Stroh. Und überhaupt, obschon wir viel Denari verzehrten, war's ein miserabel Leben; meist schlecht Wetter, und oft abscheuliche Wege. Krüger und Labrot fluchten und pestirten den ganzen Tag; Hevel hingegen war ein feiner sittlicher Mann, der uns immer Geduld und Muth einsprach. Den sechs- zehnten gieng's bis Cistritz 12. St. Darauf wieder ein Rasttag. Den achtzehnten bis Weissenfeld 7. St. Den neunzehnten über die Elbe bis auf Halle. Als wir den breiten Strohm paßirt hatten, bezeug- ten die Sergeanten grosse Freude; denn nun betra- ten wir Brandenburger-Boden. Zu Halle logir- ten wir bey Hevels Bruder, einem Geistlichen, der aber nichts desto minder den ganzen Abend mit uns spielte und haselirte, so daß ich glaube, sein Bruder Sergeant war frömmer als er. Inzwischen war mein Geld alle; Hevel mußte mir noch 10. fl. herschiessen. Den zwanzigsten bis vier und zwan- zigsten gieng's über Zerbst, Dessau, Görz, Uster- mark, Spandau, Charlotenburg u. s. f. auf Berlin 44. St. An den drey letztern Orten zu- mal wimmelte es von Militair aller Gattungen und Farben, daß ich mich nicht satt gucken konnte. die Thürme von Berlin zeigte man uns schon eh' wir nach Spandau kamen. Ich dachte, wir hät- ten's in einer Stunde erreicht; wie erstaunt' ich dar- um, als es hieß, wir gelangten erst Morgens hin. Und nun, wie war ich so herzlich froh, als wir endlich die grosse herrliche Stadt erreicht. Wir gien- gen zum Spandauer-Thor ein, dann durch die
Stroh. Und uͤberhaupt, obſchon wir viel Denari verzehrten, war’s ein miſerabel Leben; meiſt ſchlecht Wetter, und oft abſcheuliche Wege. Kruͤger und Labrot fluchten und peſtirten den ganzen Tag; Hevel hingegen war ein feiner ſittlicher Mann, der uns immer Geduld und Muth einſprach. Den ſechs- zehnten gieng’s bis Ciſtritz 12. St. Darauf wieder ein Raſttag. Den achtzehnten bis Weiſſenfeld 7. St. Den neunzehnten uͤber die Elbe bis auf Halle. Als wir den breiten Strohm paßirt hatten, bezeug- ten die Sergeanten groſſe Freude; denn nun betra- ten wir Brandenburger-Boden. Zu Halle logir- ten wir bey Hevels Bruder, einem Geiſtlichen, der aber nichts deſto minder den ganzen Abend mit uns ſpielte und haſelirte, ſo daß ich glaube, ſein Bruder Sergeant war froͤmmer als er. Inzwiſchen war mein Geld alle; Hevel mußte mir noch 10. fl. herſchieſſen. Den zwanzigſten bis vier und zwan- zigſten gieng’s uͤber Zerbſt, Deſſau, Goͤrz, Uſter- mark, Spandau, Charlotenburg u. ſ. f. auf Berlin 44. St. An den drey letztern Orten zu- mal wimmelte es von Militair aller Gattungen und Farben, daß ich mich nicht ſatt gucken konnte. die Thuͤrme von Berlin zeigte man uns ſchon eh’ wir nach Spandau kamen. Ich dachte, wir haͤt- ten’s in einer Stunde erreicht; wie erſtaunt’ ich dar- um, als es hieß, wir gelangten erſt Morgens hin. Und nun, wie war ich ſo herzlich froh, als wir endlich die groſſe herrliche Stadt erreicht. Wir gien- gen zum Spandauer-Thor ein, dann durch die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0132"n="116"/>
Stroh. Und uͤberhaupt, obſchon wir viel Denari<lb/>
verzehrten, war’s ein miſerabel Leben; meiſt ſchlecht<lb/>
Wetter, und oft abſcheuliche Wege. <hirendition="#fr">Kruͤger</hi> und<lb/><hirendition="#fr">Labrot</hi> fluchten und peſtirten den ganzen Tag;<lb/><hirendition="#fr">Hevel</hi> hingegen war ein feiner ſittlicher Mann, der<lb/>
uns immer Geduld und Muth einſprach. Den ſechs-<lb/>
zehnten gieng’s bis <hirendition="#fr">Ciſtritz</hi> 12. St. Darauf wieder<lb/>
ein Raſttag. Den achtzehnten bis <hirendition="#fr">Weiſſenfeld</hi> 7.<lb/>
St. Den neunzehnten uͤber die <hirendition="#fr">Elbe</hi> bis auf <hirendition="#fr">Halle</hi>.<lb/>
Als wir den breiten Strohm paßirt hatten, bezeug-<lb/>
ten die Sergeanten groſſe Freude; denn nun betra-<lb/>
ten wir <hirendition="#fr">Brandenburger</hi>-Boden. Zu <hirendition="#fr">Halle</hi> logir-<lb/>
ten wir bey <hirendition="#fr">Hevels</hi> Bruder, einem Geiſtlichen,<lb/>
der aber nichts deſto minder den ganzen Abend mit<lb/>
uns ſpielte und haſelirte, ſo daß ich glaube, ſein<lb/>
Bruder Sergeant war froͤmmer als er. Inzwiſchen<lb/>
war mein Geld alle; <hirendition="#fr">Hevel</hi> mußte mir noch 10. fl.<lb/>
herſchieſſen. Den zwanzigſten bis vier und zwan-<lb/>
zigſten gieng’s uͤber <hirendition="#fr">Zerbſt, Deſſau, Goͤrz, Uſter-<lb/>
mark, Spandau, Charlotenburg</hi> u. ſ. f. auf<lb/><hirendition="#fr">Berlin</hi> 44. St. An den drey letztern Orten zu-<lb/>
mal wimmelte es von Militair aller Gattungen<lb/>
und Farben, daß ich mich nicht ſatt gucken konnte.<lb/>
die Thuͤrme von <hirendition="#fr">Berlin</hi> zeigte man uns ſchon eh’<lb/>
wir nach <hirendition="#fr">Spandau</hi> kamen. Ich dachte, wir haͤt-<lb/>
ten’s in einer Stunde erreicht; wie erſtaunt’ ich dar-<lb/>
um, als es hieß, wir gelangten erſt Morgens hin.<lb/>
Und nun, wie war ich ſo herzlich froh, als wir<lb/>
endlich die groſſe herrliche Stadt erreicht. Wir gien-<lb/>
gen zum <hirendition="#fr">Spandauer-Thor</hi> ein, dann durch die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[116/0132]
Stroh. Und uͤberhaupt, obſchon wir viel Denari
verzehrten, war’s ein miſerabel Leben; meiſt ſchlecht
Wetter, und oft abſcheuliche Wege. Kruͤger und
Labrot fluchten und peſtirten den ganzen Tag;
Hevel hingegen war ein feiner ſittlicher Mann, der
uns immer Geduld und Muth einſprach. Den ſechs-
zehnten gieng’s bis Ciſtritz 12. St. Darauf wieder
ein Raſttag. Den achtzehnten bis Weiſſenfeld 7.
St. Den neunzehnten uͤber die Elbe bis auf Halle.
Als wir den breiten Strohm paßirt hatten, bezeug-
ten die Sergeanten groſſe Freude; denn nun betra-
ten wir Brandenburger-Boden. Zu Halle logir-
ten wir bey Hevels Bruder, einem Geiſtlichen,
der aber nichts deſto minder den ganzen Abend mit
uns ſpielte und haſelirte, ſo daß ich glaube, ſein
Bruder Sergeant war froͤmmer als er. Inzwiſchen
war mein Geld alle; Hevel mußte mir noch 10. fl.
herſchieſſen. Den zwanzigſten bis vier und zwan-
zigſten gieng’s uͤber Zerbſt, Deſſau, Goͤrz, Uſter-
mark, Spandau, Charlotenburg u. ſ. f. auf
Berlin 44. St. An den drey letztern Orten zu-
mal wimmelte es von Militair aller Gattungen
und Farben, daß ich mich nicht ſatt gucken konnte.
die Thuͤrme von Berlin zeigte man uns ſchon eh’
wir nach Spandau kamen. Ich dachte, wir haͤt-
ten’s in einer Stunde erreicht; wie erſtaunt’ ich dar-
um, als es hieß, wir gelangten erſt Morgens hin.
Und nun, wie war ich ſo herzlich froh, als wir
endlich die groſſe herrliche Stadt erreicht. Wir gien-
gen zum Spandauer-Thor ein, dann durch die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/132>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.