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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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Kindern damit geholfen wäre. Noch ein andermal
raunt mir, wie ich wenigstens wähne, ein beßrer Geist
ins Ohr: Armer Narr! der Himmel wird deinetwegen
kein Wunder thun! Gott hat die Erde gemacht, und
so viel Gutes darauf ausgeschüttet. Und das Beßte
davon, goß er's nicht ins weiche Herz des Menschen?
Also hinaus in die Welt, und spüre diesen edeln
Seelen nach; Sie werden Dich nicht aufsuchen. Ge-
steh' ihnen deine Noth und deine Thorheit, schäm'
dich deines Elends nicht, und schütte deinen Kummer
in ihren Schooß aus. Schon manchem weit Unglück-
lichern ist geholfen worden. Aber o wie blöd' bin
ich, und wie zweifelhaft, ob auch dieses gute oder
schlimme Eingebungen seyn! -- Beßter Menschenfreund!
O um Gotteswillen rathen Sie mir; sagen Sie es
mir, ob das ebenbemerkte Mittel nicht noch das
thunlichste wäre, mich von einem gänzlichen Verder-
ben zu retten. -- Ach! wär' es nur um mich allein zu
thun --! Aber meine Frau, meine armen unschuldigen
Kinder, sollten auch diese die Schuld und Schand'
ihres Mannes und Vaters tragen; und die hiesige
Moralische Gesellschaft, in die ich mich erst neuer-
lich, freylich eben auch unüberlegt genug, habe auf-
nehmen lassen, sollte auch diese frühe, und zum er-
stenmal, durch eins ihrer Mitglieder, gegen welches
man ohnehin so manche begründete Einwendungen
machte, so schrecklich beschimpft werden? O noch ein-
mal, um aller Erbärmden Gottes willen, Herr La-
vater
! Nur um einen väterlichen Rath! verziehen
Sie mir diese Kühnheit. Noth macht frech. Und in

Kindern damit geholfen waͤre. Noch ein andermal
raunt mir, wie ich wenigſtens waͤhne, ein beßrer Geiſt
ins Ohr: Armer Narr! der Himmel wird deinetwegen
kein Wunder thun! Gott hat die Erde gemacht, und
ſo viel Gutes darauf ausgeſchuͤttet. Und das Beßte
davon, goß er’s nicht ins weiche Herz des Menſchen?
Alſo hinaus in die Welt, und ſpuͤre dieſen edeln
Seelen nach; Sie werden Dich nicht aufſuchen. Ge-
ſteh’ ihnen deine Noth und deine Thorheit, ſchaͤm’
dich deines Elends nicht, und ſchuͤtte deinen Kummer
in ihren Schooß aus. Schon manchem weit Ungluͤck-
lichern iſt geholfen worden. Aber o wie bloͤd’ bin
ich, und wie zweifelhaft, ob auch dieſes gute oder
ſchlimme Eingebungen ſeyn! -- Beßter Menſchenfreund!
O um Gotteswillen rathen Sie mir; ſagen Sie es
mir, ob das ebenbemerkte Mittel nicht noch das
thunlichſte waͤre, mich von einem gaͤnzlichen Verder-
ben zu retten. — Ach! waͤr’ es nur um mich allein zu
thun —! Aber meine Frau, meine armen unſchuldigen
Kinder, ſollten auch dieſe die Schuld und Schand’
ihres Mannes und Vaters tragen; und die hieſige
Moraliſche Geſellſchaft, in die ich mich erſt neuer-
lich, freylich eben auch unuͤberlegt genug, habe auf-
nehmen laſſen, ſollte auch dieſe fruͤhe, und zum er-
ſtenmal, durch eins ihrer Mitglieder, gegen welches
man ohnehin ſo manche begruͤndete Einwendungen
machte, ſo ſchrecklich beſchimpft werden? O noch ein-
mal, um aller Erbaͤrmden Gottes willen, Herr La-
vater
! Nur um einen vaͤterlichen Rath! verziehen
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[223/0239] Kindern damit geholfen waͤre. Noch ein andermal raunt mir, wie ich wenigſtens waͤhne, ein beßrer Geiſt ins Ohr: Armer Narr! der Himmel wird deinetwegen kein Wunder thun! Gott hat die Erde gemacht, und ſo viel Gutes darauf ausgeſchuͤttet. Und das Beßte davon, goß er’s nicht ins weiche Herz des Menſchen? Alſo hinaus in die Welt, und ſpuͤre dieſen edeln Seelen nach; Sie werden Dich nicht aufſuchen. Ge- ſteh’ ihnen deine Noth und deine Thorheit, ſchaͤm’ dich deines Elends nicht, und ſchuͤtte deinen Kummer in ihren Schooß aus. Schon manchem weit Ungluͤck- lichern iſt geholfen worden. Aber o wie bloͤd’ bin ich, und wie zweifelhaft, ob auch dieſes gute oder ſchlimme Eingebungen ſeyn! -- Beßter Menſchenfreund! O um Gotteswillen rathen Sie mir; ſagen Sie es mir, ob das ebenbemerkte Mittel nicht noch das thunlichſte waͤre, mich von einem gaͤnzlichen Verder- ben zu retten. — Ach! waͤr’ es nur um mich allein zu thun —! Aber meine Frau, meine armen unſchuldigen Kinder, ſollten auch dieſe die Schuld und Schand’ ihres Mannes und Vaters tragen; und die hieſige Moraliſche Geſellſchaft, in die ich mich erſt neuer- lich, freylich eben auch unuͤberlegt genug, habe auf- nehmen laſſen, ſollte auch dieſe fruͤhe, und zum er- ſtenmal, durch eins ihrer Mitglieder, gegen welches man ohnehin ſo manche begruͤndete Einwendungen machte, ſo ſchrecklich beſchimpft werden? O noch ein- mal, um aller Erbaͤrmden Gottes willen, Herr La- vater! Nur um einen vaͤterlichen Rath! verziehen Sie mir dieſe Kuͤhnheit. Noth macht frech. Und in

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/239>, abgerufen am 24.11.2024.