Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

dünnem Bleche, völlig luftleer gemacht, allenfalls dem Zwecke ent-
sprechen könnte. Erst Montgolfier faßte vor nun bald 50 Jah-
ren den Gedanken auf, daß ja Rauch in der Luft aufsteige, oder
wie ich es lieber, den Ansichten der Erfinder vorgreifend, ausdrücken
will, daß warme Luft bei sehr vermindertem specifischen Gewichte
ebenso viel Elasticität, als kältere, beträchtlich schwerere Luft besitze,
und daß daher warme Luft in leichte Häute oder andre Hüllen ein-
geschlossen, dem Zusammendrücken durch die äußere Luft widerste-
hen, und doch zum Aufsteigen wohl leicht genug sein könne. So
entstanden die ersten Aerostaten oder Luftbälle, indem die Brüder
Montgolfier einen mit erhitzter Luft gefüllten Ballon von
35 Fuß Durchmesser nicht bloß zum Steigen brachten, sondern auch
ein erhebliches Gewicht mit demselben in die Luft hinaufheben ließen.

Aber dieser unvollkommene Anfang der Aeronautik gab bald Ver-
anlassung zu einer bessern Einrichtung. Die Physiker hatten kürzlich
erst die künstlichen Luft-Arten und die Mittel, sie bequem aufzufan-
gen und näher zu untersuchen, kennen gelernt, und unter diesen Luft-
Arten zeichnete das brennbare Gas, das Hydrogengas, sich als eine
sehr leichte Luft-Art, die bei gleicher Elasticität wie die natürliche
Luft ein sehr geringes Gewicht hat, aus. Charles in Paris machte
daher den Versuch, diese Luft-Art in Ballons von dünner Materie
einzuschließen, und brachte so diejenigen Luftballons zu Stande, die
sich nachher als die brauchbarsten bewährt haben. Diese Luft-Art
ist, selbst wenn man sie nicht vollkommen frei von atmosphärischer
Luft erhalten kann, doch immer nur 1/4 oder 1/6 so schwer als atmo-
sphärische Luft, und man erhält daher, weil sie in dünne Umhüllun-
gen eingeschlossen werden kann, selbst bei einer ziemlich mäßigen
Größe, Steigekraft genug, um sehr bedeutende Lasten zu heben.
In der ersten Zeit der Luftschiffkunst, nachdem man die Möglichkeit,
ohne Gefahr sich in die Luft zu erheben, kennen gelernt hatte, suchte
man durch sehr große Luftballons den Zweck, recht große Lasten zu
heben, zu erreichen. So verfertigten Pilatre de Rozier und
Montgolfier eine Maschine von 126 Fuß hoch und 102 Fuß
im Durchmesser, mit welcher 6 Personen sich in die Luft erhoben.

Ich habe nicht nöthig, Ihnen das Erstaunen zu schildern, mit
welchem alle Menschen den neuen Anblick eines die Luft Durch-
schiffens betrachteten; denn wer sollte nicht das höchst überraschende

I. S

duͤnnem Bleche, voͤllig luftleer gemacht, allenfalls dem Zwecke ent-
ſprechen koͤnnte. Erſt Montgolfier faßte vor nun bald 50 Jah-
ren den Gedanken auf, daß ja Rauch in der Luft aufſteige, oder
wie ich es lieber, den Anſichten der Erfinder vorgreifend, ausdruͤcken
will, daß warme Luft bei ſehr vermindertem ſpecifiſchen Gewichte
ebenſo viel Elaſticitaͤt, als kaͤltere, betraͤchtlich ſchwerere Luft beſitze,
und daß daher warme Luft in leichte Haͤute oder andre Huͤllen ein-
geſchloſſen, dem Zuſammendruͤcken durch die aͤußere Luft widerſte-
hen, und doch zum Aufſteigen wohl leicht genug ſein koͤnne. So
entſtanden die erſten Aëroſtaten oder Luftbaͤlle, indem die Bruͤder
Montgolfier einen mit erhitzter Luft gefuͤllten Ballon von
35 Fuß Durchmeſſer nicht bloß zum Steigen brachten, ſondern auch
ein erhebliches Gewicht mit demſelben in die Luft hinaufheben ließen.

Aber dieſer unvollkommene Anfang der Aëronautik gab bald Ver-
anlaſſung zu einer beſſern Einrichtung. Die Phyſiker hatten kuͤrzlich
erſt die kuͤnſtlichen Luft-Arten und die Mittel, ſie bequem aufzufan-
gen und naͤher zu unterſuchen, kennen gelernt, und unter dieſen Luft-
Arten zeichnete das brennbare Gas, das Hydrogengas, ſich als eine
ſehr leichte Luft-Art, die bei gleicher Elaſticitaͤt wie die natuͤrliche
Luft ein ſehr geringes Gewicht hat, aus. Charles in Paris machte
daher den Verſuch, dieſe Luft-Art in Ballons von duͤnner Materie
einzuſchließen, und brachte ſo diejenigen Luftballons zu Stande, die
ſich nachher als die brauchbarſten bewaͤhrt haben. Dieſe Luft-Art
iſt, ſelbſt wenn man ſie nicht vollkommen frei von atmoſphaͤriſcher
Luft erhalten kann, doch immer nur ¼ oder ⅙ ſo ſchwer als atmo-
ſphaͤriſche Luft, und man erhaͤlt daher, weil ſie in duͤnne Umhuͤllun-
gen eingeſchloſſen werden kann, ſelbſt bei einer ziemlich maͤßigen
Groͤße, Steigekraft genug, um ſehr bedeutende Laſten zu heben.
In der erſten Zeit der Luftſchiffkunſt, nachdem man die Moͤglichkeit,
ohne Gefahr ſich in die Luft zu erheben, kennen gelernt hatte, ſuchte
man durch ſehr große Luftballons den Zweck, recht große Laſten zu
heben, zu erreichen. So verfertigten Pilatre de Rozier und
Montgolfier eine Maſchine von 126 Fuß hoch und 102 Fuß
im Durchmeſſer, mit welcher 6 Perſonen ſich in die Luft erhoben.

Ich habe nicht noͤthig, Ihnen das Erſtaunen zu ſchildern, mit
welchem alle Menſchen den neuen Anblick eines die Luft Durch-
ſchiffens betrachteten; denn wer ſollte nicht das hoͤchſt uͤberraſchende

I. S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0295" n="273"/>
du&#x0364;nnem Bleche, vo&#x0364;llig luftleer gemacht, allenfalls dem Zwecke ent-<lb/>
&#x017F;prechen ko&#x0364;nnte. Er&#x017F;t <hi rendition="#g">Montgolfier</hi> faßte vor nun bald 50 Jah-<lb/>
ren den Gedanken auf, daß ja Rauch in der Luft auf&#x017F;teige, oder<lb/>
wie ich es lieber, den An&#x017F;ichten der Erfinder vorgreifend, ausdru&#x0364;cken<lb/>
will, daß warme Luft bei &#x017F;ehr vermindertem &#x017F;pecifi&#x017F;chen Gewichte<lb/>
eben&#x017F;o viel Ela&#x017F;ticita&#x0364;t, als ka&#x0364;ltere, betra&#x0364;chtlich &#x017F;chwerere Luft be&#x017F;itze,<lb/>
und daß daher warme Luft in leichte Ha&#x0364;ute oder andre Hu&#x0364;llen ein-<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, dem Zu&#x017F;ammendru&#x0364;cken durch die a&#x0364;ußere Luft wider&#x017F;te-<lb/>
hen, und doch zum Auf&#x017F;teigen wohl leicht genug &#x017F;ein ko&#x0364;nne. So<lb/>
ent&#x017F;tanden die er&#x017F;ten Aëro&#x017F;taten oder Luftba&#x0364;lle, indem die Bru&#x0364;der<lb/><hi rendition="#g">Montgolfier</hi> einen mit erhitzter Luft gefu&#x0364;llten Ballon von<lb/>
35 Fuß Durchme&#x017F;&#x017F;er nicht bloß zum Steigen brachten, &#x017F;ondern auch<lb/>
ein erhebliches Gewicht mit dem&#x017F;elben in die Luft hinaufheben ließen.</p><lb/>
          <p>Aber die&#x017F;er unvollkommene Anfang der Aëronautik gab bald Ver-<lb/>
anla&#x017F;&#x017F;ung zu einer be&#x017F;&#x017F;ern Einrichtung. Die Phy&#x017F;iker hatten ku&#x0364;rzlich<lb/>
er&#x017F;t die ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Luft-Arten und die Mittel, &#x017F;ie bequem aufzufan-<lb/>
gen und na&#x0364;her zu unter&#x017F;uchen, kennen gelernt, und unter die&#x017F;en Luft-<lb/>
Arten zeichnete das brennbare Gas, das Hydrogengas, &#x017F;ich als eine<lb/>
&#x017F;ehr leichte Luft-Art, die bei gleicher Ela&#x017F;ticita&#x0364;t wie die natu&#x0364;rliche<lb/>
Luft ein &#x017F;ehr geringes Gewicht hat, aus. <hi rendition="#g">Charles</hi> in Paris machte<lb/>
daher den Ver&#x017F;uch, die&#x017F;e Luft-Art in Ballons von du&#x0364;nner Materie<lb/>
einzu&#x017F;chließen, und brachte &#x017F;o diejenigen Luftballons zu Stande, die<lb/>
&#x017F;ich nachher als die brauchbar&#x017F;ten bewa&#x0364;hrt haben. Die&#x017F;e Luft-Art<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;elb&#x017F;t wenn man &#x017F;ie nicht vollkommen frei von atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;cher<lb/>
Luft erhalten kann, doch immer nur ¼ oder &#x2159; &#x017F;o &#x017F;chwer als atmo-<lb/>
&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;che Luft, und man erha&#x0364;lt daher, weil &#x017F;ie in du&#x0364;nne Umhu&#x0364;llun-<lb/>
gen einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden kann, &#x017F;elb&#x017F;t bei einer ziemlich ma&#x0364;ßigen<lb/>
Gro&#x0364;ße, Steigekraft genug, um &#x017F;ehr bedeutende La&#x017F;ten zu heben.<lb/>
In der er&#x017F;ten Zeit der Luft&#x017F;chiffkun&#x017F;t, nachdem man die Mo&#x0364;glichkeit,<lb/>
ohne Gefahr &#x017F;ich in die Luft zu erheben, kennen gelernt hatte, &#x017F;uchte<lb/>
man durch &#x017F;ehr große Luftballons den Zweck, recht große La&#x017F;ten zu<lb/>
heben, zu erreichen. So verfertigten <hi rendition="#g">Pilatre de Rozier</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Montgolfier</hi> eine Ma&#x017F;chine von 126 Fuß hoch und 102 Fuß<lb/>
im Durchme&#x017F;&#x017F;er, mit welcher 6 Per&#x017F;onen &#x017F;ich in die Luft erhoben.</p><lb/>
          <p>Ich habe nicht no&#x0364;thig, Ihnen das Er&#x017F;taunen zu &#x017F;childern, mit<lb/>
welchem alle Men&#x017F;chen den neuen Anblick eines die Luft Durch-<lb/>
&#x017F;chiffens betrachteten; denn wer &#x017F;ollte nicht das ho&#x0364;ch&#x017F;t u&#x0364;berra&#x017F;chende<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">I.</hi></hi> S</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0295] duͤnnem Bleche, voͤllig luftleer gemacht, allenfalls dem Zwecke ent- ſprechen koͤnnte. Erſt Montgolfier faßte vor nun bald 50 Jah- ren den Gedanken auf, daß ja Rauch in der Luft aufſteige, oder wie ich es lieber, den Anſichten der Erfinder vorgreifend, ausdruͤcken will, daß warme Luft bei ſehr vermindertem ſpecifiſchen Gewichte ebenſo viel Elaſticitaͤt, als kaͤltere, betraͤchtlich ſchwerere Luft beſitze, und daß daher warme Luft in leichte Haͤute oder andre Huͤllen ein- geſchloſſen, dem Zuſammendruͤcken durch die aͤußere Luft widerſte- hen, und doch zum Aufſteigen wohl leicht genug ſein koͤnne. So entſtanden die erſten Aëroſtaten oder Luftbaͤlle, indem die Bruͤder Montgolfier einen mit erhitzter Luft gefuͤllten Ballon von 35 Fuß Durchmeſſer nicht bloß zum Steigen brachten, ſondern auch ein erhebliches Gewicht mit demſelben in die Luft hinaufheben ließen. Aber dieſer unvollkommene Anfang der Aëronautik gab bald Ver- anlaſſung zu einer beſſern Einrichtung. Die Phyſiker hatten kuͤrzlich erſt die kuͤnſtlichen Luft-Arten und die Mittel, ſie bequem aufzufan- gen und naͤher zu unterſuchen, kennen gelernt, und unter dieſen Luft- Arten zeichnete das brennbare Gas, das Hydrogengas, ſich als eine ſehr leichte Luft-Art, die bei gleicher Elaſticitaͤt wie die natuͤrliche Luft ein ſehr geringes Gewicht hat, aus. Charles in Paris machte daher den Verſuch, dieſe Luft-Art in Ballons von duͤnner Materie einzuſchließen, und brachte ſo diejenigen Luftballons zu Stande, die ſich nachher als die brauchbarſten bewaͤhrt haben. Dieſe Luft-Art iſt, ſelbſt wenn man ſie nicht vollkommen frei von atmoſphaͤriſcher Luft erhalten kann, doch immer nur ¼ oder ⅙ ſo ſchwer als atmo- ſphaͤriſche Luft, und man erhaͤlt daher, weil ſie in duͤnne Umhuͤllun- gen eingeſchloſſen werden kann, ſelbſt bei einer ziemlich maͤßigen Groͤße, Steigekraft genug, um ſehr bedeutende Laſten zu heben. In der erſten Zeit der Luftſchiffkunſt, nachdem man die Moͤglichkeit, ohne Gefahr ſich in die Luft zu erheben, kennen gelernt hatte, ſuchte man durch ſehr große Luftballons den Zweck, recht große Laſten zu heben, zu erreichen. So verfertigten Pilatre de Rozier und Montgolfier eine Maſchine von 126 Fuß hoch und 102 Fuß im Durchmeſſer, mit welcher 6 Perſonen ſich in die Luft erhoben. Ich habe nicht noͤthig, Ihnen das Erſtaunen zu ſchildern, mit welchem alle Menſchen den neuen Anblick eines die Luft Durch- ſchiffens betrachteten; denn wer ſollte nicht das hoͤchſt uͤberraſchende I. S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/295
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/295>, abgerufen am 22.11.2024.