L. Behüte Gott Berlin! -- Wir sehen einander nicht mehr.
Endlich kam der erwünschte Zeitpunkt, wo es hieß: Allons, ins Feld! Schon im Heumonath marschier- ten etliche Regimenter von Berlin ab, und kamen hinwieder andre aus Preussen und Pommern an. Jetzt mußten sich alle Beurlaubten stellen, und in der grossen Stadt wimmelte alles von Soldaten. Dennoch wußte noch niemand eigentlich, wohin alle diese Bewegungen zielten. Ich horchte wie ein Schwein am Gatter. Einiche sagten, wenn's ins Feld gehe, könnten wir neue Rekrutten doch nicht mit, sondern würden unter ein Garnisonsregiment gesteckt. Das hätte mir himmelangst gemacht; aber ich glaubte es nicht. Indessen bot ich allen meinen Leibs- und Seelenkräften auf, mich bey allen Manövers als einen fertigen dapfern Soldaten zu zeigen (denn einige bey der Compagnie, die älter waren als ich, muß- ten wirklich zurückbleiben). Und nun den 21. Aug. erst Abends späth, kam die gewünschte Ordre, uns auf Morgen marschfertig zu halten. Potz Wetter! wie gieng es da her mit Putzen und Packen! Ein- mal wenn's mir auch an Geld nicht gebrochen, hätt' ich nicht mehr Zeit gehabt, einem Becker zwey ge- borgte Brodte zu bezahlen. Auch hieß es, in die- sem Fall dürfte kein Gläubiger mehr ans Mahnen denken: Doch ich ließ mein Wäschkistgen zurück; und wenn es der Becker nicht abgefodert hat, hab'
L. Behuͤte Gott Berlin! — Wir ſehen einander nicht mehr.
Endlich kam der erwuͤnſchte Zeitpunkt, wo es hieß: Allons, ins Feld! Schon im Heumonath marſchier- ten etliche Regimenter von Berlin ab, und kamen hinwieder andre aus Preuſſen und Pommern an. Jetzt mußten ſich alle Beurlaubten ſtellen, und in der groſſen Stadt wimmelte alles von Soldaten. Dennoch wußte noch niemand eigentlich, wohin alle dieſe Bewegungen zielten. Ich horchte wie ein Schwein am Gatter. Einiche ſagten, wenn’s ins Feld gehe, koͤnnten wir neue Rekrutten doch nicht mit, ſondern wuͤrden unter ein Garniſonsregiment geſteckt. Das haͤtte mir himmelangſt gemacht; aber ich glaubte es nicht. Indeſſen bot ich allen meinen Leibs- und Seelenkraͤften auf, mich bey allen Manoͤvers als einen fertigen dapfern Soldaten zu zeigen (denn einige bey der Compagnie, die aͤlter waren als ich, muß- ten wirklich zuruͤckbleiben). Und nun den 21. Aug. erſt Abends ſpaͤth, kam die gewuͤnſchte Ordre, uns auf Morgen marſchfertig zu halten. Potz Wetter! wie gieng es da her mit Putzen und Packen! Ein- mal wenn’s mir auch an Geld nicht gebrochen, haͤtt’ ich nicht mehr Zeit gehabt, einem Becker zwey ge- borgte Brodte zu bezahlen. Auch hieß es, in die- ſem Fall duͤrfte kein Glaͤubiger mehr ans Mahnen denken: Doch ich ließ mein Waͤſchkiſtgen zuruͤck; und wenn es der Becker nicht abgefodert hat, hab’
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L.
Behuͤte Gott Berlin! — Wir ſehen
einander nicht mehr.
Endlich kam der erwuͤnſchte Zeitpunkt, wo es hieß:
Allons, ins Feld! Schon im Heumonath marſchier-
ten etliche Regimenter von Berlin ab, und kamen
hinwieder andre aus Preuſſen und Pommern an.
Jetzt mußten ſich alle Beurlaubten ſtellen, und in
der groſſen Stadt wimmelte alles von Soldaten.
Dennoch wußte noch niemand eigentlich, wohin alle
dieſe Bewegungen zielten. Ich horchte wie ein Schwein
am Gatter. Einiche ſagten, wenn’s ins Feld gehe,
koͤnnten wir neue Rekrutten doch nicht mit, ſondern
wuͤrden unter ein Garniſonsregiment geſteckt. Das
haͤtte mir himmelangſt gemacht; aber ich glaubte es
nicht. Indeſſen bot ich allen meinen Leibs- und
Seelenkraͤften auf, mich bey allen Manoͤvers als
einen fertigen dapfern Soldaten zu zeigen (denn einige
bey der Compagnie, die aͤlter waren als ich, muß-
ten wirklich zuruͤckbleiben). Und nun den 21. Aug.
erſt Abends ſpaͤth, kam die gewuͤnſchte Ordre, uns
auf Morgen marſchfertig zu halten. Potz Wetter!
wie gieng es da her mit Putzen und Packen! Ein-
mal wenn’s mir auch an Geld nicht gebrochen, haͤtt’
ich nicht mehr Zeit gehabt, einem Becker zwey ge-
borgte Brodte zu bezahlen. Auch hieß es, in die-
ſem Fall duͤrfte kein Glaͤubiger mehr ans Mahnen
denken: Doch ich ließ mein Waͤſchkiſtgen zuruͤck;
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/156>, abgerufen am 24.11.2024.
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