Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_030.001 pbo_030.009 Kapitel 2. Mythologie. pbo_030.015§ 22. Poetische Grundbedeutung der Mythologien. pbo_030.016 pbo_030.001 pbo_030.009 Kapitel 2. Mythologie. pbo_030.015§ 22. Poetische Grundbedeutung der Mythologien. pbo_030.016 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0034" n="30"/><lb n="pbo_030.001"/> diese rein erfindende Stufe der Sprache völlig abgeschlossen, <lb n="pbo_030.002"/> ihr freies Blühen abgewelkt ist, tritt der Zustand der Emanzipation <lb n="pbo_030.003"/> der Sprache von der Poesie, die bloße Verkehrsprosa, <lb n="pbo_030.004"/> ein. Doch selbst diese muß sich eine Kontrolle durch die <lb n="pbo_030.005"/> künstlerische Sprache (der Bildung) gefallen lassen, weil sie <lb n="pbo_030.006"/> sonst in ihrem Bezeichnungswerthe rasch sinken und für ihre <lb n="pbo_030.007"/> eigenen Zwecke unbrauchbar werden würde. An der Dichtung <lb n="pbo_030.008"/> verjüngt und richtet sich die Sprache zu allen Zeiten auf.</p> <p><lb n="pbo_030.009"/> Die Merkmale dieses inneren Verhältnisses zwischen <lb n="pbo_030.010"/> Dichtung und Sprache liefern zwei in ihrer Eigenart verwandte, <lb n="pbo_030.011"/> wenngleich in ihren Beziehungen unter ganz verschiedene <lb n="pbo_030.012"/> Kategorien fallende Erscheinungen: die <hi rendition="#g">Mythologie</hi> <lb n="pbo_030.013"/> und die rednerischen <hi rendition="#g">Tropen</hi> und <hi rendition="#g">Figuren.</hi></p> <lb n="pbo_030.014"/> </div> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c">Kapitel 2. Mythologie.</hi> </head> <lb n="pbo_030.015"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 22. Poetische Grundbedeutung der Mythologien.</hi> </head> <p><lb n="pbo_030.016"/> Beides, das völkerbeherrschende <hi rendition="#g">Reich der Götter</hi> <lb n="pbo_030.017"/> und der die Meinung lenkende <hi rendition="#g">Schmuck der Rede,</hi> beides <lb n="pbo_030.018"/> ist Erzeugnis der in der Sprache unmittelbar zur Einwirkung <lb n="pbo_030.019"/> auf die Menschen gelangenden Dichtung. Die <hi rendition="#g">Mythologien</hi> <lb n="pbo_030.020"/> stellen sich bei den verschiedenen Völkern als abgeschlossene, gegebene <lb n="pbo_030.021"/> Glaubenswelten dar, von den sie vertretenden hierarchischen <lb n="pbo_030.022"/> Verbindungen, den Priestern, ceremoniös auf das <lb n="pbo_030.023"/> Peinlichste vertreten, eine die andere ausschließend und mit <lb n="pbo_030.024"/> Feuer und Schwert verfolgend. Vom Standpunkt der Poetik <lb n="pbo_030.025"/> sind sie alle gleichermaßen dogmatische Festsetzungen poetischer <lb n="pbo_030.026"/> Niederschläge allgemeiner überweltlicher (transcendenter) Anschauungsformen. <lb n="pbo_030.027"/> Jn allen lassen sich die gleichen Bezüge <lb n="pbo_030.028"/> mehr oder weniger klar, mehr oder minder vernunftgemäß <lb n="pbo_030.029"/> nachweisen. Bei vielen Völkern (den indogermanischen) stehen </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0034]
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diese rein erfindende Stufe der Sprache völlig abgeschlossen, pbo_030.002
ihr freies Blühen abgewelkt ist, tritt der Zustand der Emanzipation pbo_030.003
der Sprache von der Poesie, die bloße Verkehrsprosa, pbo_030.004
ein. Doch selbst diese muß sich eine Kontrolle durch die pbo_030.005
künstlerische Sprache (der Bildung) gefallen lassen, weil sie pbo_030.006
sonst in ihrem Bezeichnungswerthe rasch sinken und für ihre pbo_030.007
eigenen Zwecke unbrauchbar werden würde. An der Dichtung pbo_030.008
verjüngt und richtet sich die Sprache zu allen Zeiten auf.
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Die Merkmale dieses inneren Verhältnisses zwischen pbo_030.010
Dichtung und Sprache liefern zwei in ihrer Eigenart verwandte, pbo_030.011
wenngleich in ihren Beziehungen unter ganz verschiedene pbo_030.012
Kategorien fallende Erscheinungen: die Mythologie pbo_030.013
und die rednerischen Tropen und Figuren.
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Kapitel 2. Mythologie. pbo_030.015
§ 22. Poetische Grundbedeutung der Mythologien. pbo_030.016
Beides, das völkerbeherrschende Reich der Götter pbo_030.017
und der die Meinung lenkende Schmuck der Rede, beides pbo_030.018
ist Erzeugnis der in der Sprache unmittelbar zur Einwirkung pbo_030.019
auf die Menschen gelangenden Dichtung. Die Mythologien pbo_030.020
stellen sich bei den verschiedenen Völkern als abgeschlossene, gegebene pbo_030.021
Glaubenswelten dar, von den sie vertretenden hierarchischen pbo_030.022
Verbindungen, den Priestern, ceremoniös auf das pbo_030.023
Peinlichste vertreten, eine die andere ausschließend und mit pbo_030.024
Feuer und Schwert verfolgend. Vom Standpunkt der Poetik pbo_030.025
sind sie alle gleichermaßen dogmatische Festsetzungen poetischer pbo_030.026
Niederschläge allgemeiner überweltlicher (transcendenter) Anschauungsformen. pbo_030.027
Jn allen lassen sich die gleichen Bezüge pbo_030.028
mehr oder weniger klar, mehr oder minder vernunftgemäß pbo_030.029
nachweisen. Bei vielen Völkern (den indogermanischen) stehen
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