Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_017.001 pbo_017.012 § 11. Klassisch und Romantisch. pbo_017.013 pbo_017.001 pbo_017.012 § 11. Klassisch und Romantisch. pbo_017.013 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0021" n="17"/><lb n="pbo_017.001"/> reden zu wollen, ist so abgeschmackt wie verkehrt. Denn so <lb n="pbo_017.002"/> vielfache Abweichungen vom Stil der Alten sich die Kunst <lb n="pbo_017.003"/> der Neueren — theoretisch gewöhnlich im Sinne einer zeitweiligen <lb n="pbo_017.004"/> künstlerischen Mode (<hi rendition="#g">Manier</hi>) — gestattet hat und, <lb n="pbo_017.005"/> was den individuellen künstlerischen Stil anlangt, unbedenklich <lb n="pbo_017.006"/> gestatten darf, so wenig darf man darin ein Prinzip suchen. <lb n="pbo_017.007"/> Denn dieses ist unweigerlich in der idealen Formung gegeben, <lb n="pbo_017.008"/> wie nur die Antike sie am strengsten und reinsten, allerdings <lb n="pbo_017.009"/> auch am einfachsten und kargsten, zum Ausdruck bringen konnte. <lb n="pbo_017.010"/> Ein absoluter Gegensatz dazu wäre kein Prinzip, sondern eben <lb n="pbo_017.011"/> nur die Prinziplosigkeit schlechthin.</p> </div> <div n="4"> <lb n="pbo_017.012"/> <head> <hi rendition="#c">§ 11. Klassisch und Romantisch.</hi> </head> <p><lb n="pbo_017.013"/> Den Unterschied des kirchlich organisierten Christentums <lb n="pbo_017.014"/> gegen das antike Heidentum hob vorwiegend jene moderne <lb n="pbo_017.015"/> Richtung hervor, die sich als <hi rendition="#g">romantische</hi> gegenüber der <lb n="pbo_017.016"/> <hi rendition="#g">klassischen</hi> aufthat. Die Romantik (im Anfang dieses Jahrhunderts <lb n="pbo_017.017"/> von Deutschland ausgehend) gab vielleicht am sinnfälligsten <lb n="pbo_017.018"/> dem von Schiller als <hi rendition="#g">sentimentalisch</hi> geschilderten <lb n="pbo_017.019"/> Dichtungscharakter Ausdruck. Sie strebte eine <lb n="pbo_017.020"/> Empfindungskunst schlechthin an. Sie erhob die von den <lb n="pbo_017.021"/> Klassizisten seit der Wiedererweckung des Altertums im 15. <lb n="pbo_017.022"/> Jahrhundert als barbarisch verschrieenen Zeiten des katholischen <lb n="pbo_017.023"/> Mittelalters zum Vorbild. Sie hat alle Künste der Poesie <lb n="pbo_017.024"/> dienstbar gemacht, aber auf Kosten aller und der Poesie nur <lb n="pbo_017.025"/> die eigentliche Empfindungskunst, die Musik, gefördert. Das <lb n="pbo_017.026"/> Fragmentarische, Andeutende, Symbolische, das Versinken im <lb n="pbo_017.027"/> Unendlichen des Gefühls, die Abwendung von der Welt selbst <lb n="pbo_017.028"/> in krankhafter Zerrissenheit (Weltschmerz) hat sie zum Kunstcharakter <lb n="pbo_017.029"/> der neuesten Zeit erhoben. Schließlich hat sich die <lb n="pbo_017.030"/> Empfindung in dieser Richtung verflüchtigt, und allein die </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0021]
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reden zu wollen, ist so abgeschmackt wie verkehrt. Denn so pbo_017.002
vielfache Abweichungen vom Stil der Alten sich die Kunst pbo_017.003
der Neueren — theoretisch gewöhnlich im Sinne einer zeitweiligen pbo_017.004
künstlerischen Mode (Manier) — gestattet hat und, pbo_017.005
was den individuellen künstlerischen Stil anlangt, unbedenklich pbo_017.006
gestatten darf, so wenig darf man darin ein Prinzip suchen. pbo_017.007
Denn dieses ist unweigerlich in der idealen Formung gegeben, pbo_017.008
wie nur die Antike sie am strengsten und reinsten, allerdings pbo_017.009
auch am einfachsten und kargsten, zum Ausdruck bringen konnte. pbo_017.010
Ein absoluter Gegensatz dazu wäre kein Prinzip, sondern eben pbo_017.011
nur die Prinziplosigkeit schlechthin.
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§ 11. Klassisch und Romantisch. pbo_017.013
Den Unterschied des kirchlich organisierten Christentums pbo_017.014
gegen das antike Heidentum hob vorwiegend jene moderne pbo_017.015
Richtung hervor, die sich als romantische gegenüber der pbo_017.016
klassischen aufthat. Die Romantik (im Anfang dieses Jahrhunderts pbo_017.017
von Deutschland ausgehend) gab vielleicht am sinnfälligsten pbo_017.018
dem von Schiller als sentimentalisch geschilderten pbo_017.019
Dichtungscharakter Ausdruck. Sie strebte eine pbo_017.020
Empfindungskunst schlechthin an. Sie erhob die von den pbo_017.021
Klassizisten seit der Wiedererweckung des Altertums im 15. pbo_017.022
Jahrhundert als barbarisch verschrieenen Zeiten des katholischen pbo_017.023
Mittelalters zum Vorbild. Sie hat alle Künste der Poesie pbo_017.024
dienstbar gemacht, aber auf Kosten aller und der Poesie nur pbo_017.025
die eigentliche Empfindungskunst, die Musik, gefördert. Das pbo_017.026
Fragmentarische, Andeutende, Symbolische, das Versinken im pbo_017.027
Unendlichen des Gefühls, die Abwendung von der Welt selbst pbo_017.028
in krankhafter Zerrissenheit (Weltschmerz) hat sie zum Kunstcharakter pbo_017.029
der neuesten Zeit erhoben. Schließlich hat sich die pbo_017.030
Empfindung in dieser Richtung verflüchtigt, und allein die
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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