Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

"sind noch kaum ein Jahr fort, und kommen schon
"wie ganze Herren neumontirt, mit goldbordirten Hüten
"heim, sich zu zeigen, und wurden um kein Geld
"mehr hie zu Land bleiben". "Ha"! sagte mein
Vater: "Aber meine Buben sind dazu viel zu läp-
"pisch und ungeschickt; des Hans Joggelis hinge-
"gen witzig und wohlgeschult; können lesen, schrei-
"ben, singen und geigen. Meine sind pur lauter
"Narren in Vergleichung; sie stehen wo man's stellt,
"und thun's Maul auf". "Behüte Gott"! ver-
setzte Laurenz, "must das nicht sagen, Hans!
"Sie wären gwiß wohl zu brauchen; sonderlich
"der grosse da ist wohl gewachsen, kann ja auch
"lesen und schreiben, und ist sicher kein Stockfisch --
"seh's ihm wohl an. Potz Wetter! wenn der recht
"getummelt wird, das gäb' ein Kerl. Würdst die
"Augen aufsperren! Hans, ich will dir Mann da-
"für seyn, daß er nach Jahr und Tag heimkommt
"gestiefelt und gespornt, und Geld hat wie Hünd,
"daß es dir ein' Ehr' und Freud' seyn soll". Wäh-
rend diesem Gespräch sperrt' ich Maul und Augen
auf, guckte dem Vater ins Gesicht; und er mir,
und sprach: "Was meinst, Uli"? Aber eh' ich
antworten konnte, fuhr Laurenz fort: "Potz Ha-
"gel! wenn ich noch so jung wär', und's Maul
"voll hübsche Zähn hätte, wie du, das ganze Tocken-
"burg
mit allen seinen Stricken und Seilern soll-
"ten mich nicht im Land behalten. Ich bin auch

„ſind noch kaum ein Jahr fort, und kommen ſchon
„wie ganze Herren neumontirt, mit goldbordirten Huͤten
„heim, ſich zu zeigen, und wurden um kein Geld
„mehr hie zu Land bleiben„. „Ha„! ſagte mein
Vater: „Aber meine Buben ſind dazu viel zu laͤp-
„piſch und ungeſchickt; des Hans Joggelis hinge-
„gen witzig und wohlgeſchult; koͤnnen leſen, ſchrei-
„ben, ſingen und geigen. Meine ſind pur lauter
„Narren in Vergleichung; ſie ſtehen wo man’s ſtellt,
„und thun’s Maul auf„. „Behuͤte Gott„! ver-
ſetzte Laurenz, „muſt das nicht ſagen, Hans!
„Sie waͤren gwiß wohl zu brauchen; ſonderlich
„der groſſe da iſt wohl gewachſen, kann ja auch
„leſen und ſchreiben, und iſt ſicher kein Stockfiſch —
„ſeh’s ihm wohl an. Potz Wetter! wenn der recht
„getummelt wird, das gaͤb’ ein Kerl. Wuͤrdſt die
„Augen aufſperren! Hans, ich will dir Mann da-
„fuͤr ſeyn, daß er nach Jahr und Tag heimkommt
„geſtiefelt und geſpornt, und Geld hat wie Huͤnd,
„daß es dir ein’ Ehr’ und Freud’ ſeyn ſoll„. Waͤh-
rend dieſem Geſpraͤch ſperrt’ ich Maul und Augen
auf, guckte dem Vater ins Geſicht; und er mir,
und ſprach: „Was meinſt, Uli„? Aber eh’ ich
antworten konnte, fuhr Laurenz fort: „Potz Ha-
„gel! wenn ich noch ſo jung waͤr’, und’s Maul
„voll huͤbſche Zaͤhn haͤtte, wie du, das ganze Tocken-
„burg
mit allen ſeinen Stricken und Seilern ſoll-
„ten mich nicht im Land behalten. Ich bin auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0095" n="79"/>
&#x201E;&#x017F;ind noch kaum ein Jahr fort, und kommen &#x017F;chon<lb/>
&#x201E;wie ganze Herren neumontirt, mit goldbordirten Hu&#x0364;ten<lb/>
&#x201E;heim, &#x017F;ich zu zeigen, und wurden um kein Geld<lb/>
&#x201E;mehr hie zu Land bleiben&#x201E;. &#x201E;Ha&#x201E;! &#x017F;agte mein<lb/>
Vater: &#x201E;Aber meine Buben &#x017F;ind dazu viel zu la&#x0364;p-<lb/>
&#x201E;pi&#x017F;ch und unge&#x017F;chickt; des <hi rendition="#fr">Hans Joggelis</hi> hinge-<lb/>
&#x201E;gen witzig und wohlge&#x017F;chult; ko&#x0364;nnen le&#x017F;en, &#x017F;chrei-<lb/>
&#x201E;ben, &#x017F;ingen und geigen. Meine &#x017F;ind pur lauter<lb/>
&#x201E;Narren in Vergleichung; &#x017F;ie &#x017F;tehen wo man&#x2019;s &#x017F;tellt,<lb/>
&#x201E;und thun&#x2019;s Maul auf&#x201E;. &#x201E;Behu&#x0364;te Gott&#x201E;! ver-<lb/>
&#x017F;etzte <hi rendition="#fr">Laurenz</hi>, &#x201E;mu&#x017F;t das nicht &#x017F;agen, <hi rendition="#fr">Hans</hi>!<lb/>
&#x201E;Sie wa&#x0364;ren gwiß wohl zu brauchen; &#x017F;onderlich<lb/>
&#x201E;der gro&#x017F;&#x017F;e da i&#x017F;t wohl gewach&#x017F;en, kann ja auch<lb/>
&#x201E;le&#x017F;en und &#x017F;chreiben, und i&#x017F;t &#x017F;icher kein Stockfi&#x017F;ch &#x2014;<lb/>
&#x201E;&#x017F;eh&#x2019;s ihm wohl an. Potz Wetter! wenn der recht<lb/>
&#x201E;getummelt wird, das ga&#x0364;b&#x2019; ein Kerl. Wu&#x0364;rd&#x017F;t die<lb/>
&#x201E;Augen auf&#x017F;perren! <hi rendition="#fr">Hans</hi>, ich will dir Mann da-<lb/>
&#x201E;fu&#x0364;r &#x017F;eyn, daß er nach Jahr und Tag heimkommt<lb/>
&#x201E;ge&#x017F;tiefelt und ge&#x017F;pornt, und Geld hat wie Hu&#x0364;nd,<lb/>
&#x201E;daß es dir ein&#x2019; Ehr&#x2019; und Freud&#x2019; &#x017F;eyn &#x017F;oll&#x201E;. Wa&#x0364;h-<lb/>
rend die&#x017F;em Ge&#x017F;pra&#x0364;ch &#x017F;perrt&#x2019; ich Maul und Augen<lb/>
auf, guckte dem Vater ins Ge&#x017F;icht; und er mir,<lb/>
und &#x017F;prach: &#x201E;Was mein&#x017F;t, <hi rendition="#fr">Uli</hi>&#x201E;? Aber eh&#x2019; ich<lb/>
antworten konnte, fuhr <hi rendition="#fr">Laurenz</hi> fort: &#x201E;Potz Ha-<lb/>
&#x201E;gel! wenn ich noch &#x017F;o jung wa&#x0364;r&#x2019;, und&#x2019;s Maul<lb/>
&#x201E;voll hu&#x0364;b&#x017F;che Za&#x0364;hn ha&#x0364;tte, wie du, das ganze <hi rendition="#fr">Tocken-<lb/>
&#x201E;burg</hi> mit allen &#x017F;einen Stricken und Seilern &#x017F;oll-<lb/>
&#x201E;ten mich nicht im Land behalten. Ich bin auch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0095] „ſind noch kaum ein Jahr fort, und kommen ſchon „wie ganze Herren neumontirt, mit goldbordirten Huͤten „heim, ſich zu zeigen, und wurden um kein Geld „mehr hie zu Land bleiben„. „Ha„! ſagte mein Vater: „Aber meine Buben ſind dazu viel zu laͤp- „piſch und ungeſchickt; des Hans Joggelis hinge- „gen witzig und wohlgeſchult; koͤnnen leſen, ſchrei- „ben, ſingen und geigen. Meine ſind pur lauter „Narren in Vergleichung; ſie ſtehen wo man’s ſtellt, „und thun’s Maul auf„. „Behuͤte Gott„! ver- ſetzte Laurenz, „muſt das nicht ſagen, Hans! „Sie waͤren gwiß wohl zu brauchen; ſonderlich „der groſſe da iſt wohl gewachſen, kann ja auch „leſen und ſchreiben, und iſt ſicher kein Stockfiſch — „ſeh’s ihm wohl an. Potz Wetter! wenn der recht „getummelt wird, das gaͤb’ ein Kerl. Wuͤrdſt die „Augen aufſperren! Hans, ich will dir Mann da- „fuͤr ſeyn, daß er nach Jahr und Tag heimkommt „geſtiefelt und geſpornt, und Geld hat wie Huͤnd, „daß es dir ein’ Ehr’ und Freud’ ſeyn ſoll„. Waͤh- rend dieſem Geſpraͤch ſperrt’ ich Maul und Augen auf, guckte dem Vater ins Geſicht; und er mir, und ſprach: „Was meinſt, Uli„? Aber eh’ ich antworten konnte, fuhr Laurenz fort: „Potz Ha- „gel! wenn ich noch ſo jung waͤr’, und’s Maul „voll huͤbſche Zaͤhn haͤtte, wie du, das ganze Tocken- „burg mit allen ſeinen Stricken und Seilern ſoll- „ten mich nicht im Land behalten. Ich bin auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/95
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/95>, abgerufen am 21.11.2024.