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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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daß sie mich darinn weit übertraf. Ich hatte dar-
um eine grosse Freude mit dem gelehrten Ding,
und glaubte bald eine vortrefliche Dichterinn an ihr
zu haben. Aber am End kams heraus, daß sie we-
der schreiben noch Geschriebenes lesen konnte, son-
dern alles durch einen vertrauten Nachbar verrich-
ten ließ. "Nun Schatz"! sagt' ich eines Tags:
"Itzt ist unser Haus fertig, und ich muß doch ein-
"mal wissen woran ich bin". Sie brachte noch ein-
nen ganzen Plunder von Entschuldigungen herfür.
Zuletzt wurden wir darüber einig: Ich müß' ihr noch
Zeit lassen, bis im Herbst. Endlich ward im Okto-
ber unsre Hochzeit öffentlich verkündet. Itzt (so
schwer war's kaum Rom zu bauen) spielte mir ein
niederträchtiger Kerl noch den Streich, daß er im
Namen seines Bruders, der in piemontesischen Dien-
sten stand, Ansprachen auf meine Braut machte, die
aber bald vor ungültig erkannt wurden. An Aller
Seelen Tag (3. Nov.) wurden wir copulirt. Herr
Pfarrer Seelmatter hielt uns eine schöne Sermon,
und knüpfte uns zusammen. So nahm meine Frey-
heit ein Ende, und das Zanken gleich den ersten
Tag seinen Anfang -- und währt noch bis auf
den heutigen. Ich sollte mich unterwerfen, und wollte
nicht, und will's noch itzt nicht. Sie sollt' es auch,
und will's noch viel minder. Auch darf ich noch
einmal nicht verhehlen, daß mich eigentlich bloß po-
litische Absichten zu meiner Heurath bewogen haben;
und ich nie jene zärtliche Neigung zu ihr verspürt,
die man Liebe zu nennen gewohnt ist. Aber das

daß ſie mich darinn weit uͤbertraf. Ich hatte dar-
um eine groſſe Freude mit dem gelehrten Ding,
und glaubte bald eine vortrefliche Dichterinn an ihr
zu haben. Aber am End kams heraus, daß ſie we-
der ſchreiben noch Geſchriebenes leſen konnte, ſon-
dern alles durch einen vertrauten Nachbar verrich-
ten ließ. „Nun Schatz„! ſagt’ ich eines Tags:
„Itzt iſt unſer Haus fertig, und ich muß doch ein-
„mal wiſſen woran ich bin„. Sie brachte noch ein-
nen ganzen Plunder von Entſchuldigungen herfuͤr.
Zuletzt wurden wir daruͤber einig: Ich muͤß’ ihr noch
Zeit laſſen, bis im Herbſt. Endlich ward im Okto-
ber unſre Hochzeit oͤffentlich verkuͤndet. Itzt (ſo
ſchwer war’s kaum Rom zu bauen) ſpielte mir ein
niedertraͤchtiger Kerl noch den Streich, daß er im
Namen ſeines Bruders, der in piemonteſiſchen Dien-
ſten ſtand, Anſprachen auf meine Braut machte, die
aber bald vor unguͤltig erkannt wurden. An Aller
Seelen Tag (3. Nov.) wurden wir copulirt. Herr
Pfarrer Seelmatter hielt uns eine ſchoͤne Sermon,
und knuͤpfte uns zuſammen. So nahm meine Frey-
heit ein Ende, und das Zanken gleich den erſten
Tag ſeinen Anfang — und waͤhrt noch bis auf
den heutigen. Ich ſollte mich unterwerfen, und wollte
nicht, und will’s noch itzt nicht. Sie ſollt’ es auch,
und will’s noch viel minder. Auch darf ich noch
einmal nicht verhehlen, daß mich eigentlich bloß po-
litiſche Abſichten zu meiner Heurath bewogen haben;
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[182/0198] daß ſie mich darinn weit uͤbertraf. Ich hatte dar- um eine groſſe Freude mit dem gelehrten Ding, und glaubte bald eine vortrefliche Dichterinn an ihr zu haben. Aber am End kams heraus, daß ſie we- der ſchreiben noch Geſchriebenes leſen konnte, ſon- dern alles durch einen vertrauten Nachbar verrich- ten ließ. „Nun Schatz„! ſagt’ ich eines Tags: „Itzt iſt unſer Haus fertig, und ich muß doch ein- „mal wiſſen woran ich bin„. Sie brachte noch ein- nen ganzen Plunder von Entſchuldigungen herfuͤr. Zuletzt wurden wir daruͤber einig: Ich muͤß’ ihr noch Zeit laſſen, bis im Herbſt. Endlich ward im Okto- ber unſre Hochzeit oͤffentlich verkuͤndet. Itzt (ſo ſchwer war’s kaum Rom zu bauen) ſpielte mir ein niedertraͤchtiger Kerl noch den Streich, daß er im Namen ſeines Bruders, der in piemonteſiſchen Dien- ſten ſtand, Anſprachen auf meine Braut machte, die aber bald vor unguͤltig erkannt wurden. An Aller Seelen Tag (3. Nov.) wurden wir copulirt. Herr Pfarrer Seelmatter hielt uns eine ſchoͤne Sermon, und knuͤpfte uns zuſammen. So nahm meine Frey- heit ein Ende, und das Zanken gleich den erſten Tag ſeinen Anfang — und waͤhrt noch bis auf den heutigen. Ich ſollte mich unterwerfen, und wollte nicht, und will’s noch itzt nicht. Sie ſollt’ es auch, und will’s noch viel minder. Auch darf ich noch einmal nicht verhehlen, daß mich eigentlich bloß po- litiſche Abſichten zu meiner Heurath bewogen haben; und ich nie jene zaͤrtliche Neigung zu ihr verſpuͤrt, die man Liebe zu nennen gewohnt iſt. Aber das

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/198>, abgerufen am 24.11.2024.