wendungen der Brechungstheorie darum angenehm, weil das An- knüpfen zahlreicher Phänomene an diejenigen theoretischen Be- trachtungen, denen sie zunächst angehören, am besten dient, diese theoretischen Untersuchungen vollständig und vielseitig durchzuführen. Endlich, nachdem so zahlreiche Anwendungen unsre Fortschritte in der Untersuchung der Haupt-Erscheinungen des Lichtes aufgehal- ten haben, gehe ich denn zu der wichtigen Bemerkung über, daß fast keine Brechung des Lichtes ohne Farben statt findet.
Ungleiche Brechbarkeit der Farbenstrahlen.
Wenn Sie ein weißes Papier auf einen schwarzen Grund gelegt durch das Prisma betrachten, so zeigt es einen schönen Far- benrand, und jeder auf dem Papiere aufgezeichnete schwarze und farbige Punct, ja jedes zu einem Schatten Anlaß gebende Fältchen bietet eine gleiche Farben-Erscheinung dar. Die Farben zeigen sich immer in derselben Ordnung, die wir sogleich durch die von New- ton zuerst angestellten entscheidenden Experimente wollen kennen lernen.
Um den Gang der Lichtstrahlen zu beobachten, ist es immer am vortheilhaftesten, einen möglichst eng begrenzten Sonnenstrahl in ein sonst völlig dunkles Zimmer einzulassen. Wenn dieser durch eine kleine runde Oeffnung einfällt, so zeigt sich auf einer in mehr oder minder großer Entfernung dem Strahle senkrecht dargebotenen Tafel ein rundes Sonnenbild, das sich entfernter von der Oeffnung immer größer zeigt, und welches daher entsteht, daß Strahlen von allen Puncten der Sonne kommend sich in der Oeffnung durchschneiden, und daher von der Oeffnung ausgehend, wieder einen Kegel bilden, so wie sie vor dem Hingelangen zur Oeffnung einen Kegel bildeten, dessen Grundfläche die Sonne sein würde, wenn wir ihn bis dahin verfolgen wollten. Dieses weiße, runde Sonnenbild, welches durch graden Fortgang der Strahlen hervorgebracht wird, wird durch ein den Strahlen dargebotenes Prisma nicht bloß von seinem Platze gerückt, weil die Brechung im Prisma die Richtung der Strahlen ändert, sondern es wird zugleich länglich und farbig. Das weiße Licht der Sonne wird also farbig durch die Brechung im Prisma, und da wir das Violett und Blau am weitesten von dem Orte, wo
wendungen der Brechungstheorie darum angenehm, weil das An- knuͤpfen zahlreicher Phaͤnomene an diejenigen theoretiſchen Be- trachtungen, denen ſie zunaͤchſt angehoͤren, am beſten dient, dieſe theoretiſchen Unterſuchungen vollſtaͤndig und vielſeitig durchzufuͤhren. Endlich, nachdem ſo zahlreiche Anwendungen unſre Fortſchritte in der Unterſuchung der Haupt-Erſcheinungen des Lichtes aufgehal- ten haben, gehe ich denn zu der wichtigen Bemerkung uͤber, daß faſt keine Brechung des Lichtes ohne Farben ſtatt findet.
Ungleiche Brechbarkeit der Farbenſtrahlen.
Wenn Sie ein weißes Papier auf einen ſchwarzen Grund gelegt durch das Prisma betrachten, ſo zeigt es einen ſchoͤnen Far- benrand, und jeder auf dem Papiere aufgezeichnete ſchwarze und farbige Punct, ja jedes zu einem Schatten Anlaß gebende Faͤltchen bietet eine gleiche Farben-Erſcheinung dar. Die Farben zeigen ſich immer in derſelben Ordnung, die wir ſogleich durch die von New- ton zuerſt angeſtellten entſcheidenden Experimente wollen kennen lernen.
Um den Gang der Lichtſtrahlen zu beobachten, iſt es immer am vortheilhafteſten, einen moͤglichſt eng begrenzten Sonnenſtrahl in ein ſonſt voͤllig dunkles Zimmer einzulaſſen. Wenn dieſer durch eine kleine runde Oeffnung einfaͤllt, ſo zeigt ſich auf einer in mehr oder minder großer Entfernung dem Strahle ſenkrecht dargebotenen Tafel ein rundes Sonnenbild, das ſich entfernter von der Oeffnung immer groͤßer zeigt, und welches daher entſteht, daß Strahlen von allen Puncten der Sonne kommend ſich in der Oeffnung durchſchneiden, und daher von der Oeffnung ausgehend, wieder einen Kegel bilden, ſo wie ſie vor dem Hingelangen zur Oeffnung einen Kegel bildeten, deſſen Grundflaͤche die Sonne ſein wuͤrde, wenn wir ihn bis dahin verfolgen wollten. Dieſes weiße, runde Sonnenbild, welches durch graden Fortgang der Strahlen hervorgebracht wird, wird durch ein den Strahlen dargebotenes Prisma nicht bloß von ſeinem Platze geruͤckt, weil die Brechung im Prisma die Richtung der Strahlen aͤndert, ſondern es wird zugleich laͤnglich und farbig. Das weiße Licht der Sonne wird alſo farbig durch die Brechung im Prisma, und da wir das Violett und Blau am weiteſten von dem Orte, wo
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wendungen der Brechungstheorie darum angenehm, weil das An-
knuͤpfen zahlreicher Phaͤnomene an diejenigen theoretiſchen Be-
trachtungen, denen ſie zunaͤchſt angehoͤren, am beſten dient, dieſe
theoretiſchen Unterſuchungen vollſtaͤndig und vielſeitig durchzufuͤhren.
Endlich, nachdem ſo zahlreiche Anwendungen unſre Fortſchritte in
der Unterſuchung der Haupt-Erſcheinungen des Lichtes aufgehal-
ten haben, gehe ich denn zu der wichtigen Bemerkung uͤber, daß
faſt keine Brechung des Lichtes ohne Farben ſtatt findet.
Ungleiche Brechbarkeit der Farbenſtrahlen.
Wenn Sie ein weißes Papier auf einen ſchwarzen Grund
gelegt durch das Prisma betrachten, ſo zeigt es einen ſchoͤnen Far-
benrand, und jeder auf dem Papiere aufgezeichnete ſchwarze und
farbige Punct, ja jedes zu einem Schatten Anlaß gebende Faͤltchen
bietet eine gleiche Farben-Erſcheinung dar. Die Farben zeigen ſich
immer in derſelben Ordnung, die wir ſogleich durch die von New-
ton zuerſt angeſtellten entſcheidenden Experimente wollen kennen
lernen.
Um den Gang der Lichtſtrahlen zu beobachten, iſt es immer
am vortheilhafteſten, einen moͤglichſt eng begrenzten Sonnenſtrahl
in ein ſonſt voͤllig dunkles Zimmer einzulaſſen. Wenn dieſer durch
eine kleine runde Oeffnung einfaͤllt, ſo zeigt ſich auf einer in mehr
oder minder großer Entfernung dem Strahle ſenkrecht dargebotenen
Tafel ein rundes Sonnenbild, das ſich entfernter von der Oeffnung
immer groͤßer zeigt, und welches daher entſteht, daß Strahlen von allen
Puncten der Sonne kommend ſich in der Oeffnung durchſchneiden,
und daher von der Oeffnung ausgehend, wieder einen Kegel bilden,
ſo wie ſie vor dem Hingelangen zur Oeffnung einen Kegel bildeten,
deſſen Grundflaͤche die Sonne ſein wuͤrde, wenn wir ihn bis dahin
verfolgen wollten. Dieſes weiße, runde Sonnenbild, welches durch
graden Fortgang der Strahlen hervorgebracht wird, wird durch ein
den Strahlen dargebotenes Prisma nicht bloß von ſeinem Platze
geruͤckt, weil die Brechung im Prisma die Richtung der Strahlen
aͤndert, ſondern es wird zugleich laͤnglich und farbig. Das weiße
Licht der Sonne wird alſo farbig durch die Brechung im Prisma,
und da wir das Violett und Blau am weiteſten von dem Orte, wo
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/183>, abgerufen am 21.11.2024.
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