Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.ich in dem Augenblick wähnte, mit gutem Gewissen ich in dem Augenblick waͤhnte, mit gutem Gewiſſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0055" n="39"/> ich in dem Augenblick waͤhnte, mit gutem Gewiſſen<lb/> weg; ohne Zweifel weil mir ſeine zierliche Federn vorzuͤg-<lb/> lich wohl gefielen. Aber, ſobald mir der Vater ſagte:<lb/> Das heiſſe auch geſtohlen, waint’ ich bitterlich — und<lb/> hatte dießmal recht — und trug das Aeschen Mor-<lb/> gens darauf in aller Fruͤhe wieder an ſein Ort. Doch<lb/> behielt ich etliche von den ſchoͤnſten Federn; aber<lb/> auch dieſes koſtete mich noch ziemlich Ueberwindung.<lb/> Doch dacht’ ich: Die Federn ſind nun ausgerupft;<lb/> wenn du’s ſchon auch hintraͤgſt, ſo verblaſt ſie der<lb/> Wind; und dem Mann nuͤtzen ſie ſo nichts. — Bis-<lb/> weilen fieng ich wieder an zu jauchzen und zu jolen,<lb/> und trollte aufs neue ſorglos uͤber alle Berge. Dann<lb/> dacht’ ich: So Alles Alles verlaͤugnen, bis auf<lb/> meine ſelbſtgeſchnitzelten hoͤlzernen Kuͤhe — wie ich<lb/> mir damals den rechten Chriſtenſinn ganz buchſtaͤb-<lb/> lich vorſtellte — ſey doch ein traurig elendes Ding.<lb/> Indeſſen wurde der <hi rendition="#fr">Kohlwald</hi> von den immer zu-<lb/> nehmenden Gaiſſen uͤbertrieben; die Roſſe die man<lb/> auf den fettern Grasplaͤtzen waiden ließ bisweilen<lb/> von den Gaiſſenbuben verfolgt, geſprengt u. d. g.<lb/> Einmal legten die Burſche ihnen Neſſeln unter die<lb/> Schwaͤnze; ein Paar ſtuͤrzten ſich im Lauf uͤber einen<lb/> Felſen zu tod. Es gab ſchwere Haͤndel, und das<lb/> Huͤthen im <hi rendition="#fr">Kohlwald</hi> wurde gaͤnzlich verboten. Ich<lb/> huͤthete darauf noch eine Weile auf unſerm eignen<lb/> Gut. Dann loͤſte mich mein Bruder ab. Und ſo<lb/> nahm mein Hirtenſtand ein Ende.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [39/0055]
ich in dem Augenblick waͤhnte, mit gutem Gewiſſen
weg; ohne Zweifel weil mir ſeine zierliche Federn vorzuͤg-
lich wohl gefielen. Aber, ſobald mir der Vater ſagte:
Das heiſſe auch geſtohlen, waint’ ich bitterlich — und
hatte dießmal recht — und trug das Aeschen Mor-
gens darauf in aller Fruͤhe wieder an ſein Ort. Doch
behielt ich etliche von den ſchoͤnſten Federn; aber
auch dieſes koſtete mich noch ziemlich Ueberwindung.
Doch dacht’ ich: Die Federn ſind nun ausgerupft;
wenn du’s ſchon auch hintraͤgſt, ſo verblaſt ſie der
Wind; und dem Mann nuͤtzen ſie ſo nichts. — Bis-
weilen fieng ich wieder an zu jauchzen und zu jolen,
und trollte aufs neue ſorglos uͤber alle Berge. Dann
dacht’ ich: So Alles Alles verlaͤugnen, bis auf
meine ſelbſtgeſchnitzelten hoͤlzernen Kuͤhe — wie ich
mir damals den rechten Chriſtenſinn ganz buchſtaͤb-
lich vorſtellte — ſey doch ein traurig elendes Ding.
Indeſſen wurde der Kohlwald von den immer zu-
nehmenden Gaiſſen uͤbertrieben; die Roſſe die man
auf den fettern Grasplaͤtzen waiden ließ bisweilen
von den Gaiſſenbuben verfolgt, geſprengt u. d. g.
Einmal legten die Burſche ihnen Neſſeln unter die
Schwaͤnze; ein Paar ſtuͤrzten ſich im Lauf uͤber einen
Felſen zu tod. Es gab ſchwere Haͤndel, und das
Huͤthen im Kohlwald wurde gaͤnzlich verboten. Ich
huͤthete darauf noch eine Weile auf unſerm eignen
Gut. Dann loͤſte mich mein Bruder ab. Und ſo
nahm mein Hirtenſtand ein Ende.
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