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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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Der Würfel hat durchaus keine Linie, die als nur einmal
vorkommend, als einzig in ihrer Art könnte angesehen werden, son-
dern überall bieten sich uns mehr übereinstimmende Axen dar. Zie-
hen wir eine Linie zwischen der Mitte zweier paralleler Seiten, so
ist das allerdings eine Axe, aber die beiden andern Seitenpaare
geben ebensolche Axen, und alle drei sind auf einander senkrecht.
Ist der Crystall ein regelmäßiges Octaeder (Fig. 139.), das heißt,
besteht er aus zwei vierseitigen Pyramiden, deren Grundflächen
zusammenfallen, und deren Seitenflächen gleichseitige Drei-Ecke
sind, so ist freilich die Linie AB eine Axe, aber CD auch, EF auch,
und alle drei auf einander senkrecht. Solche Crystalle brechen das
Licht nie doppelt. Ist dagegen der Crystall statt eines Würfels ein
Rhomboid, wie der Kalkspath, so daß eine bestimmte Linie als ein-
zige Axe hervortritt, so bricht der Crystall, als einaxiger Crystall
das Licht doppelt. Eben das ist der Fall, wenn im Octaeder
zwar CEDF ein Quadrat bleibt, aber die beide Spitzen nicht aus
gleichseitigen Drei-Ecken, sondern aus gleichschenklichen gebildet
sind; dann ist BA die einzige Axe und der Crystall bricht das Licht
dieser Form gemäß doppelt. Andre Mineralien haben zwei geome-
trische Axen, zum Beispiel das vierseitige Prisma mit nicht qua-
dratischer Grundfläche, wie der Topas, dessen Crystalle prismatisch
mit rautenförmiger Basis sind. Brewster führt die hieher ge-
hörigen Betrachtungen noch weiter aus, indem er zeigt, wie zwi-
schen den mehreren Linien, die man Axen nennen könnte, zum
Beispiel im Rhomboid zwischen den von der Mitte einer Seite zur
Mitte der gegenüberliegenden gezogenen, sich jene eine Haupt-Axe
als gegen diese Axen symmetrisch liegend ergiebt, und so weiter.

An diese Bestimmung, welche die genaue Verbindung zwi-
schen der geometrischen Gestalt des Crystalles und seiner Einwirkung
auf das Licht zeigt, hat Mitscherlich die ganz neue Bemerkung
gefügt, daß auch bei der Ausdehnung durch die Wärme die Crystalle
sich nach ähnlichen Gesetzen verschieden zeigen. Die Crystalle, welche
keine doppelte Strahlenbrechung zeigen, dehnen sich nach allen Sei-
ten gleich aus und ihre Winkel bleiben bei jeder Erwärmung un-
geändert. Die Crystalle mit einer Axe dehnen sich nach der Rich-
tung der Axe anders aus, als nach den übrigen Richtungen, und
daher ändern sich die Winkel dieser Crystalle bei zunehmender Er-

Der Wuͤrfel hat durchaus keine Linie, die als nur einmal
vorkommend, als einzig in ihrer Art koͤnnte angeſehen werden, ſon-
dern uͤberall bieten ſich uns mehr uͤbereinſtimmende Axen dar. Zie-
hen wir eine Linie zwiſchen der Mitte zweier paralleler Seiten, ſo
iſt das allerdings eine Axe, aber die beiden andern Seitenpaare
geben ebenſolche Axen, und alle drei ſind auf einander ſenkrecht.
Iſt der Cryſtall ein regelmaͤßiges Octaëder (Fig. 139.), das heißt,
beſteht er aus zwei vierſeitigen Pyramiden, deren Grundflaͤchen
zuſammenfallen, und deren Seitenflaͤchen gleichſeitige Drei-Ecke
ſind, ſo iſt freilich die Linie AB eine Axe, aber CD auch, EF auch,
und alle drei auf einander ſenkrecht. Solche Cryſtalle brechen das
Licht nie doppelt. Iſt dagegen der Cryſtall ſtatt eines Wuͤrfels ein
Rhomboid, wie der Kalkſpath, ſo daß eine beſtimmte Linie als ein-
zige Axe hervortritt, ſo bricht der Cryſtall, als einaxiger Cryſtall
das Licht doppelt. Eben das iſt der Fall, wenn im Octaëder
zwar CEDF ein Quadrat bleibt, aber die beide Spitzen nicht aus
gleichſeitigen Drei-Ecken, ſondern aus gleichſchenklichen gebildet
ſind; dann iſt BA die einzige Axe und der Cryſtall bricht das Licht
dieſer Form gemaͤß doppelt. Andre Mineralien haben zwei geome-
triſche Axen, zum Beiſpiel das vierſeitige Prisma mit nicht qua-
dratiſcher Grundflaͤche, wie der Topas, deſſen Cryſtalle prismatiſch
mit rautenfoͤrmiger Baſis ſind. Brewſter fuͤhrt die hieher ge-
hoͤrigen Betrachtungen noch weiter aus, indem er zeigt, wie zwi-
ſchen den mehreren Linien, die man Axen nennen koͤnnte, zum
Beiſpiel im Rhomboid zwiſchen den von der Mitte einer Seite zur
Mitte der gegenuͤberliegenden gezogenen, ſich jene eine Haupt-Axe
als gegen dieſe Axen ſymmetriſch liegend ergiebt, und ſo weiter.

An dieſe Beſtimmung, welche die genaue Verbindung zwi-
ſchen der geometriſchen Geſtalt des Cryſtalles und ſeiner Einwirkung
auf das Licht zeigt, hat Mitſcherlich die ganz neue Bemerkung
gefuͤgt, daß auch bei der Ausdehnung durch die Waͤrme die Cryſtalle
ſich nach aͤhnlichen Geſetzen verſchieden zeigen. Die Cryſtalle, welche
keine doppelte Strahlenbrechung zeigen, dehnen ſich nach allen Sei-
ten gleich aus und ihre Winkel bleiben bei jeder Erwaͤrmung un-
geaͤndert. Die Cryſtalle mit einer Axe dehnen ſich nach der Rich-
tung der Axe anders aus, als nach den uͤbrigen Richtungen, und
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[315/0329] Der Wuͤrfel hat durchaus keine Linie, die als nur einmal vorkommend, als einzig in ihrer Art koͤnnte angeſehen werden, ſon- dern uͤberall bieten ſich uns mehr uͤbereinſtimmende Axen dar. Zie- hen wir eine Linie zwiſchen der Mitte zweier paralleler Seiten, ſo iſt das allerdings eine Axe, aber die beiden andern Seitenpaare geben ebenſolche Axen, und alle drei ſind auf einander ſenkrecht. Iſt der Cryſtall ein regelmaͤßiges Octaëder (Fig. 139.), das heißt, beſteht er aus zwei vierſeitigen Pyramiden, deren Grundflaͤchen zuſammenfallen, und deren Seitenflaͤchen gleichſeitige Drei-Ecke ſind, ſo iſt freilich die Linie AB eine Axe, aber CD auch, EF auch, und alle drei auf einander ſenkrecht. Solche Cryſtalle brechen das Licht nie doppelt. Iſt dagegen der Cryſtall ſtatt eines Wuͤrfels ein Rhomboid, wie der Kalkſpath, ſo daß eine beſtimmte Linie als ein- zige Axe hervortritt, ſo bricht der Cryſtall, als einaxiger Cryſtall das Licht doppelt. Eben das iſt der Fall, wenn im Octaëder zwar CEDF ein Quadrat bleibt, aber die beide Spitzen nicht aus gleichſeitigen Drei-Ecken, ſondern aus gleichſchenklichen gebildet ſind; dann iſt BA die einzige Axe und der Cryſtall bricht das Licht dieſer Form gemaͤß doppelt. Andre Mineralien haben zwei geome- triſche Axen, zum Beiſpiel das vierſeitige Prisma mit nicht qua- dratiſcher Grundflaͤche, wie der Topas, deſſen Cryſtalle prismatiſch mit rautenfoͤrmiger Baſis ſind. Brewſter fuͤhrt die hieher ge- hoͤrigen Betrachtungen noch weiter aus, indem er zeigt, wie zwi- ſchen den mehreren Linien, die man Axen nennen koͤnnte, zum Beiſpiel im Rhomboid zwiſchen den von der Mitte einer Seite zur Mitte der gegenuͤberliegenden gezogenen, ſich jene eine Haupt-Axe als gegen dieſe Axen ſymmetriſch liegend ergiebt, und ſo weiter. An dieſe Beſtimmung, welche die genaue Verbindung zwi- ſchen der geometriſchen Geſtalt des Cryſtalles und ſeiner Einwirkung auf das Licht zeigt, hat Mitſcherlich die ganz neue Bemerkung gefuͤgt, daß auch bei der Ausdehnung durch die Waͤrme die Cryſtalle ſich nach aͤhnlichen Geſetzen verſchieden zeigen. Die Cryſtalle, welche keine doppelte Strahlenbrechung zeigen, dehnen ſich nach allen Sei- ten gleich aus und ihre Winkel bleiben bei jeder Erwaͤrmung un- geaͤndert. Die Cryſtalle mit einer Axe dehnen ſich nach der Rich- tung der Axe anders aus, als nach den uͤbrigen Richtungen, und daher aͤndern ſich die Winkel dieſer Cryſtalle bei zunehmender Er-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/329>, abgerufen am 21.11.2024.