Zehntel der natürlichen Dichtigkeit gebracht ist, so übt doch die äu- ßere Luft auf jeden Quadratzoll 131/2 Pfund Druck mehr als die innere aus, und wenn die Oeffnung 4 Quadratzolle beträgt, so müßte unsre Hand 54 Pfunde heben, wozu sie nicht im Stande ist. Das Hervordrängen des Blutes in die Gefäße der Haut, welches beim Schröpfen aus ähnlichen Gründen noch auffallender statt fin- det, ist eine Folge der Elasticität der im Innern des Körpers ent- haltenen Luft, welche sich gegen die Oberfläche, die jetzt weniger Druck leidet, hervordrängt. Man hat dieses Hervordrängen des Blutes an den Stellen, wo der Druck der Luft auf die Haut weg- gehoben ist, als ein Mittel, das Gift aus Wunden (z. B. beim Bisse giftiger Thiere) fortzuschaffen, angewandt, und es läßt sich wohl übersehen, daß dieses wirksamer als ein gewöhnliches Aus- saugen sein muß, wenn es früh genug geschieht. Einen ähnlichen Erfolg des verminderten Luftdruckes leiden diejenigen, welche sehr hohe Berge ersteigen, indem sie theils ein Herandrängen des Blutes zu den feinen Aederchen des Auges und dadurch einige Entzündung des Auges empfinden, theils einen Druck im Ohre fühlen, welcher von der im Innern des Ohres enthaltenen Luft herrührt, die nicht so schnell sich mit der äußern Luft ins Gleichgewicht setzen kann.
Dieses Hervordringen der Luft aus dem Innern der Körper zeigt sich unter der Luftpumpe noch bei zahlreichen andern Experi- menten. Wenn man Holz, das an der Luft ausgetrocknet ist, durch ein daran befestigtes Gewicht unter Wasser erhält, und es so im Wasser unter die Glocke der Luftpumpe bringt, so gehen zahl- reiche Luftblasen daraus hervor, sobald man die Luft unter der Glocke verdünnt. Läßt man, nachdem dies einige Zeit fortgesetzt ist, die Luft wieder zu, so füllen sich die vorhin luftvollen Poren des Holzes mit Wasser. Man hat ein diesem Experimente ähnliches Verfahren angewandt, um Tuche beim Färben recht vollkommen durchzufärben. Legt man nämlich das Tuch in die färbende Flüs- sigkeit und bringt es so untergetaucht in den luftleeren Raum, so entwickelt sich alle im Tuche enthaltene Luft, und nach Hinzulas- sung der Luft drängt sich die Flüssigkeit in alle Zwischenräume, wohin sie sonst nicht so leicht gedrungen wäre.
Selbst reines Wasser, wenn es nicht etwa kurz vor dem Ver- suche ausgekocht ist, enthält viel Luft, die man in immer größern
I. R
Zehntel der natuͤrlichen Dichtigkeit gebracht iſt, ſo uͤbt doch die aͤu- ßere Luft auf jeden Quadratzoll 13½ Pfund Druck mehr als die innere aus, und wenn die Oeffnung 4 Quadratzolle betraͤgt, ſo muͤßte unſre Hand 54 Pfunde heben, wozu ſie nicht im Stande iſt. Das Hervordraͤngen des Blutes in die Gefaͤße der Haut, welches beim Schroͤpfen aus aͤhnlichen Gruͤnden noch auffallender ſtatt fin- det, iſt eine Folge der Elaſticitaͤt der im Innern des Koͤrpers ent- haltenen Luft, welche ſich gegen die Oberflaͤche, die jetzt weniger Druck leidet, hervordraͤngt. Man hat dieſes Hervordraͤngen des Blutes an den Stellen, wo der Druck der Luft auf die Haut weg- gehoben iſt, als ein Mittel, das Gift aus Wunden (z. B. beim Biſſe giftiger Thiere) fortzuſchaffen, angewandt, und es laͤßt ſich wohl uͤberſehen, daß dieſes wirkſamer als ein gewoͤhnliches Aus- ſaugen ſein muß, wenn es fruͤh genug geſchieht. Einen aͤhnlichen Erfolg des verminderten Luftdruckes leiden diejenigen, welche ſehr hohe Berge erſteigen, indem ſie theils ein Herandraͤngen des Blutes zu den feinen Aederchen des Auges und dadurch einige Entzuͤndung des Auges empfinden, theils einen Druck im Ohre fuͤhlen, welcher von der im Innern des Ohres enthaltenen Luft herruͤhrt, die nicht ſo ſchnell ſich mit der aͤußern Luft ins Gleichgewicht ſetzen kann.
Dieſes Hervordringen der Luft aus dem Innern der Koͤrper zeigt ſich unter der Luftpumpe noch bei zahlreichen andern Experi- menten. Wenn man Holz, das an der Luft ausgetrocknet iſt, durch ein daran befeſtigtes Gewicht unter Waſſer erhaͤlt, und es ſo im Waſſer unter die Glocke der Luftpumpe bringt, ſo gehen zahl- reiche Luftblaſen daraus hervor, ſobald man die Luft unter der Glocke verduͤnnt. Laͤßt man, nachdem dies einige Zeit fortgeſetzt iſt, die Luft wieder zu, ſo fuͤllen ſich die vorhin luftvollen Poren des Holzes mit Waſſer. Man hat ein dieſem Experimente aͤhnliches Verfahren angewandt, um Tuche beim Faͤrben recht vollkommen durchzufaͤrben. Legt man naͤmlich das Tuch in die faͤrbende Fluͤſ- ſigkeit und bringt es ſo untergetaucht in den luftleeren Raum, ſo entwickelt ſich alle im Tuche enthaltene Luft, und nach Hinzulaſ- ſung der Luft draͤngt ſich die Fluͤſſigkeit in alle Zwiſchenraͤume, wohin ſie ſonſt nicht ſo leicht gedrungen waͤre.
Selbſt reines Waſſer, wenn es nicht etwa kurz vor dem Ver- ſuche ausgekocht iſt, enthaͤlt viel Luft, die man in immer groͤßern
I. R
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Zehntel der natuͤrlichen Dichtigkeit gebracht iſt, ſo uͤbt doch die aͤu-
ßere Luft auf jeden Quadratzoll 13½ Pfund Druck mehr als die
innere aus, und wenn die Oeffnung 4 Quadratzolle betraͤgt, ſo
muͤßte unſre Hand 54 Pfunde heben, wozu ſie nicht im Stande iſt.
Das Hervordraͤngen des Blutes in die Gefaͤße der Haut, welches
beim Schroͤpfen aus aͤhnlichen Gruͤnden noch auffallender ſtatt fin-
det, iſt eine Folge der Elaſticitaͤt der im Innern des Koͤrpers ent-
haltenen Luft, welche ſich gegen die Oberflaͤche, die jetzt weniger
Druck leidet, hervordraͤngt. Man hat dieſes Hervordraͤngen des
Blutes an den Stellen, wo der Druck der Luft auf die Haut weg-
gehoben iſt, als ein Mittel, das Gift aus Wunden (z. B. beim
Biſſe giftiger Thiere) fortzuſchaffen, angewandt, und es laͤßt ſich
wohl uͤberſehen, daß dieſes wirkſamer als ein gewoͤhnliches Aus-
ſaugen ſein muß, wenn es fruͤh genug geſchieht. Einen aͤhnlichen
Erfolg des verminderten Luftdruckes leiden diejenigen, welche ſehr
hohe Berge erſteigen, indem ſie theils ein Herandraͤngen des Blutes
zu den feinen Aederchen des Auges und dadurch einige Entzuͤndung
des Auges empfinden, theils einen Druck im Ohre fuͤhlen, welcher
von der im Innern des Ohres enthaltenen Luft herruͤhrt, die nicht
ſo ſchnell ſich mit der aͤußern Luft ins Gleichgewicht ſetzen kann.
Dieſes Hervordringen der Luft aus dem Innern der Koͤrper
zeigt ſich unter der Luftpumpe noch bei zahlreichen andern Experi-
menten. Wenn man Holz, das an der Luft ausgetrocknet iſt,
durch ein daran befeſtigtes Gewicht unter Waſſer erhaͤlt, und es
ſo im Waſſer unter die Glocke der Luftpumpe bringt, ſo gehen zahl-
reiche Luftblaſen daraus hervor, ſobald man die Luft unter der
Glocke verduͤnnt. Laͤßt man, nachdem dies einige Zeit fortgeſetzt iſt,
die Luft wieder zu, ſo fuͤllen ſich die vorhin luftvollen Poren des
Holzes mit Waſſer. Man hat ein dieſem Experimente aͤhnliches
Verfahren angewandt, um Tuche beim Faͤrben recht vollkommen
durchzufaͤrben. Legt man naͤmlich das Tuch in die faͤrbende Fluͤſ-
ſigkeit und bringt es ſo untergetaucht in den luftleeren Raum, ſo
entwickelt ſich alle im Tuche enthaltene Luft, und nach Hinzulaſ-
ſung der Luft draͤngt ſich die Fluͤſſigkeit in alle Zwiſchenraͤume, wohin
ſie ſonſt nicht ſo leicht gedrungen waͤre.
Selbſt reines Waſſer, wenn es nicht etwa kurz vor dem Ver-
ſuche ausgekocht iſt, enthaͤlt viel Luft, die man in immer groͤßern
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/279>, abgerufen am 22.11.2024.
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