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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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zu den Schlüssen, die er an seine Entdeckungen knüpfte, zurück-
gehen. Newton machte die richtige Bemerkung, daß in dieser
Farbenzerstreuung ein Hauptgrund der Unvollkommenheit der di-
optrischen Fernröhre liege, und da er glaubte, daß die Farbenzer-
streuung in gleichem Maaße mit der Brechung bei allen Körpern
gleichmäßig wachse, so gab er den Gedanken an Verbesserung der
dioptrischen Fernröhre gänzlich auf. Dieses war der Grund, warum
er die Anwendung der Spiegeltelescope anempfahl, weil diese der Far-
benzerstreuung von Seiten des Spiegels gar nicht unterworfen sind,
und die Undeutlichkeit, die aus der ungleichen Brechung der Farben
im Oculare hervorgeht, wenigstens bei weitem nicht so bedeutend
ist. Die Spiegel nämlich werfen alle Arten von Strahlen unge-
trennt zurück, geben von weißen Strahlen ein weißes Bild, das,
bei gehörig ausgeführter Form des Spiegels, alle von einem
Puncte ausgehende Strahlen auch genau in einem Puncte verei-
nigt zeigen muß. Newtons großes Ansehen ist wohl Ursache ge-
wesen, daß man die Verbesserung der Refractoren wirklich lange
Zeit ganz vernachlässigte; aber er hatte sich in der Meinung, daß
die Farbenzerstreuung auf eine bestimmte Weise an die Brechung
gebunden sei, geirrt, und als Dollond, durch Eulers Unter-
suchungen veranlaßt, diesen Gegenstand genauer untersuchte, zeigte
es sich, daß man durch zwei verbundene Prismen aus verschie-
denen Glas-Arten eine Brechung ohne alle Farbenzerstreuung
erhalten könne.

Wenn man zwei gleiche Prismen (Fig. 97.) so verbindet, daß
ihre Seiten HE, IB und also auch HG, CI, parallel werden,
so erhellt leicht, daß alle Farbenzerstreuung, aber auch alle Bre-
chung aufgehoben wird; ein einfallender Strahl AB wird zwar in
B gebrochen, in C wieder gebrochen, aber da HG, IK parallel
sind, so ist im zweiten Prisma DE mit BC, dann aber auch AB
mit EF parallel. Fallen also bei B rothe, gelbe, blaue Strahlen,
im weißen Strahle vereinigt, in einerlei Richtung ein, so gehen
sie auch in EF wieder parallel fort, und bringen den Eindruck des
Weiß im Auge hervor. Anders würde es sein, wenn zwar die mitt-
leren Strahlen, wofür wir die ungefähr an der Grenze des Grün
und Gelb im Farbenbilde liegenden annehmen, gleich gebrochen
würden, aber die Farbenzerstreuung im zweiten Prisma größer

zu den Schluͤſſen, die er an ſeine Entdeckungen knuͤpfte, zuruͤck-
gehen. Newton machte die richtige Bemerkung, daß in dieſer
Farbenzerſtreuung ein Hauptgrund der Unvollkommenheit der di-
optriſchen Fernroͤhre liege, und da er glaubte, daß die Farbenzer-
ſtreuung in gleichem Maaße mit der Brechung bei allen Koͤrpern
gleichmaͤßig wachſe, ſo gab er den Gedanken an Verbeſſerung der
dioptriſchen Fernroͤhre gaͤnzlich auf. Dieſes war der Grund, warum
er die Anwendung der Spiegelteleſcope anempfahl, weil dieſe der Far-
benzerſtreuung von Seiten des Spiegels gar nicht unterworfen ſind,
und die Undeutlichkeit, die aus der ungleichen Brechung der Farben
im Oculare hervorgeht, wenigſtens bei weitem nicht ſo bedeutend
iſt. Die Spiegel naͤmlich werfen alle Arten von Strahlen unge-
trennt zuruͤck, geben von weißen Strahlen ein weißes Bild, das,
bei gehoͤrig ausgefuͤhrter Form des Spiegels, alle von einem
Puncte ausgehende Strahlen auch genau in einem Puncte verei-
nigt zeigen muß. Newtons großes Anſehen iſt wohl Urſache ge-
weſen, daß man die Verbeſſerung der Refractoren wirklich lange
Zeit ganz vernachlaͤſſigte; aber er hatte ſich in der Meinung, daß
die Farbenzerſtreuung auf eine beſtimmte Weiſe an die Brechung
gebunden ſei, geirrt, und als Dollond, durch Eulers Unter-
ſuchungen veranlaßt, dieſen Gegenſtand genauer unterſuchte, zeigte
es ſich, daß man durch zwei verbundene Prismen aus verſchie-
denen Glas-Arten eine Brechung ohne alle Farbenzerſtreuung
erhalten koͤnne.

Wenn man zwei gleiche Prismen (Fig. 97.) ſo verbindet, daß
ihre Seiten HE, IB und alſo auch HG, CI, parallel werden,
ſo erhellt leicht, daß alle Farbenzerſtreuung, aber auch alle Bre-
chung aufgehoben wird; ein einfallender Strahl AB wird zwar in
B gebrochen, in C wieder gebrochen, aber da HG, IK parallel
ſind, ſo iſt im zweiten Prisma DE mit BC, dann aber auch AB
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im weißen Strahle vereinigt, in einerlei Richtung ein, ſo gehen
ſie auch in EF wieder parallel fort, und bringen den Eindruck des
Weiß im Auge hervor. Anders wuͤrde es ſein, wenn zwar die mitt-
leren Strahlen, wofuͤr wir die ungefaͤhr an der Grenze des Gruͤn
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[189/0203] zu den Schluͤſſen, die er an ſeine Entdeckungen knuͤpfte, zuruͤck- gehen. Newton machte die richtige Bemerkung, daß in dieſer Farbenzerſtreuung ein Hauptgrund der Unvollkommenheit der di- optriſchen Fernroͤhre liege, und da er glaubte, daß die Farbenzer- ſtreuung in gleichem Maaße mit der Brechung bei allen Koͤrpern gleichmaͤßig wachſe, ſo gab er den Gedanken an Verbeſſerung der dioptriſchen Fernroͤhre gaͤnzlich auf. Dieſes war der Grund, warum er die Anwendung der Spiegelteleſcope anempfahl, weil dieſe der Far- benzerſtreuung von Seiten des Spiegels gar nicht unterworfen ſind, und die Undeutlichkeit, die aus der ungleichen Brechung der Farben im Oculare hervorgeht, wenigſtens bei weitem nicht ſo bedeutend iſt. Die Spiegel naͤmlich werfen alle Arten von Strahlen unge- trennt zuruͤck, geben von weißen Strahlen ein weißes Bild, das, bei gehoͤrig ausgefuͤhrter Form des Spiegels, alle von einem Puncte ausgehende Strahlen auch genau in einem Puncte verei- nigt zeigen muß. Newtons großes Anſehen iſt wohl Urſache ge- weſen, daß man die Verbeſſerung der Refractoren wirklich lange Zeit ganz vernachlaͤſſigte; aber er hatte ſich in der Meinung, daß die Farbenzerſtreuung auf eine beſtimmte Weiſe an die Brechung gebunden ſei, geirrt, und als Dollond, durch Eulers Unter- ſuchungen veranlaßt, dieſen Gegenſtand genauer unterſuchte, zeigte es ſich, daß man durch zwei verbundene Prismen aus verſchie- denen Glas-Arten eine Brechung ohne alle Farbenzerſtreuung erhalten koͤnne. Wenn man zwei gleiche Prismen (Fig. 97.) ſo verbindet, daß ihre Seiten HE, IB und alſo auch HG, CI, parallel werden, ſo erhellt leicht, daß alle Farbenzerſtreuung, aber auch alle Bre- chung aufgehoben wird; ein einfallender Strahl AB wird zwar in B gebrochen, in C wieder gebrochen, aber da HG, IK parallel ſind, ſo iſt im zweiten Prisma DE mit BC, dann aber auch AB mit EF parallel. Fallen alſo bei B rothe, gelbe, blaue Strahlen, im weißen Strahle vereinigt, in einerlei Richtung ein, ſo gehen ſie auch in EF wieder parallel fort, und bringen den Eindruck des Weiß im Auge hervor. Anders wuͤrde es ſein, wenn zwar die mitt- leren Strahlen, wofuͤr wir die ungefaͤhr an der Grenze des Gruͤn und Gelb im Farbenbilde liegenden annehmen, gleich gebrochen wuͤrden, aber die Farbenzerſtreuung im zweiten Prisma groͤßer

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/203>, abgerufen am 24.11.2024.