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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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fragen, ob es denn ein andres, als ein sich verstärkendes Zusam-
mentreffen geben könne.

Diese Vorstellung von Lichtwellen würde vollkommen einfach
sein, wenn nicht die Mannigfaltigkeit der Farben sie viel verwickel-
ter machte. Denken wir uns die Lichtwellen, die unserm Auge
die Empfindung des äußersten Roth im prismatischen Sonnenbilde
gewähren, so müssen wir diesen eine gewisse Wellenlänge beilegen,
und wo nur dieses Licht hervorgeht, da folgen sich gleichmäßig alle
Wellen in gleichem Abstande. Aber dieser Abstand ist ein anderer
bei den Wellen des gelben Lichtes, bei denen des grünen, des
blauen, des violetten, und da, wie ich früher überzeugend gezeigt
zu haben hoffe, es eine unendliche Mannigfaltigkeit ungleich brech-
barer Strahlen giebt, da zwischen dem äußersten Roth und dem
äußersten Violett im Sonnenstrahle fast alle Abstufungen von
Brechbarkeit in wenig unterbrochener Reihenfolge vorkommen; so
muß es eine unzählig mannigfaltige Reihenfolge verschiedener Wel-
len geben, die alle eine gleiche Fortpflanzungsgeschwindigkeit haben,
aber an Länge oder in Hinsicht des Abstandes der in gleichem Ver-
dichtungs- und Verdünnungszustande befindlichen Aethertheilchen,
in einer ganzen Reihe von Abstufunge von einander verschieden
sind. Alle diese Wellen-Arten kommen im Sonnenlichte also zu
uns und indem sie alle zugleich unser Auge rühren, haben wir die
Empfindung des Weiß; alle diese Wellen-Arten dringen mit Bei-
behaltung ihrer ganzen Mannigfaltigkeit durch die ungefärbten
durchsichtigen Körper, statt daß die farbigen durchsichtigen Körper
nur einige dieser Wellen-Arten, nur die, welche in gewissen be-
stimmten Wellenlängen einander folgen, durchlassen. Bei der Bre-
chung nimmt jede dieser Wellen-Arten eine andre Richtung an,
und jeder im strengsten Sinne keiner weiteren Zerstreuung fähige
Farbenstrahl enthält nur eine Art von Wellenfolge. -- Gewiß ist
diese Vorstellung von so mannigfaltigen Wellen-Arten, die jede in
eben der Richtung ihre Bewegung regelmäßig fortsetzen, deren keine
die andre stört, schon etwas schwer zu fassendes, und doch müssen
wir, um die wunderbaren Erscheinungen des Lichtes zu verstehen,
noch größere Verwickelungen zugestehen.

Diese Verwickelung könnte uns geneigt machen, wieder zu der
Emissionstheorie zurückzukehren; aber auch dort ist die Verwickelung

fragen, ob es denn ein andres, als ein ſich verſtaͤrkendes Zuſam-
mentreffen geben koͤnne.

Dieſe Vorſtellung von Lichtwellen wuͤrde vollkommen einfach
ſein, wenn nicht die Mannigfaltigkeit der Farben ſie viel verwickel-
ter machte. Denken wir uns die Lichtwellen, die unſerm Auge
die Empfindung des aͤußerſten Roth im prismatiſchen Sonnenbilde
gewaͤhren, ſo muͤſſen wir dieſen eine gewiſſe Wellenlaͤnge beilegen,
und wo nur dieſes Licht hervorgeht, da folgen ſich gleichmaͤßig alle
Wellen in gleichem Abſtande. Aber dieſer Abſtand iſt ein anderer
bei den Wellen des gelben Lichtes, bei denen des gruͤnen, des
blauen, des violetten, und da, wie ich fruͤher uͤberzeugend gezeigt
zu haben hoffe, es eine unendliche Mannigfaltigkeit ungleich brech-
barer Strahlen giebt, da zwiſchen dem aͤußerſten Roth und dem
aͤußerſten Violett im Sonnenſtrahle faſt alle Abſtufungen von
Brechbarkeit in wenig unterbrochener Reihenfolge vorkommen; ſo
muß es eine unzaͤhlig mannigfaltige Reihenfolge verſchiedener Wel-
len geben, die alle eine gleiche Fortpflanzungsgeſchwindigkeit haben,
aber an Laͤnge oder in Hinſicht des Abſtandes der in gleichem Ver-
dichtungs- und Verduͤnnungszuſtande befindlichen Aethertheilchen,
in einer ganzen Reihe von Abſtufunge von einander verſchieden
ſind. Alle dieſe Wellen-Arten kommen im Sonnenlichte alſo zu
uns und indem ſie alle zugleich unſer Auge ruͤhren, haben wir die
Empfindung des Weiß; alle dieſe Wellen-Arten dringen mit Bei-
behaltung ihrer ganzen Mannigfaltigkeit durch die ungefaͤrbten
durchſichtigen Koͤrper, ſtatt daß die farbigen durchſichtigen Koͤrper
nur einige dieſer Wellen-Arten, nur die, welche in gewiſſen be-
ſtimmten Wellenlaͤngen einander folgen, durchlaſſen. Bei der Bre-
chung nimmt jede dieſer Wellen-Arten eine andre Richtung an,
und jeder im ſtrengſten Sinne keiner weiteren Zerſtreuung faͤhige
Farbenſtrahl enthaͤlt nur eine Art von Wellenfolge. — Gewiß iſt
dieſe Vorſtellung von ſo mannigfaltigen Wellen-Arten, die jede in
eben der Richtung ihre Bewegung regelmaͤßig fortſetzen, deren keine
die andre ſtoͤrt, ſchon etwas ſchwer zu faſſendes, und doch muͤſſen
wir, um die wunderbaren Erſcheinungen des Lichtes zu verſtehen,
noch groͤßere Verwickelungen zugeſtehen.

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[258/0272] fragen, ob es denn ein andres, als ein ſich verſtaͤrkendes Zuſam- mentreffen geben koͤnne. Dieſe Vorſtellung von Lichtwellen wuͤrde vollkommen einfach ſein, wenn nicht die Mannigfaltigkeit der Farben ſie viel verwickel- ter machte. Denken wir uns die Lichtwellen, die unſerm Auge die Empfindung des aͤußerſten Roth im prismatiſchen Sonnenbilde gewaͤhren, ſo muͤſſen wir dieſen eine gewiſſe Wellenlaͤnge beilegen, und wo nur dieſes Licht hervorgeht, da folgen ſich gleichmaͤßig alle Wellen in gleichem Abſtande. Aber dieſer Abſtand iſt ein anderer bei den Wellen des gelben Lichtes, bei denen des gruͤnen, des blauen, des violetten, und da, wie ich fruͤher uͤberzeugend gezeigt zu haben hoffe, es eine unendliche Mannigfaltigkeit ungleich brech- barer Strahlen giebt, da zwiſchen dem aͤußerſten Roth und dem aͤußerſten Violett im Sonnenſtrahle faſt alle Abſtufungen von Brechbarkeit in wenig unterbrochener Reihenfolge vorkommen; ſo muß es eine unzaͤhlig mannigfaltige Reihenfolge verſchiedener Wel- len geben, die alle eine gleiche Fortpflanzungsgeſchwindigkeit haben, aber an Laͤnge oder in Hinſicht des Abſtandes der in gleichem Ver- dichtungs- und Verduͤnnungszuſtande befindlichen Aethertheilchen, in einer ganzen Reihe von Abſtufunge von einander verſchieden ſind. Alle dieſe Wellen-Arten kommen im Sonnenlichte alſo zu uns und indem ſie alle zugleich unſer Auge ruͤhren, haben wir die Empfindung des Weiß; alle dieſe Wellen-Arten dringen mit Bei- behaltung ihrer ganzen Mannigfaltigkeit durch die ungefaͤrbten durchſichtigen Koͤrper, ſtatt daß die farbigen durchſichtigen Koͤrper nur einige dieſer Wellen-Arten, nur die, welche in gewiſſen be- ſtimmten Wellenlaͤngen einander folgen, durchlaſſen. Bei der Bre- chung nimmt jede dieſer Wellen-Arten eine andre Richtung an, und jeder im ſtrengſten Sinne keiner weiteren Zerſtreuung faͤhige Farbenſtrahl enthaͤlt nur eine Art von Wellenfolge. — Gewiß iſt dieſe Vorſtellung von ſo mannigfaltigen Wellen-Arten, die jede in eben der Richtung ihre Bewegung regelmaͤßig fortſetzen, deren keine die andre ſtoͤrt, ſchon etwas ſchwer zu faſſendes, und doch muͤſſen wir, um die wunderbaren Erſcheinungen des Lichtes zu verſtehen, noch groͤßere Verwickelungen zugeſtehen. Dieſe Verwickelung koͤnnte uns geneigt machen, wieder zu der Emiſſionstheorie zuruͤckzukehren; aber auch dort iſt die Verwickelung

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/272>, abgerufen am 21.11.2024.