Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

In manchen Fällen haben wir nicht eine von einem einzigen
Puncte ausgehende Erleuchtung; aber auch dann läßt sich eine
Berechnung, die ich hier nur oberflächlich angeben kann, anstellen.
Wenn eine horizontale Fläche durch die Fenster eines Zimmers er-
leuchtet wird, und diese Erleuchtung bloß vom hellen Himmel aus-
geht, dessen Licht wir als in allen Puncten gleich ansehen, so müßte
für jeden Theil des durch das Fenster sichtbaren Himmels die dem
schiefen Einfallen der Strahlen und der Größe jedes Theiles ange-
messene Erleuchtung für eine bestimmte Stelle berechnet werden,
und die Summe dieser Erleuchtungen gäbe das, was wir zu haben
verlangen. Mit Hülfe solcher Berechnungen, die eine größere
Schärfe gestatten, als wir in ähnlichen Fällen zu fordern pflegen,
könnte man im Voraus beurtheilen, ob eine veränderte Wohnung
oder eine veränderte Stellung des Tisches, auf dem ich schreibe,
mir in Hinsicht der Tageshelligkeit mehr oder mindere Beleuchtung
gewähre. Alle Umstände lassen sich dabei freilich nicht wohl berück-
sichtigen, indem die Wände der benachbarten Häuser, der weiße
oder farbige Anstrich des Zimmers, sehr erheblich mit einwirken;
indeß ist es doch angenehm, zu übersehen, welche Bestimmungen
sich uns hier darbieten. Zum Schlusse dieser Betrachtung will ich
noch beifügen, daß eine horizontale Fläche durch den ganzen hellen
Himmel, wenn dessen Licht im Freien durch nichts aufgehalten
wird, grade halb so sehr erleuchtet wird, als es geschehen würde,
wenn alle von der Halbkugel des Himmels auffallenden Lichtstrah-
len senkrecht auffielen.

Auch auf astronomische Gegenstände findet eine Anwendung
dieser photometrischen Regeln statt. Der Planet Jupiter ist 5 mal
so weit als die Erde von der Sonne entfernt, also wird eine dort
den Sonnenstrahlen senkrecht dargebotene Ebne nur so stark
erleuchtet, als auf der Erde; auf der Venus hingegen, deren Ent-
fernung von der Sonne nur 3/4 der Entfernung der Erde von der
Sonne ist, muß die Erleuchtung beinahe doppelt so groß, als auf
der Erde, sein; und obgleich wir, bei unserer Unkunde über Farbe
und sonstige Beschaffenheit der Planeten-Oberflächen, noch keine
weitere Vergleichungen auf diese Bestimmung gründen können, so
erklärt sich doch das glänzende Licht der Venus und des der Sonne
noch näheren Mercurius aus dieser Betrachtung.


In manchen Faͤllen haben wir nicht eine von einem einzigen
Puncte ausgehende Erleuchtung; aber auch dann laͤßt ſich eine
Berechnung, die ich hier nur oberflaͤchlich angeben kann, anſtellen.
Wenn eine horizontale Flaͤche durch die Fenſter eines Zimmers er-
leuchtet wird, und dieſe Erleuchtung bloß vom hellen Himmel aus-
geht, deſſen Licht wir als in allen Puncten gleich anſehen, ſo muͤßte
fuͤr jeden Theil des durch das Fenſter ſichtbaren Himmels die dem
ſchiefen Einfallen der Strahlen und der Groͤße jedes Theiles ange-
meſſene Erleuchtung fuͤr eine beſtimmte Stelle berechnet werden,
und die Summe dieſer Erleuchtungen gaͤbe das, was wir zu haben
verlangen. Mit Huͤlfe ſolcher Berechnungen, die eine groͤßere
Schaͤrfe geſtatten, als wir in aͤhnlichen Faͤllen zu fordern pflegen,
koͤnnte man im Voraus beurtheilen, ob eine veraͤnderte Wohnung
oder eine veraͤnderte Stellung des Tiſches, auf dem ich ſchreibe,
mir in Hinſicht der Tageshelligkeit mehr oder mindere Beleuchtung
gewaͤhre. Alle Umſtaͤnde laſſen ſich dabei freilich nicht wohl beruͤck-
ſichtigen, indem die Waͤnde der benachbarten Haͤuſer, der weiße
oder farbige Anſtrich des Zimmers, ſehr erheblich mit einwirken;
indeß iſt es doch angenehm, zu uͤberſehen, welche Beſtimmungen
ſich uns hier darbieten. Zum Schluſſe dieſer Betrachtung will ich
noch beifuͤgen, daß eine horizontale Flaͤche durch den ganzen hellen
Himmel, wenn deſſen Licht im Freien durch nichts aufgehalten
wird, grade halb ſo ſehr erleuchtet wird, als es geſchehen wuͤrde,
wenn alle von der Halbkugel des Himmels auffallenden Lichtſtrah-
len ſenkrecht auffielen.

Auch auf aſtronomiſche Gegenſtaͤnde findet eine Anwendung
dieſer photometriſchen Regeln ſtatt. Der Planet Jupiter iſt 5 mal
ſo weit als die Erde von der Sonne entfernt, alſo wird eine dort
den Sonnenſtrahlen ſenkrecht dargebotene Ebne nur ſo ſtark
erleuchtet, als auf der Erde; auf der Venus hingegen, deren Ent-
fernung von der Sonne nur ¾ der Entfernung der Erde von der
Sonne iſt, muß die Erleuchtung beinahe doppelt ſo groß, als auf
der Erde, ſein; und obgleich wir, bei unſerer Unkunde uͤber Farbe
und ſonſtige Beſchaffenheit der Planeten-Oberflaͤchen, noch keine
weitere Vergleichungen auf dieſe Beſtimmung gruͤnden koͤnnen, ſo
erklaͤrt ſich doch das glaͤnzende Licht der Venus und des der Sonne
noch naͤheren Mercurius aus dieſer Betrachtung.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0085" n="71"/>
          <p>In manchen Fa&#x0364;llen haben wir nicht eine von einem                         einzigen<lb/>
Puncte ausgehende Erleuchtung; aber auch dann la&#x0364;ßt                         &#x017F;ich eine<lb/>
Berechnung, die ich hier nur                         oberfla&#x0364;chlich angeben kann, an&#x017F;tellen.<lb/>
Wenn eine                         horizontale Fla&#x0364;che durch die Fen&#x017F;ter eines Zimmers                         er-<lb/>
leuchtet wird, und die&#x017F;e Erleuchtung bloß vom hellen                         Himmel aus-<lb/>
geht, de&#x017F;&#x017F;en Licht wir als in allen                         Puncten gleich an&#x017F;ehen, &#x017F;o                         mu&#x0364;ßte<lb/>
fu&#x0364;r jeden Theil des durch das                         Fen&#x017F;ter &#x017F;ichtbaren Himmels die                         dem<lb/>
&#x017F;chiefen Einfallen der Strahlen und der Gro&#x0364;ße                         jedes Theiles ange-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;ene Erleuchtung                         fu&#x0364;r eine be&#x017F;timmte Stelle berechnet werden,<lb/>
und                         die Summe die&#x017F;er Erleuchtungen ga&#x0364;be das, was wir zu                         haben<lb/>
verlangen. Mit Hu&#x0364;lfe &#x017F;olcher Berechnungen,                         die eine gro&#x0364;ßere<lb/>
Scha&#x0364;rfe ge&#x017F;tatten,                         als wir in a&#x0364;hnlichen Fa&#x0364;llen zu fordern                         pflegen,<lb/>
ko&#x0364;nnte man im Voraus beurtheilen, ob eine                         vera&#x0364;nderte Wohnung<lb/>
oder eine vera&#x0364;nderte Stellung                         des Ti&#x017F;ches, auf dem ich &#x017F;chreibe,<lb/>
mir in                         Hin&#x017F;icht der Tageshelligkeit mehr oder mindere                         Beleuchtung<lb/>
gewa&#x0364;hre. Alle Um&#x017F;ta&#x0364;nde                         la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich dabei freilich nicht wohl                         beru&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;ichtigen, indem die Wa&#x0364;nde                         der benachbarten Ha&#x0364;u&#x017F;er, der weiße<lb/>
oder farbige                         An&#x017F;trich des Zimmers, &#x017F;ehr erheblich mit                         einwirken;<lb/>
indeß i&#x017F;t es doch angenehm, zu                         u&#x0364;ber&#x017F;ehen, welche                         Be&#x017F;timmungen<lb/>
&#x017F;ich uns hier darbieten. Zum                         Schlu&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;er Betrachtung will                         ich<lb/>
noch beifu&#x0364;gen, daß eine horizontale Fla&#x0364;che                         durch den ganzen hellen<lb/>
Himmel, wenn de&#x017F;&#x017F;en Licht                         im Freien durch nichts aufgehalten<lb/>
wird, grade halb &#x017F;o                         &#x017F;ehr erleuchtet wird, als es ge&#x017F;chehen                         wu&#x0364;rde,<lb/>
wenn alle von der Halbkugel des Himmels auffallenden                         Licht&#x017F;trah-<lb/>
len &#x017F;enkrecht auffielen.</p><lb/>
          <p>Auch auf a&#x017F;tronomi&#x017F;che                         Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde findet eine                         Anwendung<lb/>
die&#x017F;er photometri&#x017F;chen Regeln                         &#x017F;tatt. Der Planet Jupiter i&#x017F;t 5 mal<lb/>
&#x017F;o                         weit als die Erde von der Sonne entfernt, al&#x017F;o wird eine                         dort<lb/>
den Sonnen&#x017F;trahlen &#x017F;enkrecht dargebotene Ebne                         nur <formula notation="TeX">\frac{1}{25}</formula> &#x017F;o &#x017F;tark<lb/>
erleuchtet, als auf der Erde; auf                         der Venus hingegen, deren Ent-<lb/>
fernung von der Sonne nur ¾                         der Entfernung der Erde von der<lb/>
Sonne i&#x017F;t, muß die                         Erleuchtung beinahe doppelt &#x017F;o groß, als auf<lb/>
der Erde,                         &#x017F;ein; und obgleich wir, bei un&#x017F;erer Unkunde                         u&#x0364;ber Farbe<lb/>
und &#x017F;on&#x017F;tige                         Be&#x017F;chaffenheit der Planeten-Oberfla&#x0364;chen, noch                         keine<lb/>
weitere Vergleichungen auf die&#x017F;e Be&#x017F;timmung                         gru&#x0364;nden ko&#x0364;nnen,                         &#x017F;o<lb/>
erkla&#x0364;rt &#x017F;ich doch das                         gla&#x0364;nzende Licht der Venus und des der Sonne<lb/>
noch                         na&#x0364;heren Mercurius aus die&#x017F;er Betrachtung.</p>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0085] In manchen Faͤllen haben wir nicht eine von einem einzigen Puncte ausgehende Erleuchtung; aber auch dann laͤßt ſich eine Berechnung, die ich hier nur oberflaͤchlich angeben kann, anſtellen. Wenn eine horizontale Flaͤche durch die Fenſter eines Zimmers er- leuchtet wird, und dieſe Erleuchtung bloß vom hellen Himmel aus- geht, deſſen Licht wir als in allen Puncten gleich anſehen, ſo muͤßte fuͤr jeden Theil des durch das Fenſter ſichtbaren Himmels die dem ſchiefen Einfallen der Strahlen und der Groͤße jedes Theiles ange- meſſene Erleuchtung fuͤr eine beſtimmte Stelle berechnet werden, und die Summe dieſer Erleuchtungen gaͤbe das, was wir zu haben verlangen. Mit Huͤlfe ſolcher Berechnungen, die eine groͤßere Schaͤrfe geſtatten, als wir in aͤhnlichen Faͤllen zu fordern pflegen, koͤnnte man im Voraus beurtheilen, ob eine veraͤnderte Wohnung oder eine veraͤnderte Stellung des Tiſches, auf dem ich ſchreibe, mir in Hinſicht der Tageshelligkeit mehr oder mindere Beleuchtung gewaͤhre. Alle Umſtaͤnde laſſen ſich dabei freilich nicht wohl beruͤck- ſichtigen, indem die Waͤnde der benachbarten Haͤuſer, der weiße oder farbige Anſtrich des Zimmers, ſehr erheblich mit einwirken; indeß iſt es doch angenehm, zu uͤberſehen, welche Beſtimmungen ſich uns hier darbieten. Zum Schluſſe dieſer Betrachtung will ich noch beifuͤgen, daß eine horizontale Flaͤche durch den ganzen hellen Himmel, wenn deſſen Licht im Freien durch nichts aufgehalten wird, grade halb ſo ſehr erleuchtet wird, als es geſchehen wuͤrde, wenn alle von der Halbkugel des Himmels auffallenden Lichtſtrah- len ſenkrecht auffielen. Auch auf aſtronomiſche Gegenſtaͤnde findet eine Anwendung dieſer photometriſchen Regeln ſtatt. Der Planet Jupiter iſt 5 mal ſo weit als die Erde von der Sonne entfernt, alſo wird eine dort den Sonnenſtrahlen ſenkrecht dargebotene Ebne nur [FORMEL] ſo ſtark erleuchtet, als auf der Erde; auf der Venus hingegen, deren Ent- fernung von der Sonne nur ¾ der Entfernung der Erde von der Sonne iſt, muß die Erleuchtung beinahe doppelt ſo groß, als auf der Erde, ſein; und obgleich wir, bei unſerer Unkunde uͤber Farbe und ſonſtige Beſchaffenheit der Planeten-Oberflaͤchen, noch keine weitere Vergleichungen auf dieſe Beſtimmung gruͤnden koͤnnen, ſo erklaͤrt ſich doch das glaͤnzende Licht der Venus und des der Sonne noch naͤheren Mercurius aus dieſer Betrachtung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/85
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/85>, abgerufen am 18.12.2024.