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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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ders kam mir gewiß nicht der Sinn. An den ge-
dachten Sonntagen zu Abend machten wir -- denn
es gab da junger Bursche genug -- mit einander Bunt-
reihen, Kettenschleuffen, Hatersieden, Schühle ver-
bergen, u. s. f. Ich war wie in einer neuen Welt;
nicht mehr ein Eremit wie im Dreyschlatt. Nun
merkt ich zwar, daß mich Aennchen wohl leiden
mocht'; dacht' indessen, sie würd' sonst schon ihre
Liebsten haben. Einst aber hatte meine Mutter die
Schwachheit, mir, und zwar als wenn sie stolz drauf
wäre, zu sagen: Aennchen sehe mich gern. Dieser
Bericht rannte mir wie ein Feuer durch alle Glie-
der. Bisher hielt ich dafür, meine Eltern würden's
nicht zugeben, daß ich noch so jung nur die geringste
Bekanntschaft mit einem fremden Mädchen hätte.
Itzt aber (so wichtig ist es, die Menschen in nützli-
chen Meinungen auch nur durch kein unvorsichtiges
Wort irre zu machen!) merkt' ich's meiner Mutter
deutlich an, daß ich so etwas schon wagen dürfte.
Indessen that ich wohl nicht dergleichen; aber meine
innre Freud' war nur desto grösser, daß man mir
itzt selbst die Thür aufgethan, unter das junge lusti-
ge Volk zu wandeln. Von dieser Zeit an, versteht
sich's, schnitt' ich bey allen Anlässen Aennchen ein
entschieden freundlich Gesichtgen; aber daß ich ihr
mit Worten etwas von Liebe sagen durfte -- o um
aller Welt Gut willen hätt' ich dazu nicht Herz ge-
habt. Einst erhielt ich Erlaubniß auf den Pfingst-
Jahrmarkt zu gehn: Da sann ich lang hin und her,
ob ich sie auf's Rathhaus zum Wein führen dürfe?

ders kam mir gewiß nicht der Sinn. An den ge-
dachten Sonntagen zu Abend machten wir — denn
es gab da junger Burſche genug — mit einander Bunt-
reihen, Kettenſchleuffen, Haterſieden, Schuͤhle ver-
bergen, u. ſ. f. Ich war wie in einer neuen Welt;
nicht mehr ein Eremit wie im Dreyſchlatt. Nun
merkt ich zwar, daß mich Aennchen wohl leiden
mocht’; dacht’ indeſſen, ſie wuͤrd’ ſonſt ſchon ihre
Liebſten haben. Einſt aber hatte meine Mutter die
Schwachheit, mir, und zwar als wenn ſie ſtolz drauf
waͤre, zu ſagen: Aennchen ſehe mich gern. Dieſer
Bericht rannte mir wie ein Feuer durch alle Glie-
der. Bisher hielt ich dafuͤr, meine Eltern wuͤrden’s
nicht zugeben, daß ich noch ſo jung nur die geringſte
Bekanntſchaft mit einem fremden Maͤdchen haͤtte.
Itzt aber (ſo wichtig iſt es, die Menſchen in nuͤtzli-
chen Meinungen auch nur durch kein unvorſichtiges
Wort irre zu machen!) merkt’ ich’s meiner Mutter
deutlich an, daß ich ſo etwas ſchon wagen duͤrfte.
Indeſſen that ich wohl nicht dergleichen; aber meine
innre Freud’ war nur deſto groͤſſer, daß man mir
itzt ſelbſt die Thuͤr aufgethan, unter das junge luſti-
ge Volk zu wandeln. Von dieſer Zeit an, verſteht
ſich’s, ſchnitt’ ich bey allen Anlaͤſſen Aennchen ein
entſchieden freundlich Geſichtgen; aber daß ich ihr
mit Worten etwas von Liebe ſagen durfte — o um
aller Welt Gut willen haͤtt’ ich dazu nicht Herz ge-
habt. Einſt erhielt ich Erlaubniß auf den Pfingſt-
Jahrmarkt zu gehn: Da ſann ich lang hin und her,
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[61/0077] ders kam mir gewiß nicht der Sinn. An den ge- dachten Sonntagen zu Abend machten wir — denn es gab da junger Burſche genug — mit einander Bunt- reihen, Kettenſchleuffen, Haterſieden, Schuͤhle ver- bergen, u. ſ. f. Ich war wie in einer neuen Welt; nicht mehr ein Eremit wie im Dreyſchlatt. Nun merkt ich zwar, daß mich Aennchen wohl leiden mocht’; dacht’ indeſſen, ſie wuͤrd’ ſonſt ſchon ihre Liebſten haben. Einſt aber hatte meine Mutter die Schwachheit, mir, und zwar als wenn ſie ſtolz drauf waͤre, zu ſagen: Aennchen ſehe mich gern. Dieſer Bericht rannte mir wie ein Feuer durch alle Glie- der. Bisher hielt ich dafuͤr, meine Eltern wuͤrden’s nicht zugeben, daß ich noch ſo jung nur die geringſte Bekanntſchaft mit einem fremden Maͤdchen haͤtte. Itzt aber (ſo wichtig iſt es, die Menſchen in nuͤtzli- chen Meinungen auch nur durch kein unvorſichtiges Wort irre zu machen!) merkt’ ich’s meiner Mutter deutlich an, daß ich ſo etwas ſchon wagen duͤrfte. Indeſſen that ich wohl nicht dergleichen; aber meine innre Freud’ war nur deſto groͤſſer, daß man mir itzt ſelbſt die Thuͤr aufgethan, unter das junge luſti- ge Volk zu wandeln. Von dieſer Zeit an, verſteht ſich’s, ſchnitt’ ich bey allen Anlaͤſſen Aennchen ein entſchieden freundlich Geſichtgen; aber daß ich ihr mit Worten etwas von Liebe ſagen durfte — o um aller Welt Gut willen haͤtt’ ich dazu nicht Herz ge- habt. Einſt erhielt ich Erlaubniß auf den Pfingſt- Jahrmarkt zu gehn: Da ſann ich lang hin und her, ob ich ſie auf’s Rathhaus zum Wein fuͤhren duͤrfe?

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/77>, abgerufen am 21.11.2024.