Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.ihn fand und fühlte -- so nahe bey mir -- rings Seht, meine Lieben! Das ist meine Geschichte bis Gott verzieh' mir's, wo ich, selbst ohne mein Wis- Jesu Blut tilge meine Schulden, die ich verhehlte, Beßter Vater im Himmel! Dir, und dir allein, ihn fand und fuͤhlte — ſo nahe bey mir — rings Seht, meine Lieben! Das iſt meine Geſchichte bis Gott verzieh’ mir’s, wo ich, ſelbſt ohne mein Wiſ- Jeſu Blut tilge meine Schulden, die ich verhehlte, Beßter Vater im Himmel! Dir, und dir allein, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0296" n="280"/> ihn fand und fuͤhlte — ſo nahe bey mir — rings<lb/> um mich her, und — in mir; wie er dieß mein<lb/> Herz aufſchloß, das er ſo weich und ſo fuͤhlend ſchuf.<lb/> Lieber, lieber Knabe! Beſchreiben kann ich’s nicht.<lb/> Aber mir war ſchon oft, ich ſey verzuͤckt, wenn ich<lb/> all’ dieſe Herrlichkeit uͤberſchaute, und ſo, in Ge-<lb/> danken vertieft, den Vollmond uͤber mir, dieſer<lb/> Wieſe entlang hin und hergieng; oder an einem ſchoͤ-<lb/> nen Sommerabend dort jenen Huͤgel beſtieg — die<lb/> Sonne ſinken — die Schatten ſteigen ſah — mein<lb/> Haͤusgen ſchon in blauer Daͤmmerung ſtand, die<lb/> ſchwirrenden Weſte mich umſaͤuſelten — die Voͤgel ihr<lb/> ſanftes Abendlied anhuben. Wenn ich dann vollends<lb/> bedachte: „Und dieß alles vor dich, armer, ſchul-<lb/> „diger Mann„? — Und eine goͤttliche Stimme mir<lb/> zu antworten ſchien: „Sohn! dir ſind deine Suͤn-<lb/> „den vergeben„. O! wie da mein Herz in ſuͤſſer<lb/> Wehmuth zerſchmolz — wie ich dem Strohm mei-<lb/> ner Freudenthraͤnen freyen Lauf ließ, und alles rings<lb/> um mich her — Himmel und Erde haͤtte umarmen<lb/> moͤgen — und noch ſelige Traͤume der folgenden<lb/> Nacht mein geſtriges Gluͤck wiederholten.</p><lb/> <p>Seht, meine Lieben! Das iſt meine Geſchichte bis<lb/> auf den heutigen Tag. Koͤnftig, ſo der Herr will<lb/> und ich lebe, ein Mehrers. Es iſt ein Wirrwarr —<lb/> aber eben meine Geſchichte.</p><lb/> <p>Gott verzieh’ mir’s, wo ich, ſelbſt ohne mein Wiſ-<lb/> ſen, irgend ein unwahres Wort ſchrieb! —</p><lb/> <p>Jeſu Blut tilge meine Schulden, die ich verhehlte,<lb/> und die ich geſtuhnd!</p><lb/> <p>Beßter Vater im Himmel! Dir, und dir allein,<lb/> ſey der Reſt meiner Tage geweiht!</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [280/0296]
ihn fand und fuͤhlte — ſo nahe bey mir — rings
um mich her, und — in mir; wie er dieß mein
Herz aufſchloß, das er ſo weich und ſo fuͤhlend ſchuf.
Lieber, lieber Knabe! Beſchreiben kann ich’s nicht.
Aber mir war ſchon oft, ich ſey verzuͤckt, wenn ich
all’ dieſe Herrlichkeit uͤberſchaute, und ſo, in Ge-
danken vertieft, den Vollmond uͤber mir, dieſer
Wieſe entlang hin und hergieng; oder an einem ſchoͤ-
nen Sommerabend dort jenen Huͤgel beſtieg — die
Sonne ſinken — die Schatten ſteigen ſah — mein
Haͤusgen ſchon in blauer Daͤmmerung ſtand, die
ſchwirrenden Weſte mich umſaͤuſelten — die Voͤgel ihr
ſanftes Abendlied anhuben. Wenn ich dann vollends
bedachte: „Und dieß alles vor dich, armer, ſchul-
„diger Mann„? — Und eine goͤttliche Stimme mir
zu antworten ſchien: „Sohn! dir ſind deine Suͤn-
„den vergeben„. O! wie da mein Herz in ſuͤſſer
Wehmuth zerſchmolz — wie ich dem Strohm mei-
ner Freudenthraͤnen freyen Lauf ließ, und alles rings
um mich her — Himmel und Erde haͤtte umarmen
moͤgen — und noch ſelige Traͤume der folgenden
Nacht mein geſtriges Gluͤck wiederholten.
Seht, meine Lieben! Das iſt meine Geſchichte bis
auf den heutigen Tag. Koͤnftig, ſo der Herr will
und ich lebe, ein Mehrers. Es iſt ein Wirrwarr —
aber eben meine Geſchichte.
Gott verzieh’ mir’s, wo ich, ſelbſt ohne mein Wiſ-
ſen, irgend ein unwahres Wort ſchrieb! —
Jeſu Blut tilge meine Schulden, die ich verhehlte,
und die ich geſtuhnd!
Beßter Vater im Himmel! Dir, und dir allein,
ſey der Reſt meiner Tage geweiht!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |