sein, statt daß sie in andern Fällen den Oberflächen parallel sind. Betrachtet man diese natürlichen Schichten des Crystalles als aus lauter gleichen regelmäßigen Körpern bestehend, die man integrirende Theilchen genannt hat, so können alle diese über einander liegenden Schichten entweder sämmtlich aus einer gleichen Anzahl solcher Theilchen bestehen, und dann bleibt jede folgende Schichte, also auch die die letzte Oberfläche bildende gleich groß, die Oberfläche selbst ist den Schichten parallel; oder diese Schichten bestehen nach der Längenrichtung aus immer gleich vielen Theilchen, während ihre Zahl nach der Querrichtung abnimmt; dann bilden diese immer schmäleren, endlich bis zu einer bloßen einfachen Reihe von Theilchen abneh- menden Schichten eine dachförmige Gestalt; oder die Schichten nehmen zugleich an Länge und Breite ab, bis sie sich in eine Spitze endigen und eine Pyramidenform hervorbringen. Dies reicht hin, um einen Begriff von den ungleichen Gestalten zu geben, die aus gleichen integrirenden Theilchen hervorgehen können, und um oben- hin zu übersehen, daß die Mannigfaltigkeit der Formen theils nach der Verschiedenheit der integrirenden Theilchen, theils nach diesem Gesetze der Zusammensetzung sehr groß sein kann; daß aber be- stimmte integrirende Theilchen doch nur bestimmte Formen geben können, und daher gewisse Körper zwar zu verschiedenen Crystall- formen, aber doch nur zu denen, die einer einzigen Art integrirender Theilchen entsprechen, geneigt sind. Ein Beispiel von der einfachsten Art wird dies deutlich machen. Wenn man sehr kleine Würfel so auf und an einander schichtet, daß alle Schichten zehn Reihen in der Länge und zehn Reihen in der Breite haben, so gelangt man durch zehn Schichten zu einem großen Würfel, der tausend jener kleinen Würfel enthält, und der Würfel, Cubus, ist also eine der Crystallformen, die aus jenen Würfelchen hervorgehen kann. Aber nun lasse man auf jede aus hundert Würfelflächen gebildete Seite des Würfels eine Schichte von 9 mal 9, auf diese eine Schichte von 8 mal 8, von 7 mal 7, von 6 mal 6 Würfeln, so aufgesetzt sein, daß die Seitenreihen jedesmal frei bleiben; so entsteht auf jeder Würfelseite eine vierseitige Pyramide, und bei dem angenom- menen Gesetze findet sich, daß die Ebenen sOI, tOI eine einzige vierseitige Seitenfläche bilden (Fig. 18 *), und daß dies an allen Seiten so der Fall ist. Bei dem Uebereinanderschichten mit gleich-
ſein, ſtatt daß ſie in andern Faͤllen den Oberflaͤchen parallel ſind. Betrachtet man dieſe natuͤrlichen Schichten des Cryſtalles als aus lauter gleichen regelmaͤßigen Koͤrpern beſtehend, die man integrirende Theilchen genannt hat, ſo koͤnnen alle dieſe uͤber einander liegenden Schichten entweder ſaͤmmtlich aus einer gleichen Anzahl ſolcher Theilchen beſtehen, und dann bleibt jede folgende Schichte, alſo auch die die letzte Oberflaͤche bildende gleich groß, die Oberflaͤche ſelbſt iſt den Schichten parallel; oder dieſe Schichten beſtehen nach der Laͤngenrichtung aus immer gleich vielen Theilchen, waͤhrend ihre Zahl nach der Querrichtung abnimmt; dann bilden dieſe immer ſchmaͤleren, endlich bis zu einer bloßen einfachen Reihe von Theilchen abneh- menden Schichten eine dachfoͤrmige Geſtalt; oder die Schichten nehmen zugleich an Laͤnge und Breite ab, bis ſie ſich in eine Spitze endigen und eine Pyramidenform hervorbringen. Dies reicht hin, um einen Begriff von den ungleichen Geſtalten zu geben, die aus gleichen integrirenden Theilchen hervorgehen koͤnnen, und um oben- hin zu uͤberſehen, daß die Mannigfaltigkeit der Formen theils nach der Verſchiedenheit der integrirenden Theilchen, theils nach dieſem Geſetze der Zuſammenſetzung ſehr groß ſein kann; daß aber be- ſtimmte integrirende Theilchen doch nur beſtimmte Formen geben koͤnnen, und daher gewiſſe Koͤrper zwar zu verſchiedenen Cryſtall- formen, aber doch nur zu denen, die einer einzigen Art integrirender Theilchen entſprechen, geneigt ſind. Ein Beiſpiel von der einfachſten Art wird dies deutlich machen. Wenn man ſehr kleine Wuͤrfel ſo auf und an einander ſchichtet, daß alle Schichten zehn Reihen in der Laͤnge und zehn Reihen in der Breite haben, ſo gelangt man durch zehn Schichten zu einem großen Wuͤrfel, der tauſend jener kleinen Wuͤrfel enthaͤlt, und der Wuͤrfel, Cubus, iſt alſo eine der Cryſtallformen, die aus jenen Wuͤrfelchen hervorgehen kann. Aber nun laſſe man auf jede aus hundert Wuͤrfelflaͤchen gebildete Seite des Wuͤrfels eine Schichte von 9 mal 9, auf dieſe eine Schichte von 8 mal 8, von 7 mal 7, von 6 mal 6 Wuͤrfeln, ſo aufgeſetzt ſein, daß die Seitenreihen jedesmal frei bleiben; ſo entſteht auf jeder Wuͤrfelſeite eine vierſeitige Pyramide, und bei dem angenom- menen Geſetze findet ſich, daß die Ebenen sOI, tOI eine einzige vierſeitige Seitenflaͤche bilden (Fig. 18 *), und daß dies an allen Seiten ſo der Fall iſt. Bei dem Uebereinanderſchichten mit gleich-
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ſein, ſtatt daß ſie in andern Faͤllen den Oberflaͤchen parallel ſind.
Betrachtet man dieſe natuͤrlichen Schichten des Cryſtalles als aus
lauter gleichen regelmaͤßigen Koͤrpern beſtehend, die man integrirende
Theilchen genannt hat, ſo koͤnnen alle dieſe uͤber einander liegenden
Schichten entweder ſaͤmmtlich aus einer gleichen Anzahl ſolcher
Theilchen beſtehen, und dann bleibt jede folgende Schichte, alſo auch
die die letzte Oberflaͤche bildende gleich groß, die Oberflaͤche ſelbſt
iſt den Schichten parallel; oder dieſe Schichten beſtehen nach der
Laͤngenrichtung aus immer gleich vielen Theilchen, waͤhrend ihre Zahl
nach der Querrichtung abnimmt; dann bilden dieſe immer ſchmaͤleren,
endlich bis zu einer bloßen einfachen Reihe von Theilchen abneh-
menden Schichten eine dachfoͤrmige Geſtalt; oder die Schichten
nehmen zugleich an Laͤnge und Breite ab, bis ſie ſich in eine Spitze
endigen und eine Pyramidenform hervorbringen. Dies reicht hin,
um einen Begriff von den ungleichen Geſtalten zu geben, die aus
gleichen integrirenden Theilchen hervorgehen koͤnnen, und um oben-
hin zu uͤberſehen, daß die Mannigfaltigkeit der Formen theils nach
der Verſchiedenheit der integrirenden Theilchen, theils nach dieſem
Geſetze der Zuſammenſetzung ſehr groß ſein kann; daß aber be-
ſtimmte integrirende Theilchen doch nur beſtimmte Formen geben
koͤnnen, und daher gewiſſe Koͤrper zwar zu verſchiedenen Cryſtall-
formen, aber doch nur zu denen, die einer einzigen Art integrirender
Theilchen entſprechen, geneigt ſind. Ein Beiſpiel von der einfachſten
Art wird dies deutlich machen. Wenn man ſehr kleine Wuͤrfel ſo
auf und an einander ſchichtet, daß alle Schichten zehn Reihen in
der Laͤnge und zehn Reihen in der Breite haben, ſo gelangt man
durch zehn Schichten zu einem großen Wuͤrfel, der tauſend jener
kleinen Wuͤrfel enthaͤlt, und der Wuͤrfel, Cubus, iſt alſo eine der
Cryſtallformen, die aus jenen Wuͤrfelchen hervorgehen kann. Aber
nun laſſe man auf jede aus hundert Wuͤrfelflaͤchen gebildete Seite
des Wuͤrfels eine Schichte von 9 mal 9, auf dieſe eine Schichte
von 8 mal 8, von 7 mal 7, von 6 mal 6 Wuͤrfeln, ſo aufgeſetzt
ſein, daß die Seitenreihen jedesmal frei bleiben; ſo entſteht auf
jeder Wuͤrfelſeite eine vierſeitige Pyramide, und bei dem angenom-
menen Geſetze findet ſich, daß die Ebenen sOI, tOI eine einzige
vierſeitige Seitenflaͤche bilden (Fig. 18 *), und daß dies an allen
Seiten ſo der Fall iſt. Bei dem Uebereinanderſchichten mit gleich-
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/55>, abgerufen am 21.11.2024.
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