Graben mag ich nicht; doch schäm' ich mich zu betteln. -- Nein! vor mein Brodt war ich nie besorgt, und itzt am allerwenigsten. Denn, dacht' ich: Nun bist du wieder an deines Vaters Kost; und arbeiten willst du nun auch wieder lernen. Doch merkt' ich, daß mein Vater meinetwegen ein Bißchen ver- legen war, und vielleicht obige Textesworte auf mich anwandte, obschon er nichts davon sagte. In der That war mir auch die schwarze und gefährliche Kunst eines Pulvermachers höchst zuwider; denn der- gleichen Spezerey hatt' ich nun genug gerochen. Itzt sollt' ich auch wieder Kleider haben, und der gute Aeti strengte alles an, mir solche zu verschaffen. Den Winter über konnt' ich Holz zügeln, und Baumwollen kämmen. Allein im Frühjahr 1757. beorderte mich mein Vater zum Salpetersieden; da gab's schmutzige und zum Theil auch strenge Arbeit. Doch blieb mir immer so viel Zeit übrig, meinen Geist wieder in die weite Welt fliegen zu lassen. Da dacht ich dann: "Warst doch als Soldat nicht so "ein Schweinskerl, und hattest bey aller deiner Angst "und Noth manch lustiges Tägel"! Ha! wie ver- änderlich ist das Herz des Menschen. Denn itzt gieng ich wirklich manche Stunde mit mir zu Rath, ob ich nicht aufs neue den Weg unter die Füsse neh-
LIX. Und nun, was anfangen.
Graben mag ich nicht; doch ſchäm’ ich mich zu betteln. — Nein! vor mein Brodt war ich nie beſorgt, und itzt am allerwenigſten. Denn, dacht’ ich: Nun biſt du wieder an deines Vaters Koſt; und arbeiten willſt du nun auch wieder lernen. Doch merkt’ ich, daß mein Vater meinetwegen ein Bißchen ver- legen war, und vielleicht obige Textesworte auf mich anwandte, obſchon er nichts davon ſagte. In der That war mir auch die ſchwarze und gefaͤhrliche Kunſt eines Pulvermachers hoͤchſt zuwider; denn der- gleichen Spezerey hatt’ ich nun genug gerochen. Itzt ſollt’ ich auch wieder Kleider haben, und der gute Aeti ſtrengte alles an, mir ſolche zu verſchaffen. Den Winter uͤber konnt’ ich Holz zuͤgeln, und Baumwollen kaͤmmen. Allein im Fruͤhjahr 1757. beorderte mich mein Vater zum Salpeterſieden; da gab’s ſchmutzige und zum Theil auch ſtrenge Arbeit. Doch blieb mir immer ſo viel Zeit uͤbrig, meinen Geiſt wieder in die weite Welt fliegen zu laſſen. Da dacht ich dann: „Warſt doch als Soldat nicht ſo „ein Schweinskerl, und hatteſt bey aller deiner Angſt „und Noth manch luſtiges Taͤgel„! Ha! wie ver- aͤnderlich iſt das Herz des Menſchen. Denn itzt gieng ich wirklich manche Stunde mit mir zu Rath, ob ich nicht aufs neue den Weg unter die Fuͤſſe neh-
<TEI><text><body><pbfacs="#f0183"n="167"/><divn="1"><head><hirendition="#g"><hirendition="#aq">LIX.</hi><lb/><hirendition="#fr">Und nun, was anfangen</hi>.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">G</hi>raben mag ich nicht; <hirendition="#fr">doch ſchäm’ ich mich<lb/>
zu betteln</hi>. — Nein! vor mein Brodt war ich nie<lb/>
beſorgt, und itzt am allerwenigſten. Denn, dacht’<lb/>
ich: Nun biſt du wieder an deines Vaters Koſt;<lb/>
und arbeiten willſt du nun auch wieder lernen. Doch<lb/>
merkt’ ich, daß mein Vater meinetwegen ein Bißchen ver-<lb/>
legen war, und vielleicht obige Textesworte auf mich<lb/>
anwandte, obſchon er nichts davon ſagte. In der<lb/>
That war mir auch die ſchwarze und gefaͤhrliche<lb/>
Kunſt eines Pulvermachers hoͤchſt zuwider; denn der-<lb/>
gleichen Spezerey hatt’ ich nun genug gerochen. Itzt<lb/>ſollt’ ich auch wieder Kleider haben, und der gute<lb/>
Aeti ſtrengte alles an, mir ſolche zu verſchaffen. Den<lb/>
Winter uͤber konnt’ ich Holz zuͤgeln, und Baumwollen<lb/>
kaͤmmen. Allein im Fruͤhjahr<lb/><hirendition="#c"><hirendition="#g">1757</hi>.</hi><lb/>
beorderte mich mein Vater zum Salpeterſieden; da<lb/>
gab’s ſchmutzige und zum Theil auch ſtrenge Arbeit.<lb/>
Doch blieb mir immer ſo viel Zeit uͤbrig, meinen<lb/>
Geiſt wieder in die weite Welt fliegen zu laſſen. Da<lb/>
dacht ich dann: „Warſt doch als Soldat nicht ſo<lb/>„ein Schweinskerl, und hatteſt bey aller deiner Angſt<lb/>„und Noth manch luſtiges Taͤgel„! Ha! wie ver-<lb/>
aͤnderlich iſt das Herz des Menſchen. Denn itzt<lb/>
gieng ich wirklich manche Stunde mit mir zu Rath,<lb/>
ob ich nicht aufs neue den Weg unter die Fuͤſſe neh-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[167/0183]
LIX.
Und nun, was anfangen.
Graben mag ich nicht; doch ſchäm’ ich mich
zu betteln. — Nein! vor mein Brodt war ich nie
beſorgt, und itzt am allerwenigſten. Denn, dacht’
ich: Nun biſt du wieder an deines Vaters Koſt;
und arbeiten willſt du nun auch wieder lernen. Doch
merkt’ ich, daß mein Vater meinetwegen ein Bißchen ver-
legen war, und vielleicht obige Textesworte auf mich
anwandte, obſchon er nichts davon ſagte. In der
That war mir auch die ſchwarze und gefaͤhrliche
Kunſt eines Pulvermachers hoͤchſt zuwider; denn der-
gleichen Spezerey hatt’ ich nun genug gerochen. Itzt
ſollt’ ich auch wieder Kleider haben, und der gute
Aeti ſtrengte alles an, mir ſolche zu verſchaffen. Den
Winter uͤber konnt’ ich Holz zuͤgeln, und Baumwollen
kaͤmmen. Allein im Fruͤhjahr
1757.
beorderte mich mein Vater zum Salpeterſieden; da
gab’s ſchmutzige und zum Theil auch ſtrenge Arbeit.
Doch blieb mir immer ſo viel Zeit uͤbrig, meinen
Geiſt wieder in die weite Welt fliegen zu laſſen. Da
dacht ich dann: „Warſt doch als Soldat nicht ſo
„ein Schweinskerl, und hatteſt bey aller deiner Angſt
„und Noth manch luſtiges Taͤgel„! Ha! wie ver-
aͤnderlich iſt das Herz des Menſchen. Denn itzt
gieng ich wirklich manche Stunde mit mir zu Rath,
ob ich nicht aufs neue den Weg unter die Fuͤſſe neh-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/183>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.