läßt sich wohl übersehen. Aber schwieriger ist es, den Grund ein- zusehen, warum, wenn diese Verschiebungen der Theilchen in einer Ebne liegen, eine Theilung dieser Welle in drei Wellen (eigentlich sechs, deren zwei und zwei gleiche entgegengesetzte Richtungen haben,) eintreten soll, deren jede eine verschiedene Geschwindigkeit besitzt. Nimmt man dies als richtig an, so läßt sich wieder einse- hen, daß unter gewissen Umständen die Zahl dieser Strahlen oder Wellensysteme sich auf zwei oder einen Strahl reduciren kann. Sind die anfänglichen Verschiebungen der Theilchen zwar in einer Ebne, aber nach allen möglichen Richtungen in derselben wechselnd, so soll sich aus dieser Theorie ergeben, daß die entstehenden drei Strah- len eine Polarisirung ganz in dem von Fresnel angenommenen Sinne haben, und daß jeder dieser Strahlen bei der Fortpflanzung in einem sich gleichen elastischen Mittel nun keine neue Spaltung mehr leidet, u. s. w. Die ferneren Folgerungen findet Cauchy den Erfahrungen über die doppelte Brechung sehr entsprechend und Fres- nel's Vorstellung von Quervibrationen gerechtfertigt; es kömmt aber hier alles darauf an, daß zuerst die Gründe der allgemeinen Un- tersuchung deutlicher entwickelt, dann die beschränkenden Voraus- setzungen über die Gesetze der Wirksamkeit der hier thätigen Kräfte geprüft werden, und endlich die Frage vollständig entschieden werde, ob in einer Rechnung, wo man allerdings manche Glieder der For- meln, ihrer Kleinheit wegen, wird weglassen dürfen, nicht eine zu große Willkür in dieser Hinsicht, dadurch aber Unsicherheit der gan- zen Schlußfolge eintrete.
Ich breche diese verwickelten Betrachtungen ab, die freilich bei so mannigfaltigen und wunderbaren Eigenschaften des Lichtes vielleicht nicht einfacher aufgefaßt werden können, die aber doch den Vorwurf, auf willkürliche Voraussetzungen gegründet zu sein, wohl nicht ablehnen können, und daher den Vorzug größerer Einfachheit vor der Emanationstheorie nicht mehr zu behaupten scheinen.
laͤßt ſich wohl uͤberſehen. Aber ſchwieriger iſt es, den Grund ein- zuſehen, warum, wenn dieſe Verſchiebungen der Theilchen in einer Ebne liegen, eine Theilung dieſer Welle in drei Wellen (eigentlich ſechs, deren zwei und zwei gleiche entgegengeſetzte Richtungen haben,) eintreten ſoll, deren jede eine verſchiedene Geſchwindigkeit beſitzt. Nimmt man dies als richtig an, ſo laͤßt ſich wieder einſe- hen, daß unter gewiſſen Umſtaͤnden die Zahl dieſer Strahlen oder Wellenſyſteme ſich auf zwei oder einen Strahl reduciren kann. Sind die anfaͤnglichen Verſchiebungen der Theilchen zwar in einer Ebne, aber nach allen moͤglichen Richtungen in derſelben wechſelnd, ſo ſoll ſich aus dieſer Theorie ergeben, daß die entſtehenden drei Strah- len eine Polariſirung ganz in dem von Fresnel angenommenen Sinne haben, und daß jeder dieſer Strahlen bei der Fortpflanzung in einem ſich gleichen elaſtiſchen Mittel nun keine neue Spaltung mehr leidet, u. ſ. w. Die ferneren Folgerungen findet Cauchy den Erfahrungen uͤber die doppelte Brechung ſehr entſprechend und Fres- nel's Vorſtellung von Quervibrationen gerechtfertigt; es koͤmmt aber hier alles darauf an, daß zuerſt die Gruͤnde der allgemeinen Un- terſuchung deutlicher entwickelt, dann die beſchraͤnkenden Voraus- ſetzungen uͤber die Geſetze der Wirkſamkeit der hier thaͤtigen Kraͤfte gepruͤft werden, und endlich die Frage vollſtaͤndig entſchieden werde, ob in einer Rechnung, wo man allerdings manche Glieder der For- meln, ihrer Kleinheit wegen, wird weglaſſen duͤrfen, nicht eine zu große Willkuͤr in dieſer Hinſicht, dadurch aber Unſicherheit der gan- zen Schlußfolge eintrete.
Ich breche dieſe verwickelten Betrachtungen ab, die freilich bei ſo mannigfaltigen und wunderbaren Eigenſchaften des Lichtes vielleicht nicht einfacher aufgefaßt werden koͤnnen, die aber doch den Vorwurf, auf willkuͤrliche Vorausſetzungen gegruͤndet zu ſein, wohl nicht ablehnen koͤnnen, und daher den Vorzug groͤßerer Einfachheit vor der Emanationstheorie nicht mehr zu behaupten ſcheinen.
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laͤßt ſich wohl uͤberſehen. Aber ſchwieriger iſt es, den Grund ein-
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ſechs, deren zwei und zwei gleiche entgegengeſetzte Richtungen
haben,) eintreten ſoll, deren jede eine verſchiedene Geſchwindigkeit
beſitzt. Nimmt man dies als richtig an, ſo laͤßt ſich wieder einſe-
hen, daß unter gewiſſen Umſtaͤnden die Zahl dieſer Strahlen oder
Wellenſyſteme ſich auf zwei oder einen Strahl reduciren kann. Sind
die anfaͤnglichen Verſchiebungen der Theilchen zwar in einer Ebne,
aber nach allen moͤglichen Richtungen in derſelben wechſelnd, ſo
ſoll ſich aus dieſer Theorie ergeben, daß die entſtehenden drei Strah-
len eine Polariſirung ganz in dem von Fresnel angenommenen
Sinne haben, und daß jeder dieſer Strahlen bei der Fortpflanzung
in einem ſich gleichen elaſtiſchen Mittel nun keine neue Spaltung
mehr leidet, u. ſ. w. Die ferneren Folgerungen findet Cauchy den
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nel's Vorſtellung von Quervibrationen gerechtfertigt; es koͤmmt
aber hier alles darauf an, daß zuerſt die Gruͤnde der allgemeinen Un-
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ſetzungen uͤber die Geſetze der Wirkſamkeit der hier thaͤtigen Kraͤfte
gepruͤft werden, und endlich die Frage vollſtaͤndig entſchieden werde,
ob in einer Rechnung, wo man allerdings manche Glieder der For-
meln, ihrer Kleinheit wegen, wird weglaſſen duͤrfen, nicht eine zu
große Willkuͤr in dieſer Hinſicht, dadurch aber Unſicherheit der gan-
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Ich breche dieſe verwickelten Betrachtungen ab, die freilich
bei ſo mannigfaltigen und wunderbaren Eigenſchaften des Lichtes
vielleicht nicht einfacher aufgefaßt werden koͤnnen, die aber doch den
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/350>, abgerufen am 21.11.2024.
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