BD;</hi></hi>.</p><lb/>
          <p>Wir setzen voraus, dass mit Ausnahme weniger singulärer<lb/>
Zustände alle Anfangszustände allmählich zu wahrscheinlichen<lb/>
Zuständen führen, in denen dann das System stets während<lb/>
einer Zeit verbleibt, die enorm lang ist, gegenüber den Zeiten,<lb/>
während welcher es unwahrscheinliche Zustände hat. Für alle<lb/>
wahrscheinlichen Zustände sollen die Mittelwerthe der ver-<lb/>
schiedenen Grössen in jedem selbst kleinen Bezirke gleich sein,<lb/>
obwohl sonst bei denselben die einzelnen Moleküle noch in<lb/>
der verschiedensten Weise vertheilt sein und die verschieden-<lb/>
sten Zustände haben können.</p><lb/>
          <p>Wir verstehen jetzt unter<lb/>
290 a) <hi rendition="#et"><hi rendition="#i">f</hi><hi rendition="#sub">1</hi> (<hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, <hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub">2</hi> &#x2026; <hi rendition="#i">q<hi rendition="#sub">&#x03BC;</hi></hi>) <hi rendition="#i">d p</hi><hi rendition="#sub">1</hi> <hi rendition="#i">d p</hi><hi rendition="#sub">2</hi> &#x2026; <hi rendition="#i">d q<hi rendition="#sub">&#x03BC;</hi></hi></hi><lb/>
die Wahrscheinlichkeit, dass für ein Molekül erster Gattung<lb/>
die Variabeln<lb/>
291) <hi rendition="#et"><hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, <hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub">2</hi> &#x2026; <hi rendition="#i">q<hi rendition="#sub">&#x03BC;</hi></hi></hi><lb/>
zwischen den Grenzen<lb/>
292) <hi rendition="#et"><hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub">1</hi> und <hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub">1</hi> + <hi rendition="#i">d p</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, <hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub">2</hi> und <hi rendition="#i">p</hi><hi rendition="#sub">2</hi> + <hi rendition="#i">d p</hi><hi rendition="#sub">2</hi> &#x2026; <hi rendition="#i">q<hi rendition="#sub">&#x03BC;</hi></hi> und <hi rendition="#i">q<hi rendition="#sub">&#x03BC;</hi></hi> + <hi rendition="#i">d q<hi rendition="#sub">&#x03BC;</hi></hi></hi><lb/>
liegen und definiren diese folgendermaassen: Wir betrachten<lb/>
unser System während einer langen Zeit <hi rendition="#i">T</hi>, während welcher<lb/>
es sich fortwährend in wahrscheinlichen Zuständen befindet.<lb/>
Das Verhältniss der Summe aller Zeitstrecken, während welcher<lb/>
die Variabeln 291) für irgend eines der Moleküle erster<lb/>
Gattung zwischen den Grenzen 292) liegen, zur ganzen mit der<lb/>
Anzahl der Moleküle erster Gattung multiplicirten Zeit <hi rendition="#i">T</hi> ist<lb/>
dann die Definition der Wahrscheinlichkeit, dass die Variabeln<lb/>
291) für ein Molekül erster Gattung zwischen den Grenzen 292)<lb/>
liegen.</p><lb/>
          <p>Es können dabei in der Zeit <hi rendition="#i">T</hi> auch solche Zeiten ein-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0279] [Gleich. 292] § 92. Ableitung des Wärmegleichgewichtes. entwickelt wurde. Wir denken uns ein Gemisch beliebig vieler beliebig beschaffener idealer Gase von unbeweglichen, starren, indifferenten Wänden umschlossen, welches wir unser mecha- nisches System nennen wollen. Die Lage sämmtlicher Theile eines Moleküles einer Gasart, welche wir die erste nennen, sei durch μ Coordinaten p1, p2 … pμ, die eines Moleküles einer anderen (der zweiten) Gattung durch ν Coordinaten pμ + 1, pμ + 2 … pμ + ν bestimmt. Die dazu gehörigen Momente seien q1, q2 … qμ + ν. Wir setzen voraus, dass mit Ausnahme weniger singulärer Zustände alle Anfangszustände allmählich zu wahrscheinlichen Zuständen führen, in denen dann das System stets während einer Zeit verbleibt, die enorm lang ist, gegenüber den Zeiten, während welcher es unwahrscheinliche Zustände hat. Für alle wahrscheinlichen Zustände sollen die Mittelwerthe der ver- schiedenen Grössen in jedem selbst kleinen Bezirke gleich sein, obwohl sonst bei denselben die einzelnen Moleküle noch in der verschiedensten Weise vertheilt sein und die verschieden- sten Zustände haben können. Wir verstehen jetzt unter 290 a) f1 (p1, p2 … qμ) d p1 d p2 … d qμ die Wahrscheinlichkeit, dass für ein Molekül erster Gattung die Variabeln 291) p1, p2 … qμ zwischen den Grenzen 292) p1 und p1 + d p1, p2 und p2 + d p2 … qμ und qμ + d qμ liegen und definiren diese folgendermaassen: Wir betrachten unser System während einer langen Zeit T, während welcher es sich fortwährend in wahrscheinlichen Zuständen befindet. Das Verhältniss der Summe aller Zeitstrecken, während welcher die Variabeln 291) für irgend eines der Moleküle erster Gattung zwischen den Grenzen 292) liegen, zur ganzen mit der Anzahl der Moleküle erster Gattung multiplicirten Zeit T ist dann die Definition der Wahrscheinlichkeit, dass die Variabeln 291) für ein Molekül erster Gattung zwischen den Grenzen 292) liegen. Es können dabei in der Zeit T auch solche Zeiten ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/279
Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/279>, abgerufen am 25.11.2024.