Schauspiel, ein Schiffchen mit Menschen in den anscheinend leeren Raum hinaufsteigen zu sehen, mit Erstaunen ansehen; wen sollte nicht die unerhörte Kühnheit, sich über Berge und Wolken in die Luft zu erheben, die Vorstellung von den Gefahren, denen sich der Luftschiffer aussetzt, zur Bewunderung auffordern, und wie mußte der Gedanke an die erhabenen Empfindungen, die einen tiefer füh- lenden Menschen ergreifen müßten, wenn er so, alles Irdische unter sich zurücklassend, gleichsam den Sternen zueilt, die Gemüther der Zuschauer beschäftigen; wie mußte da jeder, nach der ihm eigen- thümlichen Art zu denken und zu empfinden, zur Bewunderung, zur theilnehmenden Besorgniß, zum freudigen Erstaunen über die Kraft der Wissenschaft und des menschlichen Geistes, dem nichts unmöglich ist, hingezogen werden! Damals benutzte Blanchard, später Garnerin und Andre diese Stimmung öfter und zeigten sich in zahlreichen Luftreisen; jetzt ist die Wiederholung dieses schönen Schauspiels seltener geworden.
Um aber unsre wissenschaftliche Betrachtung des Gegenstandes zu verfolgen, wollen wir jetzt fragen, welche Last kann denn ein Ballon von gegebner Größe heben, welche Höhen kann er erreichen und was für Mittel giebt es, um sein Steigen und Sinken zu re- gieren? Die erste Frage will ich zuerst kurz in Beziehung auf die bloß durch Erwärmung der Luft aufsteigenden Aerostaten beantwor- ten. Wenn hier eine Kugel von ungefehr 50 Fuß Durchmesser, also etwa 66000 Cubicfuß Inhalt eine Steigekraft von 600 Pfund erhalten sollte, so mußte die im Innern enthaltene Luft 600 Pfund weniger wiegen, als die aus der Stelle getriebene atmosphärische Luft; die letztere aber wiegt, 11 Cubicfuß auf 1 Pfund gerechnet, 6000 Pfund, jene muß daher nur 5400 Pfund wiegen oder der Dichtigkeit der natürlichen Luft haben, und dazu müßte sie 21 Reaum. Grade wärmer sein, als die umgebende Luft. Bei dieser Größe wäre es also nicht schwierig, eine noch viel erheblichere Steigekraft zu erhalten, und obgleich in größern Höhen die wenigere Dichtigkeit der äußern Luft die Steigekraft vermindert, so liegt doch nicht darin, sondern in der Gefahr, die ein Feuer zum Erhitzen der Luft allemal mit sich bringt, der Hauptgrund, warum man in spätern Zeiten nicht gern mehr Gebrauch von dieser Art, den Luftball zum Steigen zu bringen, gemacht hat.
Schauſpiel, ein Schiffchen mit Menſchen in den anſcheinend leeren Raum hinaufſteigen zu ſehen, mit Erſtaunen anſehen; wen ſollte nicht die unerhoͤrte Kuͤhnheit, ſich uͤber Berge und Wolken in die Luft zu erheben, die Vorſtellung von den Gefahren, denen ſich der Luftſchiffer ausſetzt, zur Bewunderung auffordern, und wie mußte der Gedanke an die erhabenen Empfindungen, die einen tiefer fuͤh- lenden Menſchen ergreifen muͤßten, wenn er ſo, alles Irdiſche unter ſich zuruͤcklaſſend, gleichſam den Sternen zueilt, die Gemuͤther der Zuſchauer beſchaͤftigen; wie mußte da jeder, nach der ihm eigen- thuͤmlichen Art zu denken und zu empfinden, zur Bewunderung, zur theilnehmenden Beſorgniß, zum freudigen Erſtaunen uͤber die Kraft der Wiſſenſchaft und des menſchlichen Geiſtes, dem nichts unmoͤglich iſt, hingezogen werden! Damals benutzte Blanchard, ſpaͤter Garnerin und Andre dieſe Stimmung oͤfter und zeigten ſich in zahlreichen Luftreiſen; jetzt iſt die Wiederholung dieſes ſchoͤnen Schauſpiels ſeltener geworden.
Um aber unſre wiſſenſchaftliche Betrachtung des Gegenſtandes zu verfolgen, wollen wir jetzt fragen, welche Laſt kann denn ein Ballon von gegebner Groͤße heben, welche Hoͤhen kann er erreichen und was fuͤr Mittel giebt es, um ſein Steigen und Sinken zu re- gieren? Die erſte Frage will ich zuerſt kurz in Beziehung auf die bloß durch Erwaͤrmung der Luft aufſteigenden Aëroſtaten beantwor- ten. Wenn hier eine Kugel von ungefehr 50 Fuß Durchmeſſer, alſo etwa 66000 Cubicfuß Inhalt eine Steigekraft von 600 Pfund erhalten ſollte, ſo mußte die im Innern enthaltene Luft 600 Pfund weniger wiegen, als die aus der Stelle getriebene atmoſphaͤriſche Luft; die letztere aber wiegt, 11 Cubicfuß auf 1 Pfund gerechnet, 6000 Pfund, jene muß daher nur 5400 Pfund wiegen oder der Dichtigkeit der natuͤrlichen Luft haben, und dazu muͤßte ſie 21 Reaum. Grade waͤrmer ſein, als die umgebende Luft. Bei dieſer Groͤße waͤre es alſo nicht ſchwierig, eine noch viel erheblichere Steigekraft zu erhalten, und obgleich in groͤßern Hoͤhen die wenigere Dichtigkeit der aͤußern Luft die Steigekraft vermindert, ſo liegt doch nicht darin, ſondern in der Gefahr, die ein Feuer zum Erhitzen der Luft allemal mit ſich bringt, der Hauptgrund, warum man in ſpaͤtern Zeiten nicht gern mehr Gebrauch von dieſer Art, den Luftball zum Steigen zu bringen, gemacht hat.
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Schauſpiel, ein Schiffchen mit Menſchen in den anſcheinend leeren
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Luft zu erheben, die Vorſtellung von den Gefahren, denen ſich der
Luftſchiffer ausſetzt, zur Bewunderung auffordern, und wie mußte
der Gedanke an die erhabenen Empfindungen, die einen tiefer fuͤh-
lenden Menſchen ergreifen muͤßten, wenn er ſo, alles Irdiſche unter
ſich zuruͤcklaſſend, gleichſam den Sternen zueilt, die Gemuͤther der
Zuſchauer beſchaͤftigen; wie mußte da jeder, nach der ihm eigen-
thuͤmlichen Art zu denken und zu empfinden, zur Bewunderung,
zur theilnehmenden Beſorgniß, zum freudigen Erſtaunen uͤber die
Kraft der Wiſſenſchaft und des menſchlichen Geiſtes, dem nichts
unmoͤglich iſt, hingezogen werden! Damals benutzte Blanchard,
ſpaͤter Garnerin und Andre dieſe Stimmung oͤfter und zeigten ſich
in zahlreichen Luftreiſen; jetzt iſt die Wiederholung dieſes ſchoͤnen
Schauſpiels ſeltener geworden.
Um aber unſre wiſſenſchaftliche Betrachtung des Gegenſtandes
zu verfolgen, wollen wir jetzt fragen, welche Laſt kann denn ein
Ballon von gegebner Groͤße heben, welche Hoͤhen kann er erreichen
und was fuͤr Mittel giebt es, um ſein Steigen und Sinken zu re-
gieren? Die erſte Frage will ich zuerſt kurz in Beziehung auf die
bloß durch Erwaͤrmung der Luft aufſteigenden Aëroſtaten beantwor-
ten. Wenn hier eine Kugel von ungefehr 50 Fuß Durchmeſſer,
alſo etwa 66000 Cubicfuß Inhalt eine Steigekraft von 600 Pfund
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Dichtigkeit der natuͤrlichen Luft haben, und dazu muͤßte ſie 21 Reaum.
Grade waͤrmer ſein, als die umgebende Luft. Bei dieſer Groͤße
waͤre es alſo nicht ſchwierig, eine noch viel erheblichere Steigekraft
zu erhalten, und obgleich in groͤßern Hoͤhen die wenigere Dichtigkeit
der aͤußern Luft die Steigekraft vermindert, ſo liegt doch nicht darin,
ſondern in der Gefahr, die ein Feuer zum Erhitzen der Luft allemal
mit ſich bringt, der Hauptgrund, warum man in ſpaͤtern Zeiten
nicht gern mehr Gebrauch von dieſer Art, den Luftball zum Steigen
zu bringen, gemacht hat.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/296>, abgerufen am 22.11.2024.
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