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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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gemacht hat, zum Gefrieren kömmt, und ungefroren bleibt, wenn
die Festigkeit des Körpers kein Zersprengen gestattet. Dies zeigte
sich bei Williams Versuchen dadurch, daß einmal der schließende
Stöpsel bei -- 17° Reaum. herausgedrängt und 62 Fuß weit
fortgeschleudert, dabei aber auch ein offenbar erst in diesem Augen-
blicke sich bildender Eiscylinder hervorgedrängt wurde. Die große
Gewalt, mit welcher hier die Anordnung in Crystallformen als
nothwendige Bedingungen des Gefrierens gefordert wird, erhellt
hieraus, und es ist wohl offenbar, daß darin, nicht in der zufällig
eingeschlossenen Luft, der Grund der Ausdehnung des Eises zu
suchen ist. Man hat sich überdies auch überzeugt, daß Wasser,
welches durch Auskochen frei von Luft geworden ist, völlig ebenso
eine zersprengende Kraft ausübt.

Wegen dieses vergrößerten Volumens schwimmt das Eis auf
dem Wasser, und wenn man das specifische Gewicht desselben =
annimmt, so ist allemal nur ein Zehntel der schwimmenden Eis-
masse oberhalb des Wassers, also bei schwimmenden Eisbergen auf
dem Meere gewiß in den meisten Fällen eine sehr tief gehende
Masse im Wasser eingetaucht, obgleich nicht über die Tiefe, sondern
nur über die ganze Ausdehnung des unter dem Wasser befindlichen
Theiles ein Urtheil möglich ist.

Polar-Eis, Gletscher, Schneelinie, Schneelawinen.

Eis und Schnee kommen auf der Erde in so manchen merk-
würdigen Beziehungen vor, daß die physische Geographie oft davon
zu reden Veranlassung hat, weshalb Sie auch mir gestatten wer-
den, etwas länger bei den Erscheinungen, die von ihnen abhängen,
zu verweilen. Die Polarmeere sind mit ewigem Eise erfüllt und
bekanntlich ist darum die Fahrt in den nördlichen Meeren so schwie-
rig, ja zum Theil unmöglich. Merkwürdig ist in Beziehung auf
die nördlichen Meere, welche noch beschifft werden können, daß in
der Gegend von Spitzbergen das Meer bis zu weit nördlichern
Breiten befahren werden kann, als an der grönländischen und asia-
tischen Küste. Offenbar ist dies die Folge der aus südlichen Gegen-
den kommenden warmen Seeströme, die zwischen America und
Europa bis zu sehr nördlichen Gegenden vordringen und das Eis
dort während des Sommers so unterbrechen, daß die Wallfischfän-

gemacht hat, zum Gefrieren koͤmmt, und ungefroren bleibt, wenn
die Feſtigkeit des Koͤrpers kein Zerſprengen geſtattet. Dies zeigte
ſich bei Williams Verſuchen dadurch, daß einmal der ſchließende
Stoͤpſel bei — 17° Reaum. herausgedraͤngt und 62 Fuß weit
fortgeſchleudert, dabei aber auch ein offenbar erſt in dieſem Augen-
blicke ſich bildender Eiscylinder hervorgedraͤngt wurde. Die große
Gewalt, mit welcher hier die Anordnung in Cryſtallformen als
nothwendige Bedingungen des Gefrierens gefordert wird, erhellt
hieraus, und es iſt wohl offenbar, daß darin, nicht in der zufaͤllig
eingeſchloſſenen Luft, der Grund der Ausdehnung des Eiſes zu
ſuchen iſt. Man hat ſich uͤberdies auch uͤberzeugt, daß Waſſer,
welches durch Auskochen frei von Luft geworden iſt, voͤllig ebenſo
eine zerſprengende Kraft ausuͤbt.

Wegen dieſes vergroͤßerten Volumens ſchwimmt das Eis auf
dem Waſſer, und wenn man das ſpecifiſche Gewicht desſelben =
annimmt, ſo iſt allemal nur ein Zehntel der ſchwimmenden Eis-
maſſe oberhalb des Waſſers, alſo bei ſchwimmenden Eisbergen auf
dem Meere gewiß in den meiſten Faͤllen eine ſehr tief gehende
Maſſe im Waſſer eingetaucht, obgleich nicht uͤber die Tiefe, ſondern
nur uͤber die ganze Ausdehnung des unter dem Waſſer befindlichen
Theiles ein Urtheil moͤglich iſt.

Polar-Eis, Gletſcher, Schneelinie, Schneelawinen.

Eis und Schnee kommen auf der Erde in ſo manchen merk-
wuͤrdigen Beziehungen vor, daß die phyſiſche Geographie oft davon
zu reden Veranlaſſung hat, weshalb Sie auch mir geſtatten wer-
den, etwas laͤnger bei den Erſcheinungen, die von ihnen abhaͤngen,
zu verweilen. Die Polarmeere ſind mit ewigem Eiſe erfuͤllt und
bekanntlich iſt darum die Fahrt in den noͤrdlichen Meeren ſo ſchwie-
rig, ja zum Theil unmoͤglich. Merkwuͤrdig iſt in Beziehung auf
die noͤrdlichen Meere, welche noch beſchifft werden koͤnnen, daß in
der Gegend von Spitzbergen das Meer bis zu weit noͤrdlichern
Breiten befahren werden kann, als an der groͤnlaͤndiſchen und aſia-
tiſchen Kuͤſte. Offenbar iſt dies die Folge der aus ſuͤdlichen Gegen-
den kommenden warmen Seeſtroͤme, die zwiſchen America und
Europa bis zu ſehr noͤrdlichen Gegenden vordringen und das Eis
dort waͤhrend des Sommers ſo unterbrechen, daß die Wallfiſchfaͤn-

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[90/0104] gemacht hat, zum Gefrieren koͤmmt, und ungefroren bleibt, wenn die Feſtigkeit des Koͤrpers kein Zerſprengen geſtattet. Dies zeigte ſich bei Williams Verſuchen dadurch, daß einmal der ſchließende Stoͤpſel bei — 17° Reaum. herausgedraͤngt und 62 Fuß weit fortgeſchleudert, dabei aber auch ein offenbar erſt in dieſem Augen- blicke ſich bildender Eiscylinder hervorgedraͤngt wurde. Die große Gewalt, mit welcher hier die Anordnung in Cryſtallformen als nothwendige Bedingungen des Gefrierens gefordert wird, erhellt hieraus, und es iſt wohl offenbar, daß darin, nicht in der zufaͤllig eingeſchloſſenen Luft, der Grund der Ausdehnung des Eiſes zu ſuchen iſt. Man hat ſich uͤberdies auch uͤberzeugt, daß Waſſer, welches durch Auskochen frei von Luft geworden iſt, voͤllig ebenſo eine zerſprengende Kraft ausuͤbt. Wegen dieſes vergroͤßerten Volumens ſchwimmt das Eis auf dem Waſſer, und wenn man das ſpecifiſche Gewicht desſelben =[FORMEL] annimmt, ſo iſt allemal nur ein Zehntel der ſchwimmenden Eis- maſſe oberhalb des Waſſers, alſo bei ſchwimmenden Eisbergen auf dem Meere gewiß in den meiſten Faͤllen eine ſehr tief gehende Maſſe im Waſſer eingetaucht, obgleich nicht uͤber die Tiefe, ſondern nur uͤber die ganze Ausdehnung des unter dem Waſſer befindlichen Theiles ein Urtheil moͤglich iſt. Polar-Eis, Gletſcher, Schneelinie, Schneelawinen. Eis und Schnee kommen auf der Erde in ſo manchen merk- wuͤrdigen Beziehungen vor, daß die phyſiſche Geographie oft davon zu reden Veranlaſſung hat, weshalb Sie auch mir geſtatten wer- den, etwas laͤnger bei den Erſcheinungen, die von ihnen abhaͤngen, zu verweilen. Die Polarmeere ſind mit ewigem Eiſe erfuͤllt und bekanntlich iſt darum die Fahrt in den noͤrdlichen Meeren ſo ſchwie- rig, ja zum Theil unmoͤglich. Merkwuͤrdig iſt in Beziehung auf die noͤrdlichen Meere, welche noch beſchifft werden koͤnnen, daß in der Gegend von Spitzbergen das Meer bis zu weit noͤrdlichern Breiten befahren werden kann, als an der groͤnlaͤndiſchen und aſia- tiſchen Kuͤſte. Offenbar iſt dies die Folge der aus ſuͤdlichen Gegen- den kommenden warmen Seeſtroͤme, die zwiſchen America und Europa bis zu ſehr noͤrdlichen Gegenden vordringen und das Eis dort waͤhrend des Sommers ſo unterbrechen, daß die Wallfiſchfaͤn-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/104>, abgerufen am 23.11.2024.