Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

hielte, und beim geringsten Uebergewichte der Waagebalken sogleich
die verticale Stellung annähme, so ist der Drehungspunct des
Waagebalkens nicht einerlei mit dem Schwerpuncte, sondern jener
liegt höher als dieser. Der dadurch erreichte Vortheil läßt sich leicht
übersehen. (Fig. 45.) Es sei C der Punct, um welchen sich die
festverbundenen Theile CG, AB, der Waage drehen und der
Schwerpunct des Waagebalkens befinde sich in G; dann wird beim
Gleichgewichte der Theil AB sich horizontal stellen, und da CG
senkrecht gegen die Mitte des Waagebalkens sein muß, so hindert
es während des Gleichgewichtes nichts, daß G vom Drehungspuncte
C entfernt liegt. Ist aber in B ein Uebergewicht, so senkt sich der
Arm GB und dadurch rückt der Schwerpunct G, ein wenig gehoben,
auf die entgegengesetzte Seite; indem nun erstlich das leichtere
Gewicht an A ein wenig weiter vom Unterstützungspuncte fort rückt,
oder de größer als AG, fh kleiner als GB ist, und zweitens auch
das Gewicht des Waagebalkens, welches wir als im Schwerpuncte G
vereinigt ansehen können, auf der Seite des leichtern Gewichtes her-
abwärts zieht, so tritt (vorausgesetzt, daß das Uebergewicht bei B
nicht zu groß ist), ein Gleichgewicht bei mäßiger Neigung des Waa-
gebalkens ein. Ist die Entfernung des Schwerpunctes G vom
Drehungspuncte C sehr geringe, so muß bei gleichem Uebergewichte
die Neigung größer werden, und die Waage heißt dann eine sehr
empfindliche, weil sie einen großen Ausschlag giebt; im entgegen-
gesetzten Falle heißt sie eine träge Waage. Goldwaagen und vollends
diejenigen Waagen, die zu sehr genauen, bis auf feine Theile des
Grans gehenden Abwiegungen bei physicalischen oder chemischen
Experimenten gebraucht werden sollen, müssen von der erstern Art
sein. Die Sorgfalt, mit welcher man bei so feinen Waagen die
Reibung zu vermindern sucht, die dazu dienenden Anordnungen, um
die Waage nur dann auf der feinen Messerschneide, die den Dre-
hungspunct darbietet, ruhen zu lassen, wenn die Waage gebraucht
wird, sonst aber sie abzuheben und an andern Puncten zu unter-
stützen, und ähnliche Vorsichts-Maaßregeln kann ich hier nicht um-
ständlich anführen.

Die Schnellwaage hat die Bestimmung, mit einem ein-
zigen Gewichte verschiedene Lasten abzuwägen. Ist dieses Gewicht
als Beschwerung des Hebel-Armes selbst angebracht, so ist der

E 2

hielte, und beim geringſten Uebergewichte der Waagebalken ſogleich
die verticale Stellung annaͤhme, ſo iſt der Drehungspunct des
Waagebalkens nicht einerlei mit dem Schwerpuncte, ſondern jener
liegt hoͤher als dieſer. Der dadurch erreichte Vortheil laͤßt ſich leicht
uͤberſehen. (Fig. 45.) Es ſei C der Punct, um welchen ſich die
feſtverbundenen Theile CG, AB, der Waage drehen und der
Schwerpunct des Waagebalkens befinde ſich in G; dann wird beim
Gleichgewichte der Theil AB ſich horizontal ſtellen, und da CG
ſenkrecht gegen die Mitte des Waagebalkens ſein muß, ſo hindert
es waͤhrend des Gleichgewichtes nichts, daß G vom Drehungspuncte
C entfernt liegt. Iſt aber in B ein Uebergewicht, ſo ſenkt ſich der
Arm GB und dadurch ruͤckt der Schwerpunct G, ein wenig gehoben,
auf die entgegengeſetzte Seite; indem nun erſtlich das leichtere
Gewicht an A ein wenig weiter vom Unterſtuͤtzungspuncte fort ruͤckt,
oder de groͤßer als AG, fh kleiner als GB iſt, und zweitens auch
das Gewicht des Waagebalkens, welches wir als im Schwerpuncte G
vereinigt anſehen koͤnnen, auf der Seite des leichtern Gewichtes her-
abwaͤrts zieht, ſo tritt (vorausgeſetzt, daß das Uebergewicht bei B
nicht zu groß iſt), ein Gleichgewicht bei maͤßiger Neigung des Waa-
gebalkens ein. Iſt die Entfernung des Schwerpunctes G vom
Drehungspuncte C ſehr geringe, ſo muß bei gleichem Uebergewichte
die Neigung groͤßer werden, und die Waage heißt dann eine ſehr
empfindliche, weil ſie einen großen Ausſchlag giebt; im entgegen-
geſetzten Falle heißt ſie eine traͤge Waage. Goldwaagen und vollends
diejenigen Waagen, die zu ſehr genauen, bis auf feine Theile des
Grans gehenden Abwiegungen bei phyſicaliſchen oder chemiſchen
Experimenten gebraucht werden ſollen, muͤſſen von der erſtern Art
ſein. Die Sorgfalt, mit welcher man bei ſo feinen Waagen die
Reibung zu vermindern ſucht, die dazu dienenden Anordnungen, um
die Waage nur dann auf der feinen Meſſerſchneide, die den Dre-
hungspunct darbietet, ruhen zu laſſen, wenn die Waage gebraucht
wird, ſonſt aber ſie abzuheben und an andern Puncten zu unter-
ſtuͤtzen, und aͤhnliche Vorſichts-Maaßregeln kann ich hier nicht um-
ſtaͤndlich anfuͤhren.

Die Schnellwaage hat die Beſtimmung, mit einem ein-
zigen Gewichte verſchiedene Laſten abzuwaͤgen. Iſt dieſes Gewicht
als Beſchwerung des Hebel-Armes ſelbſt angebracht, ſo iſt der

E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0089" n="67"/>
hielte, und beim gering&#x017F;ten Uebergewichte der Waagebalken &#x017F;ogleich<lb/>
die verticale Stellung anna&#x0364;hme, &#x017F;o i&#x017F;t der Drehungspunct des<lb/>
Waagebalkens nicht einerlei mit dem Schwerpuncte, &#x017F;ondern jener<lb/>
liegt ho&#x0364;her als die&#x017F;er. Der dadurch erreichte Vortheil la&#x0364;ßt &#x017F;ich leicht<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;ehen. (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fig. 45.</hi></hi>) Es &#x017F;ei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">C</hi></hi> der Punct, um welchen &#x017F;ich die<lb/>
fe&#x017F;tverbundenen Theile <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">CG, AB,</hi></hi> der Waage drehen und der<lb/>
Schwerpunct des Waagebalkens befinde &#x017F;ich in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">G;</hi></hi> dann wird beim<lb/>
Gleichgewichte der Theil <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AB</hi></hi> &#x017F;ich horizontal &#x017F;tellen, und da <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">CG</hi></hi><lb/>
&#x017F;enkrecht gegen die Mitte des Waagebalkens &#x017F;ein muß, &#x017F;o hindert<lb/>
es wa&#x0364;hrend des Gleichgewichtes nichts, daß <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">G</hi></hi> vom Drehungspuncte<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">C</hi></hi> entfernt liegt. I&#x017F;t aber in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B</hi></hi> ein Uebergewicht, &#x017F;o &#x017F;enkt &#x017F;ich der<lb/>
Arm <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">GB</hi></hi> und dadurch ru&#x0364;ckt der Schwerpunct <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">G,</hi></hi> ein wenig gehoben,<lb/>
auf die entgegenge&#x017F;etzte Seite; indem nun er&#x017F;tlich das leichtere<lb/>
Gewicht an <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi> ein wenig weiter vom Unter&#x017F;tu&#x0364;tzungspuncte fort ru&#x0364;ckt,<lb/>
oder <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">de</hi></hi> gro&#x0364;ßer als <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AG, fh</hi></hi> kleiner als <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">GB</hi></hi> i&#x017F;t, und zweitens auch<lb/>
das Gewicht des Waagebalkens, welches wir als im Schwerpuncte <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">G</hi></hi><lb/>
vereinigt an&#x017F;ehen ko&#x0364;nnen, auf der Seite des leichtern Gewichtes her-<lb/>
abwa&#x0364;rts zieht, &#x017F;o tritt (vorausge&#x017F;etzt, daß das Uebergewicht bei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B</hi></hi><lb/>
nicht zu groß i&#x017F;t), ein Gleichgewicht bei ma&#x0364;ßiger Neigung des Waa-<lb/>
gebalkens ein. I&#x017F;t die Entfernung des Schwerpunctes <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">G</hi></hi> vom<lb/>
Drehungspuncte <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">C</hi></hi> &#x017F;ehr geringe, &#x017F;o muß bei gleichem Uebergewichte<lb/>
die Neigung gro&#x0364;ßer werden, und die Waage heißt dann eine &#x017F;ehr<lb/>
empfindliche, weil &#x017F;ie einen großen Aus&#x017F;chlag giebt; im entgegen-<lb/>
ge&#x017F;etzten Falle heißt &#x017F;ie eine tra&#x0364;ge Waage. Goldwaagen und vollends<lb/>
diejenigen Waagen, die zu &#x017F;ehr genauen, bis auf feine Theile des<lb/>
Grans gehenden Abwiegungen bei phy&#x017F;icali&#x017F;chen oder chemi&#x017F;chen<lb/>
Experimenten gebraucht werden &#x017F;ollen, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en von der er&#x017F;tern Art<lb/>
&#x017F;ein. Die Sorgfalt, mit welcher man bei &#x017F;o feinen Waagen die<lb/>
Reibung zu vermindern &#x017F;ucht, die dazu dienenden Anordnungen, um<lb/>
die Waage nur dann auf der feinen Me&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chneide, die den Dre-<lb/>
hungspunct darbietet, ruhen zu la&#x017F;&#x017F;en, wenn die Waage gebraucht<lb/>
wird, &#x017F;on&#x017F;t aber &#x017F;ie abzuheben und an andern Puncten zu unter-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;tzen, und a&#x0364;hnliche Vor&#x017F;ichts-Maaßregeln kann ich hier nicht um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndlich anfu&#x0364;hren.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Die Schnellwaage</hi> hat die Be&#x017F;timmung, mit einem ein-<lb/>
zigen Gewichte ver&#x017F;chiedene La&#x017F;ten abzuwa&#x0364;gen. I&#x017F;t die&#x017F;es Gewicht<lb/>
als Be&#x017F;chwerung des Hebel-Armes &#x017F;elb&#x017F;t angebracht, &#x017F;o i&#x017F;t der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0089] hielte, und beim geringſten Uebergewichte der Waagebalken ſogleich die verticale Stellung annaͤhme, ſo iſt der Drehungspunct des Waagebalkens nicht einerlei mit dem Schwerpuncte, ſondern jener liegt hoͤher als dieſer. Der dadurch erreichte Vortheil laͤßt ſich leicht uͤberſehen. (Fig. 45.) Es ſei C der Punct, um welchen ſich die feſtverbundenen Theile CG, AB, der Waage drehen und der Schwerpunct des Waagebalkens befinde ſich in G; dann wird beim Gleichgewichte der Theil AB ſich horizontal ſtellen, und da CG ſenkrecht gegen die Mitte des Waagebalkens ſein muß, ſo hindert es waͤhrend des Gleichgewichtes nichts, daß G vom Drehungspuncte C entfernt liegt. Iſt aber in B ein Uebergewicht, ſo ſenkt ſich der Arm GB und dadurch ruͤckt der Schwerpunct G, ein wenig gehoben, auf die entgegengeſetzte Seite; indem nun erſtlich das leichtere Gewicht an A ein wenig weiter vom Unterſtuͤtzungspuncte fort ruͤckt, oder de groͤßer als AG, fh kleiner als GB iſt, und zweitens auch das Gewicht des Waagebalkens, welches wir als im Schwerpuncte G vereinigt anſehen koͤnnen, auf der Seite des leichtern Gewichtes her- abwaͤrts zieht, ſo tritt (vorausgeſetzt, daß das Uebergewicht bei B nicht zu groß iſt), ein Gleichgewicht bei maͤßiger Neigung des Waa- gebalkens ein. Iſt die Entfernung des Schwerpunctes G vom Drehungspuncte C ſehr geringe, ſo muß bei gleichem Uebergewichte die Neigung groͤßer werden, und die Waage heißt dann eine ſehr empfindliche, weil ſie einen großen Ausſchlag giebt; im entgegen- geſetzten Falle heißt ſie eine traͤge Waage. Goldwaagen und vollends diejenigen Waagen, die zu ſehr genauen, bis auf feine Theile des Grans gehenden Abwiegungen bei phyſicaliſchen oder chemiſchen Experimenten gebraucht werden ſollen, muͤſſen von der erſtern Art ſein. Die Sorgfalt, mit welcher man bei ſo feinen Waagen die Reibung zu vermindern ſucht, die dazu dienenden Anordnungen, um die Waage nur dann auf der feinen Meſſerſchneide, die den Dre- hungspunct darbietet, ruhen zu laſſen, wenn die Waage gebraucht wird, ſonſt aber ſie abzuheben und an andern Puncten zu unter- ſtuͤtzen, und aͤhnliche Vorſichts-Maaßregeln kann ich hier nicht um- ſtaͤndlich anfuͤhren. Die Schnellwaage hat die Beſtimmung, mit einem ein- zigen Gewichte verſchiedene Laſten abzuwaͤgen. Iſt dieſes Gewicht als Beſchwerung des Hebel-Armes ſelbſt angebracht, ſo iſt der E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/89
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/89>, abgerufen am 15.05.2024.