Bosman, Willem: Reyse nach Gvinea. Hamburg, 1708.des Landes Gvinea. daß hier die rechte verkehrte Welt ist/ indem dieMenschen mit Wolle/ die Thiere hingegen mit Haa- ren bedecket seynd; in Ansehung daß der Mohren ihr Fell einer Wolle als Haaren ähnlicher siehet. Das Hammelfleisch selbst hat auch nicht die geringste Ver- wandschafft mit dem Europäischen/ sondern ist unge- mein dürre und trucken; dannenhero diejenigen so et- was zärtlich/ sehr selten davon geniessen/ gemeine Leute aber grober Speisen gewohnet/ können dasselbige nicht bezahlen/ weil ohngeachtet des schlechten Fleisches man nichts destoweniger ein 6. 7. bis 8. Rthlr. vor einen Hammel geben muß. Jedoch könnte noch wol der- jenige welcher Lust hätte Hammelfleisch zu essen ein gutes Stück bekommen/ wenn er sie zu rechter Zeit da sie noch jung sind schneiden liesse/ und selbige mit ge- dörreten Maltz feist machete oder futterte/ denn so würde er noch mit Lust ein Stück essen können/ wiewol in keiner Vergleichung mit denen Europäischen Schöpsen. Sonsten finden sich sehr viel Ziegen gleich denen in Jch kan hie eine wunderbahre und lächerliche Mey- ren/ S 4
des Landes Gvinea. daß hier die rechte verkehrte Welt iſt/ indem dieMenſchen mit Wolle/ die Thiere hingegen mit Haa- ren bedecket ſeynd; in Anſehung daß der Mohren ihr Fell einer Wolle als Haaren aͤhnlicher ſiehet. Das Hammelfleiſch ſelbſt hat auch nicht die geringſte Ver- wandſchafft mit dem Europaͤiſchen/ ſondern iſt unge- mein duͤrre und trucken; dannenhero diejenigen ſo et- was zaͤrtlich/ ſehr ſelten davon genieſſen/ gemeine Leute aber grober Speiſen gewohnet/ koͤnnen daſſelbige nicht bezahlen/ weil ohngeachtet des ſchlechten Fleiſches man nichts deſtoweniger ein 6. 7. bis 8. Rthlr. vor einen Hammel geben muß. Jedoch koͤnnte noch wol der- jenige welcher Luſt haͤtte Hammelfleiſch zu eſſen ein gutes Stuͤck bekommen/ wenn er ſie zu rechter Zeit da ſie noch jung ſind ſchneiden lieſſe/ und ſelbige mit ge- doͤrreten Maltz feiſt machete oder futterte/ denn ſo wuͤrde er noch mit Luſt ein Stuͤck eſſen koͤnnen/ wiewol in keiner Vergleichung mit denen Europaͤiſchen Schoͤpſen. Sonſten finden ſich ſehr viel Ziegen gleich denen in Jch kan hie eine wunderbahre und laͤcherliche Mey- ren/ S 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0323" n="279"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des Landes <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Gvinea.</hi></hi></hi></fw><lb/> daß hier die rechte verkehrte Welt iſt/ indem die<lb/> Menſchen mit Wolle/ die Thiere hingegen mit Haa-<lb/> ren bedecket ſeynd; in Anſehung daß der Mohren ihr<lb/> Fell einer Wolle als Haaren aͤhnlicher ſiehet. Das<lb/> Hammelfleiſch ſelbſt hat auch nicht die geringſte Ver-<lb/> wandſchafft mit dem Europaͤiſchen/ ſondern iſt unge-<lb/> mein duͤrre und trucken; dannenhero diejenigen ſo et-<lb/> was zaͤrtlich/ ſehr ſelten davon genieſſen/ gemeine Leute<lb/> aber grober Speiſen gewohnet/ koͤnnen daſſelbige nicht<lb/> bezahlen/ weil ohngeachtet des ſchlechten Fleiſches man<lb/> nichts deſtoweniger ein 6. 7. bis 8. Rthlr. vor einen<lb/> Hammel geben muß. Jedoch koͤnnte noch wol der-<lb/> jenige welcher Luſt haͤtte Hammelfleiſch zu eſſen ein<lb/> gutes Stuͤck bekommen/ wenn er ſie zu rechter Zeit da<lb/> ſie noch jung ſind ſchneiden lieſſe/ und ſelbige mit ge-<lb/> doͤrreten Maltz feiſt machete oder futterte/ denn ſo<lb/> wuͤrde er noch mit Luſt ein Stuͤck eſſen koͤnnen/ wiewol<lb/> in keiner Vergleichung mit denen Europaͤiſchen<lb/> Schoͤpſen.</p><lb/> <p>Sonſten finden ſich ſehr viel Ziegen gleich denen in<lb/><hi rendition="#aq">Europa,</hi> ausgenommen wie alles andre Vieh ſie et-<lb/> was kleiner ſind/ aber viel fetter und fleiſchichter als die<lb/> Hammels/ wannenhero es von vielen Leuten ungleich<lb/> beſſer gehalten wird/ inſonderheit die kleinen geſchnit-<lb/> tenen Boͤcklein/ wenn ſie noch jung ſind/ welche in kur-<lb/> tzer Zeit ſehr wachſen und zunehmen. Und koſtet eine<lb/> vollwachſene Ziege 4. und bisweilen mehr Thaler.</p><lb/> <p>Jch kan hie eine wunderbahre und laͤcherliche Mey-<lb/> nung derer Mohren nicht vorbey gehen/ indem ſie fe-<lb/> ſtiglich glauben/ es ſey im Anfang der Welt eine gewiſ-<lb/> ſe Goͤttin geweſen/ welche in Gewohnheit gehabt ſich<lb/> mit einem koͤſtlichen wohlriechenden Oͤhle zu ſchmie-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">S 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ren/</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [279/0323]
des Landes Gvinea.
daß hier die rechte verkehrte Welt iſt/ indem die
Menſchen mit Wolle/ die Thiere hingegen mit Haa-
ren bedecket ſeynd; in Anſehung daß der Mohren ihr
Fell einer Wolle als Haaren aͤhnlicher ſiehet. Das
Hammelfleiſch ſelbſt hat auch nicht die geringſte Ver-
wandſchafft mit dem Europaͤiſchen/ ſondern iſt unge-
mein duͤrre und trucken; dannenhero diejenigen ſo et-
was zaͤrtlich/ ſehr ſelten davon genieſſen/ gemeine Leute
aber grober Speiſen gewohnet/ koͤnnen daſſelbige nicht
bezahlen/ weil ohngeachtet des ſchlechten Fleiſches man
nichts deſtoweniger ein 6. 7. bis 8. Rthlr. vor einen
Hammel geben muß. Jedoch koͤnnte noch wol der-
jenige welcher Luſt haͤtte Hammelfleiſch zu eſſen ein
gutes Stuͤck bekommen/ wenn er ſie zu rechter Zeit da
ſie noch jung ſind ſchneiden lieſſe/ und ſelbige mit ge-
doͤrreten Maltz feiſt machete oder futterte/ denn ſo
wuͤrde er noch mit Luſt ein Stuͤck eſſen koͤnnen/ wiewol
in keiner Vergleichung mit denen Europaͤiſchen
Schoͤpſen.
Sonſten finden ſich ſehr viel Ziegen gleich denen in
Europa, ausgenommen wie alles andre Vieh ſie et-
was kleiner ſind/ aber viel fetter und fleiſchichter als die
Hammels/ wannenhero es von vielen Leuten ungleich
beſſer gehalten wird/ inſonderheit die kleinen geſchnit-
tenen Boͤcklein/ wenn ſie noch jung ſind/ welche in kur-
tzer Zeit ſehr wachſen und zunehmen. Und koſtet eine
vollwachſene Ziege 4. und bisweilen mehr Thaler.
Jch kan hie eine wunderbahre und laͤcherliche Mey-
nung derer Mohren nicht vorbey gehen/ indem ſie fe-
ſtiglich glauben/ es ſey im Anfang der Welt eine gewiſ-
ſe Goͤttin geweſen/ welche in Gewohnheit gehabt ſich
mit einem koͤſtlichen wohlriechenden Oͤhle zu ſchmie-
ren/
S 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |