Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.Mond hinauf, und erzählte dem mein bitteres Elend: Mond hinauf, und erzaͤhlte dem mein bitteres Elend: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0150" n="134"/> Mond hinauf, und erzaͤhlte dem mein bitteres Elend:<lb/> „Du, der jetzt auch uͤberm <hi rendition="#fr">Tockenburg</hi> ſchwebt,<lb/> „ſag’ es meinen Leuthen daheim, wie armſelig es<lb/> „um mich ſtehe — meinen Eltern, meinen Ge-<lb/> „ſchwiſterten — meinem <hi rendition="#fr">Aennchen</hi> ſag’s, wie ich<lb/> „ſchmachte — wie treu ich ihr bin — daß ſie alle<lb/> „Gott fuͤr mich bitten. Aber du ſchweigſt ſo ſtille,<lb/> „wandelſt ſo harmlos deinen Weg fort? Ach! koͤnnt’<lb/> „ich ein Voͤglein ſeyn, und dir nach in meine Hei-<lb/> „math fliegen! Ich armer, unbeſonnener Menſch!<lb/> „Gott erbarm’ ſich mein! Ich wollte mein Gluͤck<lb/> „bauen, und baute mein Elend! Was nuͤtzt mir<lb/> „dieſer herrliche Ort, worinn ich verſchmachten muß!<lb/> „Ja, wenn ich die Meinigen hier haͤtte, und ſo<lb/> „ein ſchoͤn Haͤusgen, wie dort grad gegenuͤber ſteht —<lb/> „und nicht Soldat ſeyn muͤßte, dann waͤr’s hier<lb/> „gut wohnen; dann wollt’ ich arbeiten, handeln,<lb/> „wirthſchaften, und ewig mein Vaterland meiden! —<lb/> „Doch nein! Denn auch ſo muͤßt’ ich den Jammer<lb/> „ſo vieler Elenden taͤglich vor Augen ſehn! Nein,<lb/> „geliebtes, liebes <hi rendition="#fr">Tockenburg</hi>! Du wirſt mir im-<lb/> „mer vorzuͤglich werth bleiben! — Aber, Ach! Viel-<lb/> „leicht ſeh’ ich dich in meinem Leben nicht wieder —<lb/> „verliere ſo gar den Troſt, von Zeit zu Zeit an die<lb/> „Lieben zu ſchreiben, die in dir wohnen! Denn je-<lb/> „dermann erzaͤhlt mir von der Unmoͤglichkeit, wenn’s<lb/> „einmal ins Feld gehe, auch nur eine Zeile fort-<lb/> „zubringen, worinn ich mein Herz ausſchuͤtten koͤnn-<lb/> „te. Doch, wer weiß? Noch lebt mein guter<lb/> „Vater im Himmel; dem iſt’s bekannt, wie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [134/0150]
Mond hinauf, und erzaͤhlte dem mein bitteres Elend:
„Du, der jetzt auch uͤberm Tockenburg ſchwebt,
„ſag’ es meinen Leuthen daheim, wie armſelig es
„um mich ſtehe — meinen Eltern, meinen Ge-
„ſchwiſterten — meinem Aennchen ſag’s, wie ich
„ſchmachte — wie treu ich ihr bin — daß ſie alle
„Gott fuͤr mich bitten. Aber du ſchweigſt ſo ſtille,
„wandelſt ſo harmlos deinen Weg fort? Ach! koͤnnt’
„ich ein Voͤglein ſeyn, und dir nach in meine Hei-
„math fliegen! Ich armer, unbeſonnener Menſch!
„Gott erbarm’ ſich mein! Ich wollte mein Gluͤck
„bauen, und baute mein Elend! Was nuͤtzt mir
„dieſer herrliche Ort, worinn ich verſchmachten muß!
„Ja, wenn ich die Meinigen hier haͤtte, und ſo
„ein ſchoͤn Haͤusgen, wie dort grad gegenuͤber ſteht —
„und nicht Soldat ſeyn muͤßte, dann waͤr’s hier
„gut wohnen; dann wollt’ ich arbeiten, handeln,
„wirthſchaften, und ewig mein Vaterland meiden! —
„Doch nein! Denn auch ſo muͤßt’ ich den Jammer
„ſo vieler Elenden taͤglich vor Augen ſehn! Nein,
„geliebtes, liebes Tockenburg! Du wirſt mir im-
„mer vorzuͤglich werth bleiben! — Aber, Ach! Viel-
„leicht ſeh’ ich dich in meinem Leben nicht wieder —
„verliere ſo gar den Troſt, von Zeit zu Zeit an die
„Lieben zu ſchreiben, die in dir wohnen! Denn je-
„dermann erzaͤhlt mir von der Unmoͤglichkeit, wenn’s
„einmal ins Feld gehe, auch nur eine Zeile fort-
„zubringen, worinn ich mein Herz ausſchuͤtten koͤnn-
„te. Doch, wer weiß? Noch lebt mein guter
„Vater im Himmel; dem iſt’s bekannt, wie
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