Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

stolperte noch eine Weile von einer Ecke in die andre,
und machte mich endlich, wie alle übrigen, auf den
Heimweg. Ohne Zweifel daß Aennchen auf mich
Acht gegeben. Einmal nahe beym Dorf kam sie hin-
ter mir drein: "Uli! Uli! Jetzt sind wir allein.
"Komm' noch mit mir zu des Seppen, und zahl
"mir eine Halbe"! "Wo du willst", sagt' ich;
und damit setzten wir ein Paar Minuten stillschwei-
gend unsre Strasse fort. "Aennchen! Aennchen"!
hob ich dann wieder an: "Ich muß dir's nur grad
"sagen, ich hab kein Geld. Der Aeti giebt mir
"keins in Sack, als etwa zu einem Schöpplein;
"und das hab' ich schon im Städtlin verbutzt. Glaub'
"mir's ich wollt' herzlich gern -- und dich dann heim-
"geleiten! O! Aber da müßt' ich dann wieder mei-
"neu Vater fürchten. Gwüß, Aennchen! s'wär
"das erstemal. Noch nie hätt' ich mich unterstan-
"den, ein Mädle zum Wein zu führen; und jetzt,
"wie gern ich's möcht', und auf Gottes Welt keine
"lieber als dich -- bitte bitte, glaub mir's kann und
"darf ich's nicht. Gwüß ein andermal, wenn du
"mir nur wart'st, bis ich darf und Geld hab'".
"Ep Possen, Närrlin"! versetzte Aennchen: "Dein
"Vater sagt nichts; und bey der Mutter will Ich's
"verantworten -- weiß schon, wo der Haas lauft.
"Geld? Mit samt dem Geld! 's ist mir nicht um's
"Trincken, und nicht um's Geld. Da" (und griff
ins Säcklin) "hier hast du, glaub' ich, gnug zu
"zahlen, wie's der Brauch ist. Mir wär's Ein
"Ding; Ich wollt' lieber für Dich zahlen, wenn's

ſtolperte noch eine Weile von einer Ecke in die andre,
und machte mich endlich, wie alle uͤbrigen, auf den
Heimweg. Ohne Zweifel daß Aennchen auf mich
Acht gegeben. Einmal nahe beym Dorf kam ſie hin-
ter mir drein: „Uli! Uli! Jetzt ſind wir allein.
„Komm’ noch mit mir zu des Seppen, und zahl
„mir eine Halbe„! „Wo du willſt„, ſagt’ ich;
und damit ſetzten wir ein Paar Minuten ſtillſchwei-
gend unſre Straſſe fort. „Aennchen! Aennchen„!
hob ich dann wieder an: „Ich muß dir’s nur grad
„ſagen, ich hab kein Geld. Der Aeti giebt mir
„keins in Sack, als etwa zu einem Schoͤpplein;
„und das hab’ ich ſchon im Staͤdtlin verbutzt. Glaub’
„mir’s ich wollt’ herzlich gern — und dich dann heim-
„geleiten! O! Aber da muͤßt’ ich dann wieder mei-
„neu Vater fuͤrchten. Gwuͤß, Aennchen! s’waͤr
„das erſtemal. Noch nie haͤtt’ ich mich unterſtan-
„den, ein Maͤdle zum Wein zu fuͤhren; und jetzt,
„wie gern ich’s moͤcht’, und auf Gottes Welt keine
„lieber als dich — bitte bitte, glaub mir’s kann und
„darf ich’s nicht. Gwuͤß ein andermal, wenn du
„mir nur wart’ſt, bis ich darf und Geld hab’„.
„Ep Poſſen, Naͤrrlin„! verſetzte Aennchen: „Dein
„Vater ſagt nichts; und bey der Mutter will Ich’s
„verantworten — weiß ſchon, wo der Haas lauft.
„Geld? Mit ſamt dem Geld! ’s iſt mir nicht um’s
„Trincken, und nicht um’s Geld. Da„ (und griff
ins Saͤcklin) „hier haſt du, glaub’ ich, gnug zu
„zahlen, wie’s der Brauch iſt. Mir waͤr’s Ein
„Ding; Ich wollt’ lieber fuͤr Dich zahlen, wenn’s

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="63"/>
&#x017F;tolperte noch eine Weile von einer Ecke in die andre,<lb/>
und machte mich endlich, wie alle u&#x0364;brigen, auf den<lb/>
Heimweg. Ohne Zweifel daß <hi rendition="#fr">Aennchen</hi> auf mich<lb/>
Acht gegeben. Einmal nahe beym Dorf kam &#x017F;ie hin-<lb/>
ter mir drein: &#x201E;<hi rendition="#fr">Uli! Uli!</hi> Jetzt &#x017F;ind wir allein.<lb/>
&#x201E;Komm&#x2019; noch mit mir zu des <hi rendition="#fr">Seppen,</hi> und zahl<lb/>
&#x201E;mir eine Halbe&#x201E;! &#x201E;Wo du will&#x017F;t&#x201E;, &#x017F;agt&#x2019; ich;<lb/>
und damit &#x017F;etzten wir ein Paar Minuten &#x017F;till&#x017F;chwei-<lb/>
gend un&#x017F;re Stra&#x017F;&#x017F;e fort. &#x201E;<hi rendition="#fr">Aennchen! Aennchen</hi>&#x201E;!<lb/>
hob ich dann wieder an: &#x201E;Ich muß dir&#x2019;s nur grad<lb/>
&#x201E;&#x017F;agen, ich hab kein Geld. Der Aeti giebt mir<lb/>
&#x201E;keins in Sack, als etwa zu einem Scho&#x0364;pplein;<lb/>
&#x201E;und das hab&#x2019; ich &#x017F;chon im Sta&#x0364;dtlin verbutzt. Glaub&#x2019;<lb/>
&#x201E;mir&#x2019;s ich wollt&#x2019; herzlich gern &#x2014; und dich dann heim-<lb/>
&#x201E;geleiten! O! Aber da mu&#x0364;ßt&#x2019; ich dann wieder mei-<lb/>
&#x201E;neu Vater fu&#x0364;rchten. Gwu&#x0364;ß, <hi rendition="#fr">Aennchen!</hi> s&#x2019;wa&#x0364;r<lb/>
&#x201E;das er&#x017F;temal. Noch nie ha&#x0364;tt&#x2019; ich mich unter&#x017F;tan-<lb/>
&#x201E;den, ein Ma&#x0364;dle zum Wein zu fu&#x0364;hren; und jetzt,<lb/>
&#x201E;wie gern ich&#x2019;s mo&#x0364;cht&#x2019;, und auf Gottes Welt keine<lb/>
&#x201E;lieber als dich &#x2014; bitte bitte, glaub mir&#x2019;s kann und<lb/>
&#x201E;darf ich&#x2019;s nicht. Gwu&#x0364;ß ein andermal, wenn du<lb/>
&#x201E;mir nur wart&#x2019;&#x017F;t, bis ich darf und Geld hab&#x2019;&#x201E;.<lb/>
&#x201E;Ep Po&#x017F;&#x017F;en, Na&#x0364;rrlin&#x201E;! ver&#x017F;etzte <hi rendition="#fr">Aennchen:</hi> &#x201E;Dein<lb/>
&#x201E;Vater &#x017F;agt nichts; und bey der Mutter will Ich&#x2019;s<lb/>
&#x201E;verantworten &#x2014; weiß &#x017F;chon, wo der Haas lauft.<lb/>
&#x201E;Geld? Mit &#x017F;amt dem Geld! &#x2019;s i&#x017F;t mir nicht um&#x2019;s<lb/>
&#x201E;Trincken, und nicht um&#x2019;s Geld. Da&#x201E; (und griff<lb/>
ins Sa&#x0364;cklin) &#x201E;hier ha&#x017F;t du, glaub&#x2019; ich, gnug zu<lb/>
&#x201E;zahlen, wie&#x2019;s der Brauch i&#x017F;t. Mir wa&#x0364;r&#x2019;s Ein<lb/>
&#x201E;Ding; Ich wollt&#x2019; lieber fu&#x0364;r Dich zahlen, wenn&#x2019;s<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0079] ſtolperte noch eine Weile von einer Ecke in die andre, und machte mich endlich, wie alle uͤbrigen, auf den Heimweg. Ohne Zweifel daß Aennchen auf mich Acht gegeben. Einmal nahe beym Dorf kam ſie hin- ter mir drein: „Uli! Uli! Jetzt ſind wir allein. „Komm’ noch mit mir zu des Seppen, und zahl „mir eine Halbe„! „Wo du willſt„, ſagt’ ich; und damit ſetzten wir ein Paar Minuten ſtillſchwei- gend unſre Straſſe fort. „Aennchen! Aennchen„! hob ich dann wieder an: „Ich muß dir’s nur grad „ſagen, ich hab kein Geld. Der Aeti giebt mir „keins in Sack, als etwa zu einem Schoͤpplein; „und das hab’ ich ſchon im Staͤdtlin verbutzt. Glaub’ „mir’s ich wollt’ herzlich gern — und dich dann heim- „geleiten! O! Aber da muͤßt’ ich dann wieder mei- „neu Vater fuͤrchten. Gwuͤß, Aennchen! s’waͤr „das erſtemal. Noch nie haͤtt’ ich mich unterſtan- „den, ein Maͤdle zum Wein zu fuͤhren; und jetzt, „wie gern ich’s moͤcht’, und auf Gottes Welt keine „lieber als dich — bitte bitte, glaub mir’s kann und „darf ich’s nicht. Gwuͤß ein andermal, wenn du „mir nur wart’ſt, bis ich darf und Geld hab’„. „Ep Poſſen, Naͤrrlin„! verſetzte Aennchen: „Dein „Vater ſagt nichts; und bey der Mutter will Ich’s „verantworten — weiß ſchon, wo der Haas lauft. „Geld? Mit ſamt dem Geld! ’s iſt mir nicht um’s „Trincken, und nicht um’s Geld. Da„ (und griff ins Saͤcklin) „hier haſt du, glaub’ ich, gnug zu „zahlen, wie’s der Brauch iſt. Mir waͤr’s Ein „Ding; Ich wollt’ lieber fuͤr Dich zahlen, wenn’s

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/79
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/79>, abgerufen am 18.12.2024.