geben keine Interferenzen mehr mit einander, (wie Fresnel durch Versuche gefunden hat,) weil diese so wesentlich verschiedenen Vibrationen nicht verstärkend und schwächend auf die von der Differenz der Wege abhängige Weise auf einander einwirken kön- nen; gleich polarisirte Strahlen zeigen dagegen die Interferenzen, weil hier Hingang und Rückgang der Theilchen zusammen treffen oder einander grade entgegengesetzt sein können, und dies offenbar der Differenz der Wege entsprechend. Um die Interferenz bei un- polarisirten Strahlen zu erklären, ist es offenbar zureichend, die Wechsel in der Richtung der Vibrationen als eine regelmäßige Folge beobachtend anzusehen, wo dann allerdings, wenn in zwei Strahlen an bestimmtem Orte die Richtung der Vibration einmal zusam- menstimmt, dieses unaufhörlich der Fall sein wird, und dagegen wenn die Länge der Wege um eine halbe Wellenlänge (das heißt, um den Zwischenraum, der die Transversalverschiebungen, welche einander grade entgegengesetzt sind, trennt,) verschieden sind, so entsteht die zerstörende Interferenz.
Diese allerdings scharfsinnige, aber gewiß auch höchst ver- wickelte Auskunft über die den Polarisations-Erscheinungen ent- sprechende Beschaffenheit der Lichtwellen hat Cauchy neuerlich durch eine theoretische Untersuchung zu bestätigen gesucht. Die kurze Anzeige, die er selbst von seiner Untersuchung macht, reicht nicht hin, um diese Untersuchung ganz zu übersehen, und reicht noch weniger hin, um zu beurtheilen, ob denn die Voraussetzungen, aus welchen er fast genau alles das, was die Erfahrung ergiebt, herleitet, Beifall verdienen. Er setzt keine nach der Natur flüssiger Körper bedingte Verbindung der einzelnen Theilchen derjenigen Materie, in welcher das Licht sich fortpflanzt, voraus, sondern sucht die Bewegungen zu bestimmen, die bei getrennten, durch Attraction und Repulsion auf einander wirkenden Theilchen ent- stehen können. Daß hier nun zuerst die Folgerung hervorgeht, eine anfängliche, auf einen sehr kleinen Raum beschränkte Bewe- gung einiger Theilchen werde im Fortgange der Zeit eine auf die entlegnern Theilchen sich fortpflanzende entsprechende Bewegung hervorbringen, die in jedem Momente in Erschütterung gesetzten Theilchen werden in einer bestimmten Fläche liegen, und diese Welle werde fortschreitend zu den benachbarten Theilchen übergehen,
geben keine Interferenzen mehr mit einander, (wie Fresnel durch Verſuche gefunden hat,) weil dieſe ſo weſentlich verſchiedenen Vibrationen nicht verſtaͤrkend und ſchwaͤchend auf die von der Differenz der Wege abhaͤngige Weiſe auf einander einwirken koͤn- nen; gleich polariſirte Strahlen zeigen dagegen die Interferenzen, weil hier Hingang und Ruͤckgang der Theilchen zuſammen treffen oder einander grade entgegengeſetzt ſein koͤnnen, und dies offenbar der Differenz der Wege entſprechend. Um die Interferenz bei un- polariſirten Strahlen zu erklaͤren, iſt es offenbar zureichend, die Wechſel in der Richtung der Vibrationen als eine regelmaͤßige Folge beobachtend anzuſehen, wo dann allerdings, wenn in zwei Strahlen an beſtimmtem Orte die Richtung der Vibration einmal zuſam- menſtimmt, dieſes unaufhoͤrlich der Fall ſein wird, und dagegen wenn die Laͤnge der Wege um eine halbe Wellenlaͤnge (das heißt, um den Zwiſchenraum, der die Transverſalverſchiebungen, welche einander grade entgegengeſetzt ſind, trennt,) verſchieden ſind, ſo entſteht die zerſtoͤrende Interferenz.
Dieſe allerdings ſcharfſinnige, aber gewiß auch hoͤchſt ver- wickelte Auskunft uͤber die den Polariſations-Erſcheinungen ent- ſprechende Beſchaffenheit der Lichtwellen hat Cauchy neuerlich durch eine theoretiſche Unterſuchung zu beſtaͤtigen geſucht. Die kurze Anzeige, die er ſelbſt von ſeiner Unterſuchung macht, reicht nicht hin, um dieſe Unterſuchung ganz zu uͤberſehen, und reicht noch weniger hin, um zu beurtheilen, ob denn die Vorausſetzungen, aus welchen er faſt genau alles das, was die Erfahrung ergiebt, herleitet, Beifall verdienen. Er ſetzt keine nach der Natur fluͤſſiger Koͤrper bedingte Verbindung der einzelnen Theilchen derjenigen Materie, in welcher das Licht ſich fortpflanzt, voraus, ſondern ſucht die Bewegungen zu beſtimmen, die bei getrennten, durch Attraction und Repulſion auf einander wirkenden Theilchen ent- ſtehen koͤnnen. Daß hier nun zuerſt die Folgerung hervorgeht, eine anfaͤngliche, auf einen ſehr kleinen Raum beſchraͤnkte Bewe- gung einiger Theilchen werde im Fortgange der Zeit eine auf die entlegnern Theilchen ſich fortpflanzende entſprechende Bewegung hervorbringen, die in jedem Momente in Erſchuͤtterung geſetzten Theilchen werden in einer beſtimmten Flaͤche liegen, und dieſe Welle werde fortſchreitend zu den benachbarten Theilchen uͤbergehen,
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geben keine Interferenzen mehr mit einander, (wie Fresnel
durch Verſuche gefunden hat,) weil dieſe ſo weſentlich verſchiedenen
Vibrationen nicht verſtaͤrkend und ſchwaͤchend auf die von der
Differenz der Wege abhaͤngige Weiſe auf einander einwirken koͤn-
nen; gleich polariſirte Strahlen zeigen dagegen die Interferenzen,
weil hier Hingang und Ruͤckgang der Theilchen zuſammen treffen
oder einander grade entgegengeſetzt ſein koͤnnen, und dies offenbar
der Differenz der Wege entſprechend. Um die Interferenz bei un-
polariſirten Strahlen zu erklaͤren, iſt es offenbar zureichend, die
Wechſel in der Richtung der Vibrationen als eine regelmaͤßige Folge
beobachtend anzuſehen, wo dann allerdings, wenn in zwei Strahlen
an beſtimmtem Orte die Richtung der Vibration einmal zuſam-
menſtimmt, dieſes unaufhoͤrlich der Fall ſein wird, und dagegen
wenn die Laͤnge der Wege um eine halbe Wellenlaͤnge (das heißt,
um den Zwiſchenraum, der die Transverſalverſchiebungen, welche
einander grade entgegengeſetzt ſind, trennt,) verſchieden ſind, ſo
entſteht die zerſtoͤrende Interferenz.
Dieſe allerdings ſcharfſinnige, aber gewiß auch hoͤchſt ver-
wickelte Auskunft uͤber die den Polariſations-Erſcheinungen ent-
ſprechende Beſchaffenheit der Lichtwellen hat Cauchy neuerlich
durch eine theoretiſche Unterſuchung zu beſtaͤtigen geſucht. Die
kurze Anzeige, die er ſelbſt von ſeiner Unterſuchung macht, reicht
nicht hin, um dieſe Unterſuchung ganz zu uͤberſehen, und reicht
noch weniger hin, um zu beurtheilen, ob denn die Vorausſetzungen,
aus welchen er faſt genau alles das, was die Erfahrung ergiebt,
herleitet, Beifall verdienen. Er ſetzt keine nach der Natur fluͤſſiger
Koͤrper bedingte Verbindung der einzelnen Theilchen derjenigen
Materie, in welcher das Licht ſich fortpflanzt, voraus, ſondern
ſucht die Bewegungen zu beſtimmen, die bei getrennten, durch
Attraction und Repulſion auf einander wirkenden Theilchen ent-
ſtehen koͤnnen. Daß hier nun zuerſt die Folgerung hervorgeht,
eine anfaͤngliche, auf einen ſehr kleinen Raum beſchraͤnkte Bewe-
gung einiger Theilchen werde im Fortgange der Zeit eine auf die
entlegnern Theilchen ſich fortpflanzende entſprechende Bewegung
hervorbringen, die in jedem Momente in Erſchuͤtterung geſetzten
Theilchen werden in einer beſtimmten Flaͤche liegen, und dieſe
Welle werde fortſchreitend zu den benachbarten Theilchen uͤbergehen,
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/349>, abgerufen am 21.11.2024.
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