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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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zum Theil tiefsinniger und schwieriger Betrachtungen vollständig
kennen zu lernen, den eine so tief eindringende Darstellung der
Physik liefert, so werde ich mich hier begnügen, nur die Resultate
jener Untersuchungen darzulegen, und ich hoffe Ihnen zu zeigen,
daß diese sich mit Ueberzeugung übersehen lassen, daß man die
Gründe, warum es so ist, deutlich machen kann, wenn man theils
die Versuche, welche die wichtigsten Erscheinungen darstellen, vor
Augen hat, theils die daran geknüpften Schlüsse auf eine Weise,
die auch dem Nichtmathematiker vollkommen verständlich ist, ent-
wickelt. Da die Experimentalphysik den Hauptgegenstand dieser
Vorlesungen ausmachen soll, so wird es mein Bestreben sein, Ihnen
die Erfahrungen und Versuche vollständig und deutlich zu erklären,
die entweder den weitern Schlüssen zur Grundlage dienen, oder
sich an diese als Bestätigung anschließen; ich werde suchen, das
ganze System der Physik gleichsam aus Versuchen aufzubauen.
Daneben aber werde ich, theils aus den Anwendungen der Physik
auf die Gegenstände des gemeinen Lebens und auf die Künste und
Gewerbe, theils aus der Meteorologie, physischen Geographie und
Astronomie, Ihnen das Wichtigste mittheilen, um, so weit es
unsre, vorzüglich in der Meteorologie noch sehr beschränkten, Kennt-
nisse erlauben, Ihnen zu zeigen, wie die wichtigsten und größesten
Natur-Ereignisse mit den Gesetzen zusammenhängen, die wir aus
unsern Versuchen ableiten.

Es ist wohl nicht nöthig, über den Nutzen, den wir uns von
dieser Erforschung der Natur versprechen dürfen, umständlich zu
reden. Wäre es auch bloß die Befriedigung des Bedürfnisses,
sich über alles, was uns umgiebt, zu belehren, eines Bedürfnisses,
das jeder denkende Mensch um so mehr empfindet, je mehr er seine
Geisteskräfte ausbildet, so würde schon darin Aufforderung genug
liegen, uns mit der Naturkunde zu beschäftigen. Wohin wir unser
Auge wenden, da bieten sich uns Erscheinungen dar, die wir in
ihrem Zusammenhange zu übersehen wünschen, die unsern Scharf-
sinn, um sie zu erklären, die unsre Aufmerksamkeit, um sie zu
benutzen oder den Nachtheilen, welche sie drohen, zu entgehen,
auffordern; und die Naturkunde ist es, die uns Belehrung über
sie gewährt. Aber auch die unzähligen Vortheile, welche Künste
und Gewerbe aus der Physik gezogen haben, und noch mehr zie-

zum Theil tiefſinniger und ſchwieriger Betrachtungen vollſtaͤndig
kennen zu lernen, den eine ſo tief eindringende Darſtellung der
Phyſik liefert, ſo werde ich mich hier begnuͤgen, nur die Reſultate
jener Unterſuchungen darzulegen, und ich hoffe Ihnen zu zeigen,
daß dieſe ſich mit Ueberzeugung uͤberſehen laſſen, daß man die
Gruͤnde, warum es ſo iſt, deutlich machen kann, wenn man theils
die Verſuche, welche die wichtigſten Erſcheinungen darſtellen, vor
Augen hat, theils die daran geknuͤpften Schluͤſſe auf eine Weiſe,
die auch dem Nichtmathematiker vollkommen verſtaͤndlich iſt, ent-
wickelt. Da die Experimentalphyſik den Hauptgegenſtand dieſer
Vorleſungen ausmachen ſoll, ſo wird es mein Beſtreben ſein, Ihnen
die Erfahrungen und Verſuche vollſtaͤndig und deutlich zu erklaͤren,
die entweder den weitern Schluͤſſen zur Grundlage dienen, oder
ſich an dieſe als Beſtaͤtigung anſchließen; ich werde ſuchen, das
ganze Syſtem der Phyſik gleichſam aus Verſuchen aufzubauen.
Daneben aber werde ich, theils aus den Anwendungen der Phyſik
auf die Gegenſtaͤnde des gemeinen Lebens und auf die Kuͤnſte und
Gewerbe, theils aus der Meteorologie, phyſiſchen Geographie und
Aſtronomie, Ihnen das Wichtigſte mittheilen, um, ſo weit es
unſre, vorzuͤglich in der Meteorologie noch ſehr beſchraͤnkten, Kennt-
niſſe erlauben, Ihnen zu zeigen, wie die wichtigſten und groͤßeſten
Natur-Ereigniſſe mit den Geſetzen zuſammenhaͤngen, die wir aus
unſern Verſuchen ableiten.

Es iſt wohl nicht noͤthig, uͤber den Nutzen, den wir uns von
dieſer Erforſchung der Natur verſprechen duͤrfen, umſtaͤndlich zu
reden. Waͤre es auch bloß die Befriedigung des Beduͤrfniſſes,
ſich uͤber alles, was uns umgiebt, zu belehren, eines Beduͤrfniſſes,
das jeder denkende Menſch um ſo mehr empfindet, je mehr er ſeine
Geiſteskraͤfte ausbildet, ſo wuͤrde ſchon darin Aufforderung genug
liegen, uns mit der Naturkunde zu beſchaͤftigen. Wohin wir unſer
Auge wenden, da bieten ſich uns Erſcheinungen dar, die wir in
ihrem Zuſammenhange zu uͤberſehen wuͤnſchen, die unſern Scharf-
ſinn, um ſie zu erklaͤren, die unſre Aufmerkſamkeit, um ſie zu
benutzen oder den Nachtheilen, welche ſie drohen, zu entgehen,
auffordern; und die Naturkunde iſt es, die uns Belehrung uͤber
ſie gewaͤhrt. Aber auch die unzaͤhligen Vortheile, welche Kuͤnſte
und Gewerbe aus der Phyſik gezogen haben, und noch mehr zie-

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[10/0032] zum Theil tiefſinniger und ſchwieriger Betrachtungen vollſtaͤndig kennen zu lernen, den eine ſo tief eindringende Darſtellung der Phyſik liefert, ſo werde ich mich hier begnuͤgen, nur die Reſultate jener Unterſuchungen darzulegen, und ich hoffe Ihnen zu zeigen, daß dieſe ſich mit Ueberzeugung uͤberſehen laſſen, daß man die Gruͤnde, warum es ſo iſt, deutlich machen kann, wenn man theils die Verſuche, welche die wichtigſten Erſcheinungen darſtellen, vor Augen hat, theils die daran geknuͤpften Schluͤſſe auf eine Weiſe, die auch dem Nichtmathematiker vollkommen verſtaͤndlich iſt, ent- wickelt. Da die Experimentalphyſik den Hauptgegenſtand dieſer Vorleſungen ausmachen ſoll, ſo wird es mein Beſtreben ſein, Ihnen die Erfahrungen und Verſuche vollſtaͤndig und deutlich zu erklaͤren, die entweder den weitern Schluͤſſen zur Grundlage dienen, oder ſich an dieſe als Beſtaͤtigung anſchließen; ich werde ſuchen, das ganze Syſtem der Phyſik gleichſam aus Verſuchen aufzubauen. Daneben aber werde ich, theils aus den Anwendungen der Phyſik auf die Gegenſtaͤnde des gemeinen Lebens und auf die Kuͤnſte und Gewerbe, theils aus der Meteorologie, phyſiſchen Geographie und Aſtronomie, Ihnen das Wichtigſte mittheilen, um, ſo weit es unſre, vorzuͤglich in der Meteorologie noch ſehr beſchraͤnkten, Kennt- niſſe erlauben, Ihnen zu zeigen, wie die wichtigſten und groͤßeſten Natur-Ereigniſſe mit den Geſetzen zuſammenhaͤngen, die wir aus unſern Verſuchen ableiten. Es iſt wohl nicht noͤthig, uͤber den Nutzen, den wir uns von dieſer Erforſchung der Natur verſprechen duͤrfen, umſtaͤndlich zu reden. Waͤre es auch bloß die Befriedigung des Beduͤrfniſſes, ſich uͤber alles, was uns umgiebt, zu belehren, eines Beduͤrfniſſes, das jeder denkende Menſch um ſo mehr empfindet, je mehr er ſeine Geiſteskraͤfte ausbildet, ſo wuͤrde ſchon darin Aufforderung genug liegen, uns mit der Naturkunde zu beſchaͤftigen. Wohin wir unſer Auge wenden, da bieten ſich uns Erſcheinungen dar, die wir in ihrem Zuſammenhange zu uͤberſehen wuͤnſchen, die unſern Scharf- ſinn, um ſie zu erklaͤren, die unſre Aufmerkſamkeit, um ſie zu benutzen oder den Nachtheilen, welche ſie drohen, zu entgehen, auffordern; und die Naturkunde iſt es, die uns Belehrung uͤber ſie gewaͤhrt. Aber auch die unzaͤhligen Vortheile, welche Kuͤnſte und Gewerbe aus der Phyſik gezogen haben, und noch mehr zie-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/32>, abgerufen am 21.11.2024.