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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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von der Mitte und bewirkt, daß die um C bewegliche Röhre mit
ihrem Ende A niedersinkt. Dies läßt sich so erklären. Wenn
beim schnellen Schwunge ein Quecksilbertheilchen und ein Wasser-
theilchen einander berühren, so drückt jedes derselben mit einer
seiner Masse proportionalen Kraft vom Centro abwärts und das
schwerere Quecksilbertheilchen verdrängt also das Wassertheilchen,
bis das Quecksilber den entferntesten Theil der Röhre erreicht hat.

Man pflegt an der Schwungmaschine auch ein Experiment
zu zeigen, welches die Ursache der abgeplatteten Figur der Erde er-
klärt. Die Erde, welche vermöge der Attraction ihrer Theilchen
eine genaue Kugelform annehmen würde, wenn sie ganz aus Was-
ser bestände und keine Bewegung hätte, besitzt, wie Ihnen bekannt
ist, eine Rotations-Bewegung um ihre Axe, und dadurch wird allen
Theilchen eine Schwungkraft ertheilt. Diejenigen Theilchen, die
um den Aequator der Erde liegen, haben, als am schnellsten be-
wegt, die meiste Schwungkraft oder das meiste Bestreben, sich von der
Axe zu entfernen, und obgleich die Anziehungskraft der Erde hindert,
daß die Theilchen sich nicht von der Erde trennen und fortfliegen
können, so wird doch ihre Schwere vermindert, und es drängen
sich mehr Wassertheilchen gegen den Aequator hin, so daß die Erde
einen größern Aequatorealdurchmesser erhält, als sie ohne Dre-
hung haben würde. Aus der Schnelligkeit der Umdrehung würde
sich die sphäroidische Gestalt der Erde berechnen lassen, wenn die
Erde ganz aus Wasser bestände und überall gleich dicht wäre; da
dies nicht der Fall ist, so müssen wir durch Abmessungen der Erde
und durch die Experimente über die in verschiedenen Gegenden un-
gleiche Kraft der Schwere, wovon ich später noch reden werde,
ihre Gestalt kennen lernen. -- Um das nachzuahmen, was hier
die Veränderung der Kugelgestalt in eine sphäroidische bewirkt,
schraubt man auf die Scheibe der Schwungmaschine zwei senkrecht
stehende kreisförmige Messingreifen, die auf ein verticales Stäb-
chen so aufgeschoben sind, daß sie sich daran leicht verschieben lassen.
Die Messingreifen sind Kreise und werden durch ihre Elasticität
in dieser Form erhalten; wenn man sie aber um die durch ihren Mit-
telpunct gehende Axe dreht, so ertheilt man den am meisten von
der Axe entfernten Theilen am meisten Schwungkraft, und daher
platten sich die Reifen, die leicht biegsam sein müssen, so ab,

von der Mitte und bewirkt, daß die um C bewegliche Roͤhre mit
ihrem Ende A niederſinkt. Dies laͤßt ſich ſo erklaͤren. Wenn
beim ſchnellen Schwunge ein Queckſilbertheilchen und ein Waſſer-
theilchen einander beruͤhren, ſo druͤckt jedes derſelben mit einer
ſeiner Maſſe proportionalen Kraft vom Centro abwaͤrts und das
ſchwerere Queckſilbertheilchen verdraͤngt alſo das Waſſertheilchen,
bis das Queckſilber den entfernteſten Theil der Roͤhre erreicht hat.

Man pflegt an der Schwungmaſchine auch ein Experiment
zu zeigen, welches die Urſache der abgeplatteten Figur der Erde er-
klaͤrt. Die Erde, welche vermoͤge der Attraction ihrer Theilchen
eine genaue Kugelform annehmen wuͤrde, wenn ſie ganz aus Waſ-
ſer beſtaͤnde und keine Bewegung haͤtte, beſitzt, wie Ihnen bekannt
iſt, eine Rotations-Bewegung um ihre Axe, und dadurch wird allen
Theilchen eine Schwungkraft ertheilt. Diejenigen Theilchen, die
um den Aequator der Erde liegen, haben, als am ſchnellſten be-
wegt, die meiſte Schwungkraft oder das meiſte Beſtreben, ſich von der
Axe zu entfernen, und obgleich die Anziehungskraft der Erde hindert,
daß die Theilchen ſich nicht von der Erde trennen und fortfliegen
koͤnnen, ſo wird doch ihre Schwere vermindert, und es draͤngen
ſich mehr Waſſertheilchen gegen den Aequator hin, ſo daß die Erde
einen groͤßern Aequatorealdurchmeſſer erhaͤlt, als ſie ohne Dre-
hung haben wuͤrde. Aus der Schnelligkeit der Umdrehung wuͤrde
ſich die ſphaͤroidiſche Geſtalt der Erde berechnen laſſen, wenn die
Erde ganz aus Waſſer beſtaͤnde und uͤberall gleich dicht waͤre; da
dies nicht der Fall iſt, ſo muͤſſen wir durch Abmeſſungen der Erde
und durch die Experimente uͤber die in verſchiedenen Gegenden un-
gleiche Kraft der Schwere, wovon ich ſpaͤter noch reden werde,
ihre Geſtalt kennen lernen. — Um das nachzuahmen, was hier
die Veraͤnderung der Kugelgeſtalt in eine ſphaͤroidiſche bewirkt,
ſchraubt man auf die Scheibe der Schwungmaſchine zwei ſenkrecht
ſtehende kreisfoͤrmige Meſſingreifen, die auf ein verticales Staͤb-
chen ſo aufgeſchoben ſind, daß ſie ſich daran leicht verſchieben laſſen.
Die Meſſingreifen ſind Kreiſe und werden durch ihre Elaſticitaͤt
in dieſer Form erhalten; wenn man ſie aber um die durch ihren Mit-
telpunct gehende Axe dreht, ſo ertheilt man den am meiſten von
der Axe entfernten Theilen am meiſten Schwungkraft, und daher
platten ſich die Reifen, die leicht biegſam ſein muͤſſen, ſo ab,

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[94/0116] von der Mitte und bewirkt, daß die um C bewegliche Roͤhre mit ihrem Ende A niederſinkt. Dies laͤßt ſich ſo erklaͤren. Wenn beim ſchnellen Schwunge ein Queckſilbertheilchen und ein Waſſer- theilchen einander beruͤhren, ſo druͤckt jedes derſelben mit einer ſeiner Maſſe proportionalen Kraft vom Centro abwaͤrts und das ſchwerere Queckſilbertheilchen verdraͤngt alſo das Waſſertheilchen, bis das Queckſilber den entfernteſten Theil der Roͤhre erreicht hat. Man pflegt an der Schwungmaſchine auch ein Experiment zu zeigen, welches die Urſache der abgeplatteten Figur der Erde er- klaͤrt. Die Erde, welche vermoͤge der Attraction ihrer Theilchen eine genaue Kugelform annehmen wuͤrde, wenn ſie ganz aus Waſ- ſer beſtaͤnde und keine Bewegung haͤtte, beſitzt, wie Ihnen bekannt iſt, eine Rotations-Bewegung um ihre Axe, und dadurch wird allen Theilchen eine Schwungkraft ertheilt. Diejenigen Theilchen, die um den Aequator der Erde liegen, haben, als am ſchnellſten be- wegt, die meiſte Schwungkraft oder das meiſte Beſtreben, ſich von der Axe zu entfernen, und obgleich die Anziehungskraft der Erde hindert, daß die Theilchen ſich nicht von der Erde trennen und fortfliegen koͤnnen, ſo wird doch ihre Schwere vermindert, und es draͤngen ſich mehr Waſſertheilchen gegen den Aequator hin, ſo daß die Erde einen groͤßern Aequatorealdurchmeſſer erhaͤlt, als ſie ohne Dre- hung haben wuͤrde. Aus der Schnelligkeit der Umdrehung wuͤrde ſich die ſphaͤroidiſche Geſtalt der Erde berechnen laſſen, wenn die Erde ganz aus Waſſer beſtaͤnde und uͤberall gleich dicht waͤre; da dies nicht der Fall iſt, ſo muͤſſen wir durch Abmeſſungen der Erde und durch die Experimente uͤber die in verſchiedenen Gegenden un- gleiche Kraft der Schwere, wovon ich ſpaͤter noch reden werde, ihre Geſtalt kennen lernen. — Um das nachzuahmen, was hier die Veraͤnderung der Kugelgeſtalt in eine ſphaͤroidiſche bewirkt, ſchraubt man auf die Scheibe der Schwungmaſchine zwei ſenkrecht ſtehende kreisfoͤrmige Meſſingreifen, die auf ein verticales Staͤb- chen ſo aufgeſchoben ſind, daß ſie ſich daran leicht verſchieben laſſen. Die Meſſingreifen ſind Kreiſe und werden durch ihre Elaſticitaͤt in dieſer Form erhalten; wenn man ſie aber um die durch ihren Mit- telpunct gehende Axe dreht, ſo ertheilt man den am meiſten von der Axe entfernten Theilen am meiſten Schwungkraft, und daher platten ſich die Reifen, die leicht biegſam ſein muͤſſen, ſo ab,

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/116>, abgerufen am 24.11.2024.