eben diese Wärme findet man auch wieder, wenn man Dämpfe zur Erwärmung kalter Körper anwendet. Mischt man 1 Pfund Wasser von 100° Cent. mit 1 Pfunde Wasser von 10° Cent., so ist die Temperatur der Mischung 55°; aber wenn man Wasser- dämpfe von 100° in Wasser von 10° übergehen läßt, so bedarf es lange keines Pfundes Dampf, um die Mischung zu 55° Wärme zu bringen. Sie übersehen leicht, daß ein Versuch, so angestellt, daß man die kochend heißen Dämpfe in kaltes Wasser hinein leitet, und dann die aufgewandte Dampfmenge durch Abwägen vor und nach dem Versuche, und zugleich die Erwärmung bestimmt, die latente Wärme der Dämpfe geben muß. Hätte man z. B. gefun- den, daß 61 Gewichttheile Wasser von 20° C. ein Zuströmen von einem Gewichttheile Wasserdampf von 100° C. forderten, um jenes Wasser auf 50° C. zu bringen; so würde man schließen, da 61 Theile um 10 Grade erhitzt sind, so würde 1 Theil um 610 Grade erhitzt sein; der eine Gewichttheil Dampf gab also 610 Grade Wärme her, und da er dabei nur um 70 Gr., nämlich von 100 bis 30, abgekühlt wurde, so mußten die übrigen 540° Cent. (432° R.) dadurch hervorgehen, daß der Dampf in Wasser ver- wandelt wurde, oder aus der latenten Wärme des Dampfes hervor- gehen. So wie also 1 Pfund Eis zum Schmelzen ebenso viel Wärme verbraucht, als 1 Pfund Wasser, um 75° Cent. erhitzt zu werden, ebenso fordert 1 Pfund Wasser, um in Dampf verwan- delt zu werden, ebenso viel Wärme, als nöthig ist, um 10 Pfund Wasser um 54° C. oder um 1 Pf. Wasser um 540 Gr. Cent. (432° R.) zu erhitzen. Die Anwendung des Eis-Apparats giebt eben dieses Resultat.
Ob diese latente Wärme der Dämpfe immer gleich bleibe, auch bei höhern Temperaturen; ob die Wirkung der stark erhitzten und daher sehr elastischen Dämpfe mehr betrage als dem einfachen Verhältnisse des aufgewendeten Feuermaterials angemessen ist? -- diese und noch mehrere ähnliche Fragen darf ich hier wohl über- gehen, doch bemerke ich, daß die bisherigen Versuche für eine genau dem Aufwande an Feuermaterial angemessene Wirkung sprechen.
eben dieſe Waͤrme findet man auch wieder, wenn man Daͤmpfe zur Erwaͤrmung kalter Koͤrper anwendet. Miſcht man 1 Pfund Waſſer von 100° Cent. mit 1 Pfunde Waſſer von 10° Cent., ſo iſt die Temperatur der Miſchung 55°; aber wenn man Waſſer- daͤmpfe von 100° in Waſſer von 10° uͤbergehen laͤßt, ſo bedarf es lange keines Pfundes Dampf, um die Miſchung zu 55° Waͤrme zu bringen. Sie uͤberſehen leicht, daß ein Verſuch, ſo angeſtellt, daß man die kochend heißen Daͤmpfe in kaltes Waſſer hinein leitet, und dann die aufgewandte Dampfmenge durch Abwaͤgen vor und nach dem Verſuche, und zugleich die Erwaͤrmung beſtimmt, die latente Waͤrme der Daͤmpfe geben muß. Haͤtte man z. B. gefun- den, daß 61 Gewichttheile Waſſer von 20° C. ein Zuſtroͤmen von einem Gewichttheile Waſſerdampf von 100° C. forderten, um jenes Waſſer auf 50° C. zu bringen; ſo wuͤrde man ſchließen, da 61 Theile um 10 Grade erhitzt ſind, ſo wuͤrde 1 Theil um 610 Grade erhitzt ſein; der eine Gewichttheil Dampf gab alſo 610 Grade Waͤrme her, und da er dabei nur um 70 Gr., naͤmlich von 100 bis 30, abgekuͤhlt wurde, ſo mußten die uͤbrigen 540° Cent. (432° R.) dadurch hervorgehen, daß der Dampf in Waſſer ver- wandelt wurde, oder aus der latenten Waͤrme des Dampfes hervor- gehen. So wie alſo 1 Pfund Eis zum Schmelzen ebenſo viel Waͤrme verbraucht, als 1 Pfund Waſſer, um 75° Cent. erhitzt zu werden, ebenſo fordert 1 Pfund Waſſer, um in Dampf verwan- delt zu werden, ebenſo viel Waͤrme, als noͤthig iſt, um 10 Pfund Waſſer um 54° C. oder um 1 Pf. Waſſer um 540 Gr. Cent. (432° R.) zu erhitzen. Die Anwendung des Eis-Apparats giebt eben dieſes Reſultat.
Ob dieſe latente Waͤrme der Daͤmpfe immer gleich bleibe, auch bei hoͤhern Temperaturen; ob die Wirkung der ſtark erhitzten und daher ſehr elaſtiſchen Daͤmpfe mehr betrage als dem einfachen Verhaͤltniſſe des aufgewendeten Feuermaterials angemeſſen iſt? — dieſe und noch mehrere aͤhnliche Fragen darf ich hier wohl uͤber- gehen, doch bemerke ich, daß die bisherigen Verſuche fuͤr eine genau dem Aufwande an Feuermaterial angemeſſene Wirkung ſprechen.
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eben dieſe Waͤrme findet man auch wieder, wenn man Daͤmpfe zur
Erwaͤrmung kalter Koͤrper anwendet. Miſcht man 1 Pfund
Waſſer von 100° Cent. mit 1 Pfunde Waſſer von 10° Cent.,
ſo iſt die Temperatur der Miſchung 55°; aber wenn man Waſſer-
daͤmpfe von 100° in Waſſer von 10° uͤbergehen laͤßt, ſo bedarf
es lange keines Pfundes Dampf, um die Miſchung zu 55° Waͤrme
zu bringen. Sie uͤberſehen leicht, daß ein Verſuch, ſo angeſtellt,
daß man die kochend heißen Daͤmpfe in kaltes Waſſer hinein leitet,
und dann die aufgewandte Dampfmenge durch Abwaͤgen vor und
nach dem Verſuche, und zugleich die Erwaͤrmung beſtimmt, die
latente Waͤrme der Daͤmpfe geben muß. Haͤtte man z. B. gefun-
den, daß 61 Gewichttheile Waſſer von 20° C. ein Zuſtroͤmen von
einem Gewichttheile Waſſerdampf von 100° C. forderten, um
jenes Waſſer auf 50° C. zu bringen; ſo wuͤrde man ſchließen, da
61 Theile um 10 Grade erhitzt ſind, ſo wuͤrde 1 Theil um 610
Grade erhitzt ſein; der eine Gewichttheil Dampf gab alſo 610 Grade
Waͤrme her, und da er dabei nur um 70 Gr., naͤmlich von 100
bis 30, abgekuͤhlt wurde, ſo mußten die uͤbrigen 540° Cent.
(432° R.) dadurch hervorgehen, daß der Dampf in Waſſer ver-
wandelt wurde, oder aus der latenten Waͤrme des Dampfes hervor-
gehen. So wie alſo 1 Pfund Eis zum Schmelzen ebenſo viel
Waͤrme verbraucht, als 1 Pfund Waſſer, um 75° Cent. erhitzt zu
werden, ebenſo fordert 1 Pfund Waſſer, um in Dampf verwan-
delt zu werden, ebenſo viel Waͤrme, als noͤthig iſt, um 10 Pfund
Waſſer um 54° C. oder um 1 Pf. Waſſer um 540 Gr. Cent.
(432° R.) zu erhitzen. Die Anwendung des Eis-Apparats giebt
eben dieſes Reſultat.
Ob dieſe latente Waͤrme der Daͤmpfe immer gleich bleibe,
auch bei hoͤhern Temperaturen; ob die Wirkung der ſtark erhitzten
und daher ſehr elaſtiſchen Daͤmpfe mehr betrage als dem einfachen
Verhaͤltniſſe des aufgewendeten Feuermaterials angemeſſen iſt? —
dieſe und noch mehrere aͤhnliche Fragen darf ich hier wohl uͤber-
gehen, doch bemerke ich, daß die bisherigen Verſuche fuͤr eine genau
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/132>, abgerufen am 23.11.2024.
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