Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_080.001 Schwerfälligen Wahn, der platt wie er ist | den begeisterten pbo_080.002 Schwärmer sogar noch pbo_080.003 Will spielen, wie einst in die Saiten Apolls | des Silens Maulesel pbo_080.004 hineingriff: pbo_080.005 Wenn streng der Poet ihn strafte, verdient | er den Dank und pbo_080.006 die Liebe der Mitwelt. pbo_080.007 § 54. Freie Versformen. pbo_080.010 *) pbo_080.028 Vergl. Sammlung Göschen Nr. 23. Walter von der Vogelweide. pbo_080.029 Vgl. den Wechsel der Verszeilen dort z. B. in No. 13, 35. **) pbo_080.030
Vergl. Sammlung Göschen Nr. 25. Kirchenlied und Volkslied. pbo_080.031 S. 20 f. pbo_080.001 Schwerfälligen Wahn, der platt wie er ist | den begeisterten pbo_080.002 Schwärmer sogar noch pbo_080.003 Will spielen, wie einst in die Saiten Apolls | des Silens Maulesel pbo_080.004 hineingriff: pbo_080.005 Wenn streng der Poet ihn strafte, verdient | er den Dank und pbo_080.006 die Liebe der Mitwelt. pbo_080.007 § 54. Freie Versformen. pbo_080.010 *) pbo_080.028 Vergl. Sammlung Göschen Nr. 23. Walter von der Vogelweide. pbo_080.029 Vgl. den Wechsel der Verszeilen dort z. B. in No. 13, 35. **) pbo_080.030
Vergl. Sammlung Göschen Nr. 25. Kirchenlied und Volkslied. pbo_080.031 S. 20 f. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0084" n="80"/> <lb n="pbo_080.001"/> <lg> <l>Schwerfälligen Wahn, der platt wie er ist | den begeisterten <lb n="pbo_080.002"/> Schwärmer sogar noch</l> <lb n="pbo_080.003"/> <l>Will spielen, wie einst in die Saiten Apolls | des Silens Maulesel <lb n="pbo_080.004"/> hineingriff:</l> <lb n="pbo_080.005"/> <l>Wenn streng der Poet ihn strafte, verdient | er den Dank und <lb n="pbo_080.006"/> die Liebe der Mitwelt.</l> </lg> <p><lb n="pbo_080.007"/> Doch wird niemand diese ungeschlachte Verszusammenfügung <lb n="pbo_080.008"/> im Ernst für ein metrisches Muster nehmen.</p> <lb n="pbo_080.009"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 54. Freie Versformen.</hi> </head> <p><lb n="pbo_080.010"/> Wir haben nur historisch bekannte und auffallende Verstypen <lb n="pbo_080.011"/> geben wollen. Dem Formensinn ist für das Schwingungsmoment, <lb n="pbo_080.012"/> das er jeweilig in der Versreihe verkörpern will, <lb n="pbo_080.013"/> nichts verboten und alles erlaubt. Er kann vom Eintakter, <lb n="pbo_080.014"/> ja von bloßen Taktfragmenten in der Reihe bis zu der größten <lb n="pbo_080.015"/> Ausdehnung gehen, welche die Versreihe in Hinsicht auf Atem <lb n="pbo_080.016"/> und Uebersicht verträgt. Meistersingerische Aufzählung solcher <lb n="pbo_080.017"/> „Töne“ steht der Poetik übel, wie den Dichtern ihre gezierte <lb n="pbo_080.018"/> und gesuchte Anwendung. Muster reichen und dabei stets <lb n="pbo_080.019"/> treffenden, ungesuchten Formenspiels ist selbst in der Zeit des <lb n="pbo_080.020"/> damit bloß prunkenden Minnesangs <hi rendition="#g">Walther von der <lb n="pbo_080.021"/> Vogelweide</hi><note corresp="PBO_080_*" place="foot" n="*)"><lb n="pbo_080.028"/> Vergl. <hi rendition="#g">Sammlung Göschen</hi> Nr. 23. Walter von der Vogelweide. <lb n="pbo_080.029"/> Vgl. den Wechsel der Verszeilen dort z. B. in No. 13, 35.</note>, unter den äußerlichen Versvirtuosen des <lb n="pbo_080.022"/> 17. Jahrhunderts <hi rendition="#g">Paul Fleming</hi><note corresp="PBO_080_**" place="foot" n="**)"><lb n="pbo_080.030"/> Vergl. <hi rendition="#g">Sammlung Göschen</hi> Nr. 25. Kirchenlied und Volkslied. <lb n="pbo_080.031"/> S. 20 f.</note>, in unserer Zeit, <lb n="pbo_080.023"/> nachdem die Romantik das romanische Versklangspiel wieder <lb n="pbo_080.024"/> angeregt hat, besser, als der oft überkünstliche Formschwelger <lb n="pbo_080.025"/> <hi rendition="#g">Rückert, Eduard Mörike</hi> mit seiner Kunst, die freie <lb n="pbo_080.026"/> Gleichform des Volkslieds gleichsam in rhythmischen Momentbildern <lb n="pbo_080.027"/> auseinanderzulegen. So in dem bekannten Liede des </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0084]
pbo_080.001
Schwerfälligen Wahn, der platt wie er ist | den begeisterten pbo_080.002
Schwärmer sogar noch pbo_080.003
Will spielen, wie einst in die Saiten Apolls | des Silens Maulesel pbo_080.004
hineingriff: pbo_080.005
Wenn streng der Poet ihn strafte, verdient | er den Dank und pbo_080.006
die Liebe der Mitwelt.
pbo_080.007
Doch wird niemand diese ungeschlachte Verszusammenfügung pbo_080.008
im Ernst für ein metrisches Muster nehmen.
pbo_080.009
§ 54. Freie Versformen. pbo_080.010
Wir haben nur historisch bekannte und auffallende Verstypen pbo_080.011
geben wollen. Dem Formensinn ist für das Schwingungsmoment, pbo_080.012
das er jeweilig in der Versreihe verkörpern will, pbo_080.013
nichts verboten und alles erlaubt. Er kann vom Eintakter, pbo_080.014
ja von bloßen Taktfragmenten in der Reihe bis zu der größten pbo_080.015
Ausdehnung gehen, welche die Versreihe in Hinsicht auf Atem pbo_080.016
und Uebersicht verträgt. Meistersingerische Aufzählung solcher pbo_080.017
„Töne“ steht der Poetik übel, wie den Dichtern ihre gezierte pbo_080.018
und gesuchte Anwendung. Muster reichen und dabei stets pbo_080.019
treffenden, ungesuchten Formenspiels ist selbst in der Zeit des pbo_080.020
damit bloß prunkenden Minnesangs Walther von der pbo_080.021
Vogelweide *), unter den äußerlichen Versvirtuosen des pbo_080.022
17. Jahrhunderts Paul Fleming **), in unserer Zeit, pbo_080.023
nachdem die Romantik das romanische Versklangspiel wieder pbo_080.024
angeregt hat, besser, als der oft überkünstliche Formschwelger pbo_080.025
Rückert, Eduard Mörike mit seiner Kunst, die freie pbo_080.026
Gleichform des Volkslieds gleichsam in rhythmischen Momentbildern pbo_080.027
auseinanderzulegen. So in dem bekannten Liede des
*) pbo_080.028
Vergl. Sammlung Göschen Nr. 23. Walter von der Vogelweide. pbo_080.029
Vgl. den Wechsel der Verszeilen dort z. B. in No. 13, 35.
**) pbo_080.030
Vergl. Sammlung Göschen Nr. 25. Kirchenlied und Volkslied. pbo_080.031
S. 20 f.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: manuell (doppelt erfasst). Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja; Hervorhebungen durch Wechsel von Fraktur zu Antiqua: nicht gekennzeichnet
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |