aus allen Kräften, so daß ich dieß Handwerk so ziem- lich gelernt, und mir mit meiner Selbstarbeit man- chen hübschen Schilling erspart. Mit meinem Fuß war's indessen noch lange nicht recht, und ich mußte bey Jahren daran bayern; sonst wäre alles noch viel hurtiger vonstatten gegangen. Endlich konnt' ich doch den 17. Jun. mit dem Bruder in mein neues Haus einziehn, der nun einzig, nebst mir, unsern kleinen Rauch führte; so daß wir Herr, Frau, Knecht und Magd, Koch und Keller, alles an einem Stiel vorstellten. Aber es fehlte mir eben noch an Vielem. Wo ich herumsah, erblickt' ich meist heitre und son- nenreiche, aber läre Winkel. Immer mußt' ich die Hand in Beutel stecken; und der war klein und dünn; so daß es mich itzt noch Wunder nimmt, wie die Kreutzer, Batzen und Gulden alle heraus, oder viel- mehr hereingekrochen. Aber freylich am End erklärte sich manches -- durch einen Schuldenlast von bey- nahe 1000. fl. Tausend Gulden! und die mach- ten mir keinen Kummer? O du liebe, heilige Sorg- losigkeit meiner Jugendzeit!
Inzwischen war ich nun schon beynahe vier Jahre lang einem stettigen *) Mädchen nachgelaufen; und sie mir, doch etwas minder. Und wenn wir uns nicht sehen konnten, mußten bald alle Tage gebun- dene und ungebundene Briefe gewechselt seyn, wie mich denn über diesen Punkt meine verschmitzte Dul- cinee meisterlich zu betriegen wußte. Sie schrieb mir nämlich ihre Briefe meist in Versen, so nett,
*)reveche.
aus allen Kraͤften, ſo daß ich dieß Handwerk ſo ziem- lich gelernt, und mir mit meiner Selbſtarbeit man- chen huͤbſchen Schilling erſpart. Mit meinem Fuß war’s indeſſen noch lange nicht recht, und ich mußte bey Jahren daran bayern; ſonſt waͤre alles noch viel hurtiger vonſtatten gegangen. Endlich konnt’ ich doch den 17. Jun. mit dem Bruder in mein neues Haus einziehn, der nun einzig, nebſt mir, unſern kleinen Rauch fuͤhrte; ſo daß wir Herr, Frau, Knecht und Magd, Koch und Keller, alles an einem Stiel vorſtellten. Aber es fehlte mir eben noch an Vielem. Wo ich herumſah, erblickt’ ich meiſt heitre und ſon- nenreiche, aber laͤre Winkel. Immer mußt’ ich die Hand in Beutel ſtecken; und der war klein und duͤnn; ſo daß es mich itzt noch Wunder nimmt, wie die Kreutzer, Batzen und Gulden alle heraus, oder viel- mehr hereingekrochen. Aber freylich am End erklaͤrte ſich manches — durch einen Schuldenlaſt von bey- nahe 1000. fl. Tauſend Gulden! und die mach- ten mir keinen Kummer? O du liebe, heilige Sorg- loſigkeit meiner Jugendzeit!
Inzwiſchen war ich nun ſchon beynahe vier Jahre lang einem ſtettigen *) Maͤdchen nachgelaufen; und ſie mir, doch etwas minder. Und wenn wir uns nicht ſehen konnten, mußten bald alle Tage gebun- dene und ungebundene Briefe gewechſelt ſeyn, wie mich denn uͤber dieſen Punkt meine verſchmitzte Dul- cinee meiſterlich zu betriegen wußte. Sie ſchrieb mir naͤmlich ihre Briefe meiſt in Verſen, ſo nett,
*)revêche.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0197"n="181"/>
aus allen Kraͤften, ſo daß ich dieß Handwerk ſo ziem-<lb/>
lich gelernt, und mir mit meiner Selbſtarbeit man-<lb/>
chen huͤbſchen Schilling erſpart. Mit meinem Fuß<lb/>
war’s indeſſen noch lange nicht recht, und ich mußte<lb/>
bey Jahren daran bayern; ſonſt waͤre alles noch<lb/>
viel hurtiger vonſtatten gegangen. Endlich konnt’ ich<lb/>
doch den 17. Jun. mit dem Bruder in mein neues<lb/>
Haus einziehn, der nun einzig, nebſt mir, unſern<lb/>
kleinen Rauch fuͤhrte; ſo daß wir Herr, Frau, Knecht<lb/>
und Magd, Koch und Keller, alles an einem Stiel<lb/>
vorſtellten. Aber es fehlte mir eben noch an Vielem.<lb/>
Wo ich herumſah, erblickt’ ich meiſt heitre und ſon-<lb/>
nenreiche, aber laͤre Winkel. Immer mußt’ ich die<lb/>
Hand in Beutel ſtecken; und der war klein und duͤnn;<lb/>ſo daß es mich itzt noch Wunder nimmt, wie die<lb/>
Kreutzer, Batzen und Gulden alle heraus, oder viel-<lb/>
mehr hereingekrochen. Aber freylich am End erklaͤrte<lb/>ſich manches — durch einen Schuldenlaſt von bey-<lb/>
nahe 1000. fl. <hirendition="#fr">Tauſend Gulden</hi>! und die mach-<lb/>
ten mir keinen Kummer? O du liebe, heilige Sorg-<lb/>
loſigkeit meiner Jugendzeit!</p><lb/><p>Inzwiſchen war ich nun ſchon beynahe vier Jahre<lb/>
lang einem ſtettigen <noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">revêche.</hi></note> Maͤdchen nachgelaufen; und<lb/>ſie mir, doch etwas minder. Und wenn wir uns<lb/>
nicht ſehen konnten, mußten bald alle Tage gebun-<lb/>
dene und ungebundene Briefe gewechſelt ſeyn, wie<lb/>
mich denn uͤber dieſen Punkt meine verſchmitzte Dul-<lb/>
cinee meiſterlich zu betriegen wußte. Sie ſchrieb<lb/>
mir naͤmlich ihre Briefe meiſt in Verſen, ſo nett,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[181/0197]
aus allen Kraͤften, ſo daß ich dieß Handwerk ſo ziem-
lich gelernt, und mir mit meiner Selbſtarbeit man-
chen huͤbſchen Schilling erſpart. Mit meinem Fuß
war’s indeſſen noch lange nicht recht, und ich mußte
bey Jahren daran bayern; ſonſt waͤre alles noch
viel hurtiger vonſtatten gegangen. Endlich konnt’ ich
doch den 17. Jun. mit dem Bruder in mein neues
Haus einziehn, der nun einzig, nebſt mir, unſern
kleinen Rauch fuͤhrte; ſo daß wir Herr, Frau, Knecht
und Magd, Koch und Keller, alles an einem Stiel
vorſtellten. Aber es fehlte mir eben noch an Vielem.
Wo ich herumſah, erblickt’ ich meiſt heitre und ſon-
nenreiche, aber laͤre Winkel. Immer mußt’ ich die
Hand in Beutel ſtecken; und der war klein und duͤnn;
ſo daß es mich itzt noch Wunder nimmt, wie die
Kreutzer, Batzen und Gulden alle heraus, oder viel-
mehr hereingekrochen. Aber freylich am End erklaͤrte
ſich manches — durch einen Schuldenlaſt von bey-
nahe 1000. fl. Tauſend Gulden! und die mach-
ten mir keinen Kummer? O du liebe, heilige Sorg-
loſigkeit meiner Jugendzeit!
Inzwiſchen war ich nun ſchon beynahe vier Jahre
lang einem ſtettigen *) Maͤdchen nachgelaufen; und
ſie mir, doch etwas minder. Und wenn wir uns
nicht ſehen konnten, mußten bald alle Tage gebun-
dene und ungebundene Briefe gewechſelt ſeyn, wie
mich denn uͤber dieſen Punkt meine verſchmitzte Dul-
cinee meiſterlich zu betriegen wußte. Sie ſchrieb
mir naͤmlich ihre Briefe meiſt in Verſen, ſo nett,
*) revêche.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/197>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.