vorhanden, jedoch nicht in so hinreichendem Maaße, daß sie den Proceß des Oxydirens fortwährend erneuern könnte; und daß dies so ist, erhellt, wenn wir ein Stück glühenden Stahl in reines Sauerstoffgas bringen, wo ein Stückchen angebrannter Zunder an eine Stahlfeder befestigt, zureicht, um den glühend werdenden Stahl in ein vollkommenes, sehr glänzendes Verbrennen zu ver- setzen. Hier nämlich, wo der Sauerstoff so reichlich zuströmt, ist die Zersetzung des Sauerstoffgas und die Verbindung des Sauer- stoffs mit dem Eisen so lebhaft fortgehend, daß Wärme genug frei wird, um auch die nächsten Theile der dünnen Stahlmasse glühend und zur Oxydirung fähig zu machen. Dieses Experiment ist, so wie das Verbrennen des Phosphors in reinem Sauerstoffgas eines der glänzendsten, indem, wie in so vielen Fällen, die durch schnelle Zersetzung des Sauerstoffgas hervorgebrachte Hitze, auch hier mit der lebhaftesten Licht-Erscheinung verbunden ist.
Diese Erscheinung des im reinen Sauerstoffgas im eigent- lichen Sinne verbrennenden Stahls leitet uns nun auch zu der richtigen Beurtheilung der Erscheinungen, die wir an der Kohle und an andern brennenden Körpern in verdünnter Luft oder in einer nur wenig Sauerstoffgas enthaltenden Luft wahrnehmen. Die Lichtflamme erlischt, die Kohle hört auf zu glühen, wenn wir die Luft stark verdünnen, und eben das geschieht, wenn in einge- schlossener Luft der Sauerstoff nach und nach verzehrt wird. Wir sind geneigt anzunehmen, der gänzliche Mangel an Sauerstoff bringe diesen Erfolg hervor; aber es ist gewiß, daß das Auslöschen der Flamme schon eintritt, wenn auch noch ziemlich viel Sauerstoff übrig ist. Offenbar ist es hier, wie bei dem glühenden Eisen; die Zersetzung nämlich dauert zwar zuerst fort, aber es entbindet sich nicht Wärme genug, um den Proceß lebhaft zu unterhalten, das in dem umgebenden Raume nur sparsam vorhandene Sauerstoffgas muß gleichsam mühsam zusammengesucht werden, und bringt daher nicht mehr den vollen Hitzegrad hervor; und indem dieser sinkt, vermindert sich die Stärke der Anziehung für den Sauerstoff, und sehr bald tritt, da beide Umstände dazu mitwirken, das gänzliche Erlöschen ein, weit eher als aller Sauerstoff verzehrt ist.
Davy hat über diesen Gegenstand genauere Versuche ange- stellt, und gefunden, daß die Körper, welche zum Entzünden einer
vorhanden, jedoch nicht in ſo hinreichendem Maaße, daß ſie den Proceß des Oxydirens fortwaͤhrend erneuern koͤnnte; und daß dies ſo iſt, erhellt, wenn wir ein Stuͤck gluͤhenden Stahl in reines Sauerſtoffgas bringen, wo ein Stuͤckchen angebrannter Zunder an eine Stahlfeder befeſtigt, zureicht, um den gluͤhend werdenden Stahl in ein vollkommenes, ſehr glaͤnzendes Verbrennen zu ver- ſetzen. Hier naͤmlich, wo der Sauerſtoff ſo reichlich zuſtroͤmt, iſt die Zerſetzung des Sauerſtoffgas und die Verbindung des Sauer- ſtoffs mit dem Eiſen ſo lebhaft fortgehend, daß Waͤrme genug frei wird, um auch die naͤchſten Theile der duͤnnen Stahlmaſſe gluͤhend und zur Oxydirung faͤhig zu machen. Dieſes Experiment iſt, ſo wie das Verbrennen des Phosphors in reinem Sauerſtoffgas eines der glaͤnzendſten, indem, wie in ſo vielen Faͤllen, die durch ſchnelle Zerſetzung des Sauerſtoffgas hervorgebrachte Hitze, auch hier mit der lebhafteſten Licht-Erſcheinung verbunden iſt.
Dieſe Erſcheinung des im reinen Sauerſtoffgas im eigent- lichen Sinne verbrennenden Stahls leitet uns nun auch zu der richtigen Beurtheilung der Erſcheinungen, die wir an der Kohle und an andern brennenden Koͤrpern in verduͤnnter Luft oder in einer nur wenig Sauerſtoffgas enthaltenden Luft wahrnehmen. Die Lichtflamme erliſcht, die Kohle hoͤrt auf zu gluͤhen, wenn wir die Luft ſtark verduͤnnen, und eben das geſchieht, wenn in einge- ſchloſſener Luft der Sauerſtoff nach und nach verzehrt wird. Wir ſind geneigt anzunehmen, der gaͤnzliche Mangel an Sauerſtoff bringe dieſen Erfolg hervor; aber es iſt gewiß, daß das Ausloͤſchen der Flamme ſchon eintritt, wenn auch noch ziemlich viel Sauerſtoff uͤbrig iſt. Offenbar iſt es hier, wie bei dem gluͤhenden Eiſen; die Zerſetzung naͤmlich dauert zwar zuerſt fort, aber es entbindet ſich nicht Waͤrme genug, um den Proceß lebhaft zu unterhalten, das in dem umgebenden Raume nur ſparſam vorhandene Sauerſtoffgas muß gleichſam muͤhſam zuſammengeſucht werden, und bringt daher nicht mehr den vollen Hitzegrad hervor; und indem dieſer ſinkt, vermindert ſich die Staͤrke der Anziehung fuͤr den Sauerſtoff, und ſehr bald tritt, da beide Umſtaͤnde dazu mitwirken, das gaͤnzliche Erloͤſchen ein, weit eher als aller Sauerſtoff verzehrt iſt.
Davy hat uͤber dieſen Gegenſtand genauere Verſuche ange- ſtellt, und gefunden, daß die Koͤrper, welche zum Entzuͤnden einer
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vorhanden, jedoch nicht in ſo hinreichendem Maaße, daß ſie den
Proceß des Oxydirens fortwaͤhrend erneuern koͤnnte; und daß dies
ſo iſt, erhellt, wenn wir ein Stuͤck gluͤhenden Stahl in reines
Sauerſtoffgas bringen, wo ein Stuͤckchen angebrannter Zunder an
eine Stahlfeder befeſtigt, zureicht, um den gluͤhend werdenden
Stahl in ein vollkommenes, ſehr glaͤnzendes Verbrennen zu ver-
ſetzen. Hier naͤmlich, wo der Sauerſtoff ſo reichlich zuſtroͤmt, iſt
die Zerſetzung des Sauerſtoffgas und die Verbindung des Sauer-
ſtoffs mit dem Eiſen ſo lebhaft fortgehend, daß Waͤrme genug frei
wird, um auch die naͤchſten Theile der duͤnnen Stahlmaſſe gluͤhend
und zur Oxydirung faͤhig zu machen. Dieſes Experiment iſt, ſo
wie das Verbrennen des Phosphors in reinem Sauerſtoffgas eines
der glaͤnzendſten, indem, wie in ſo vielen Faͤllen, die durch ſchnelle
Zerſetzung des Sauerſtoffgas hervorgebrachte Hitze, auch hier mit
der lebhafteſten Licht-Erſcheinung verbunden iſt.
Dieſe Erſcheinung des im reinen Sauerſtoffgas im eigent-
lichen Sinne verbrennenden Stahls leitet uns nun auch zu der
richtigen Beurtheilung der Erſcheinungen, die wir an der Kohle
und an andern brennenden Koͤrpern in verduͤnnter Luft oder in
einer nur wenig Sauerſtoffgas enthaltenden Luft wahrnehmen.
Die Lichtflamme erliſcht, die Kohle hoͤrt auf zu gluͤhen, wenn wir
die Luft ſtark verduͤnnen, und eben das geſchieht, wenn in einge-
ſchloſſener Luft der Sauerſtoff nach und nach verzehrt wird. Wir
ſind geneigt anzunehmen, der gaͤnzliche Mangel an Sauerſtoff
bringe dieſen Erfolg hervor; aber es iſt gewiß, daß das Ausloͤſchen
der Flamme ſchon eintritt, wenn auch noch ziemlich viel Sauerſtoff
uͤbrig iſt. Offenbar iſt es hier, wie bei dem gluͤhenden Eiſen; die
Zerſetzung naͤmlich dauert zwar zuerſt fort, aber es entbindet ſich
nicht Waͤrme genug, um den Proceß lebhaft zu unterhalten, das
in dem umgebenden Raume nur ſparſam vorhandene Sauerſtoffgas
muß gleichſam muͤhſam zuſammengeſucht werden, und bringt daher
nicht mehr den vollen Hitzegrad hervor; und indem dieſer ſinkt,
vermindert ſich die Staͤrke der Anziehung fuͤr den Sauerſtoff, und
ſehr bald tritt, da beide Umſtaͤnde dazu mitwirken, das gaͤnzliche
Erloͤſchen ein, weit eher als aller Sauerſtoff verzehrt iſt.
Davy hat uͤber dieſen Gegenſtand genauere Verſuche ange-
ſtellt, und gefunden, daß die Koͤrper, welche zum Entzuͤnden einer
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/189>, abgerufen am 27.11.2024.
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