mit Hämmern oder durch das Streichen mit einem Violinbogen quer gegen die Richtung der Saiten, versetzen, entstehen dadurch, daß die elastische grade ausgespannte Saite ein wenig verlängert, in eine gekrümmte Lage gebracht und dann frei gelassen wird. Vermöge ihrer Elasticität strebt sie zu dem natürlichen Zustande zurück, sie verkürzt sich nämlich wieder, während jedes Theilchen in einer auf die Richtung der ganzen Saite senkrechten Richtung gegen den Punct zurückgeht, welchen es vor der Dehnung, vor der Entfernung vom Zustande des Gleichgewichts, einnahm; aber indem die Kraft der Elasticität jedes Theilchen auf diese Weise nö- thiget, eine gewisse Geschwindigkeit anzunehmen, gelangt dieses in die Stelle, welche es vorhin bei dem natürlichen Zustande ruhend einnahm, mit einer Geschwindigkeit, die es über diesen Punct hinausführt; jedes Theilchen geht daher an der andern Seite in eine neue Entfernung von der graden Linie hinüber, und kehrt, nachdem die Wirkung der Elasticität jene erlangte Geschwindigkeit zerstört hat, ebenso wieder zurück. Diese Wechsel des Zurückkeh- rens zum Gleichgewichtsstande, des durch die Trägheit bewirkten Hinausgehens über diesen Zustand, und des abermaligen Zurück- kehrens, würden ununterbrochen dauern, wenn nicht die Steifheit der Saite, als Widerstand gegen diese Bewegung, sehr bald die Ausweichungen verkleinerte und endlich ganz zerstörte.
Da diese Vibrationen der Saite, oft wiederholt, ganz gleich- artig wiederkehren, und jede derselben einen Schall hervorbringt, so läßt sich erwarten, was auch die Erfahrung zeigt, daß unser Ohr diese Gleichartigkeit des Schalles erkennen, und einen Ton, durch die Zitterungen der Saite hervorgebracht, hören wird, und wir nennen denjenigen Ton einen höheren, der durch schneller auf einander folgende Schwingungen hervorgebracht wird, den durch langsamere, seltner wiederholte Schwingungen hervorgehen- den Ton einen tieferen. Wenn man die Schwingungen so bewirkt, daß sie immer langsamer erfolgen, so wird der Ton tiefer, und endlich dumpf; das Ohr erkennt in dem dumpfen Getöne kaum noch einigen Klang, und wenn die Zitterungen noch langsamer auf einander folgen, so glaubt man in dem Klirren oder Schwirren fast schon die einzelnen Vibrationen abzählen zu können; endlich erkennt man die Schwingungen als wirklich zählbar, aber hört dann durch-
mit Haͤmmern oder durch das Streichen mit einem Violinbogen quer gegen die Richtung der Saiten, verſetzen, entſtehen dadurch, daß die elaſtiſche grade ausgeſpannte Saite ein wenig verlaͤngert, in eine gekruͤmmte Lage gebracht und dann frei gelaſſen wird. Vermoͤge ihrer Elaſticitaͤt ſtrebt ſie zu dem natuͤrlichen Zuſtande zuruͤck, ſie verkuͤrzt ſich naͤmlich wieder, waͤhrend jedes Theilchen in einer auf die Richtung der ganzen Saite ſenkrechten Richtung gegen den Punct zuruͤckgeht, welchen es vor der Dehnung, vor der Entfernung vom Zuſtande des Gleichgewichts, einnahm; aber indem die Kraft der Elaſticitaͤt jedes Theilchen auf dieſe Weiſe noͤ- thiget, eine gewiſſe Geſchwindigkeit anzunehmen, gelangt dieſes in die Stelle, welche es vorhin bei dem natuͤrlichen Zuſtande ruhend einnahm, mit einer Geſchwindigkeit, die es uͤber dieſen Punct hinausfuͤhrt; jedes Theilchen geht daher an der andern Seite in eine neue Entfernung von der graden Linie hinuͤber, und kehrt, nachdem die Wirkung der Elaſticitaͤt jene erlangte Geſchwindigkeit zerſtoͤrt hat, ebenſo wieder zuruͤck. Dieſe Wechſel des Zuruͤckkeh- rens zum Gleichgewichtsſtande, des durch die Traͤgheit bewirkten Hinausgehens uͤber dieſen Zuſtand, und des abermaligen Zuruͤck- kehrens, wuͤrden ununterbrochen dauern, wenn nicht die Steifheit der Saite, als Widerſtand gegen dieſe Bewegung, ſehr bald die Ausweichungen verkleinerte und endlich ganz zerſtoͤrte.
Da dieſe Vibrationen der Saite, oft wiederholt, ganz gleich- artig wiederkehren, und jede derſelben einen Schall hervorbringt, ſo laͤßt ſich erwarten, was auch die Erfahrung zeigt, daß unſer Ohr dieſe Gleichartigkeit des Schalles erkennen, und einen Ton, durch die Zitterungen der Saite hervorgebracht, hoͤren wird, und wir nennen denjenigen Ton einen hoͤheren, der durch ſchneller auf einander folgende Schwingungen hervorgebracht wird, den durch langſamere, ſeltner wiederholte Schwingungen hervorgehen- den Ton einen tieferen. Wenn man die Schwingungen ſo bewirkt, daß ſie immer langſamer erfolgen, ſo wird der Ton tiefer, und endlich dumpf; das Ohr erkennt in dem dumpfen Getoͤne kaum noch einigen Klang, und wenn die Zitterungen noch langſamer auf einander folgen, ſo glaubt man in dem Klirren oder Schwirren faſt ſchon die einzelnen Vibrationen abzaͤhlen zu koͤnnen; endlich erkennt man die Schwingungen als wirklich zaͤhlbar, aber hoͤrt dann durch-
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[283/0305]
mit Haͤmmern oder durch das Streichen mit einem Violinbogen
quer gegen die Richtung der Saiten, verſetzen, entſtehen dadurch,
daß die elaſtiſche grade ausgeſpannte Saite ein wenig verlaͤngert,
in eine gekruͤmmte Lage gebracht und dann frei gelaſſen wird.
Vermoͤge ihrer Elaſticitaͤt ſtrebt ſie zu dem natuͤrlichen Zuſtande
zuruͤck, ſie verkuͤrzt ſich naͤmlich wieder, waͤhrend jedes Theilchen
in einer auf die Richtung der ganzen Saite ſenkrechten Richtung
gegen den Punct zuruͤckgeht, welchen es vor der Dehnung, vor
der Entfernung vom Zuſtande des Gleichgewichts, einnahm; aber
indem die Kraft der Elaſticitaͤt jedes Theilchen auf dieſe Weiſe noͤ-
thiget, eine gewiſſe Geſchwindigkeit anzunehmen, gelangt dieſes in
die Stelle, welche es vorhin bei dem natuͤrlichen Zuſtande ruhend
einnahm, mit einer Geſchwindigkeit, die es uͤber dieſen Punct
hinausfuͤhrt; jedes Theilchen geht daher an der andern Seite in
eine neue Entfernung von der graden Linie hinuͤber, und kehrt,
nachdem die Wirkung der Elaſticitaͤt jene erlangte Geſchwindigkeit
zerſtoͤrt hat, ebenſo wieder zuruͤck. Dieſe Wechſel des Zuruͤckkeh-
rens zum Gleichgewichtsſtande, des durch die Traͤgheit bewirkten
Hinausgehens uͤber dieſen Zuſtand, und des abermaligen Zuruͤck-
kehrens, wuͤrden ununterbrochen dauern, wenn nicht die Steifheit
der Saite, als Widerſtand gegen dieſe Bewegung, ſehr bald die
Ausweichungen verkleinerte und endlich ganz zerſtoͤrte.
Da dieſe Vibrationen der Saite, oft wiederholt, ganz gleich-
artig wiederkehren, und jede derſelben einen Schall hervorbringt,
ſo laͤßt ſich erwarten, was auch die Erfahrung zeigt, daß unſer
Ohr dieſe Gleichartigkeit des Schalles erkennen, und einen Ton,
durch die Zitterungen der Saite hervorgebracht, hoͤren wird, und
wir nennen denjenigen Ton einen hoͤheren, der durch ſchneller
auf einander folgende Schwingungen hervorgebracht wird, den
durch langſamere, ſeltner wiederholte Schwingungen hervorgehen-
den Ton einen tieferen. Wenn man die Schwingungen ſo
bewirkt, daß ſie immer langſamer erfolgen, ſo wird der Ton tiefer,
und endlich dumpf; das Ohr erkennt in dem dumpfen Getoͤne kaum
noch einigen Klang, und wenn die Zitterungen noch langſamer auf
einander folgen, ſo glaubt man in dem Klirren oder Schwirren faſt
ſchon die einzelnen Vibrationen abzaͤhlen zu koͤnnen; endlich erkennt
man die Schwingungen als wirklich zaͤhlbar, aber hoͤrt dann durch-
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/305>, abgerufen am 23.11.2024.
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