Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

hängend, in die Nähe leichter Körper zu bringen, während die
Röhre electrisch gemacht wurde, um zu sehen, ob auch diese Kugel
sich electrisch zeige. Der Versuch gelang, so wie alle schon früher
für kleinere Entfernungen angestellten Versuche, und die anziehende
Kraft der Electricität war also hier bis auf so bedeutende Entfer-
nungen durch eine hänfene Schnur mitgetheilt oder fortgeleitet
worden. Grey erkannte vollkommen die Wichtigkeit dieser neuen
Entdeckung, und wünschte nun, auch in horizontaler Richtung die
Fortleitung zu versuchen; da aber ein Faden oder ein Seil sich durch
bedeutende horizontale Entfernungen nicht ohne Unterstützung fort-
führen läßt, und ihm sehr wohl einleuchtete, daß die Electricität
sich vermittelst einer solchen Unterstützung auch den andern Körpern
mittheilen möchte, so suchte er diesem Nachtheile dadurch abzuhelfen,
daß er eine dünne und zwar eine seidene Schnur wählte, um
damit die horizontal fortgeführte hänfene Schnur zu unterstützen.
Wirklich gelang so die Fortleitung der Electricität bis zu mehr als
100 Fuß Entfernung; aber als Grey, da die Seide brach, einen
feinen Metalldrath anwandte, war die Fortleitung nach der Rich-
tung, wo man die Wirkungen der Electricität zu erhalten wünschte,
nicht mehr möglich, sondern der Metalldrath zeigte sich, seiner
Feinheit ungeachtet, selbst als Leiter der Electricität, statt daß
Seide nun als ein Nichtleiter erkannt, und so der wichtige
Unterschied zwischen Körpern, welche die Electricität leiten, und
welche sie nicht leiten, deutlich bewiesen wurde.

Die Leitungsversuche wurden von Grey noch weiter fort-
gesetzt, indem er Schnüre, die Leiter waren, bis zu mehr als
700 Fuß fortführte, und wenn sie durch Seide von der Verbindung
mit andern, seitwärts ableitenden, Körpern getrennt waren, auch
in diesen Entfernungen Wirkungen der Electricität erhielt. Die
Untersuchung, welche Körper leiteten oder nicht leiteten, lehrte bald
Harze, Glas, Seide, als Nichtleiter, Metalle, feuchtes Holz, hän-
fene Seile, als Leiter kennen.

Ich breche hier die historischen Nachrichten ab, da es jetzt
nöthig wird, bei jedem Gegenstande ausführlich zu verweilen, und
da die bis zu Grey's Versuchen im Jahre 1729 so langsam
fortschreitenden Kenntnisse nun in Beziehung auf mehrere Theile
der Electricitätslehre erweitert wurden; indeß werde ich gelegentlich

III. O

haͤngend, in die Naͤhe leichter Koͤrper zu bringen, waͤhrend die
Roͤhre electriſch gemacht wurde, um zu ſehen, ob auch dieſe Kugel
ſich electriſch zeige. Der Verſuch gelang, ſo wie alle ſchon fruͤher
fuͤr kleinere Entfernungen angeſtellten Verſuche, und die anziehende
Kraft der Electricitaͤt war alſo hier bis auf ſo bedeutende Entfer-
nungen durch eine haͤnfene Schnur mitgetheilt oder fortgeleitet
worden. Grey erkannte vollkommen die Wichtigkeit dieſer neuen
Entdeckung, und wuͤnſchte nun, auch in horizontaler Richtung die
Fortleitung zu verſuchen; da aber ein Faden oder ein Seil ſich durch
bedeutende horizontale Entfernungen nicht ohne Unterſtuͤtzung fort-
fuͤhren laͤßt, und ihm ſehr wohl einleuchtete, daß die Electricitaͤt
ſich vermittelſt einer ſolchen Unterſtuͤtzung auch den andern Koͤrpern
mittheilen moͤchte, ſo ſuchte er dieſem Nachtheile dadurch abzuhelfen,
daß er eine duͤnne und zwar eine ſeidene Schnur waͤhlte, um
damit die horizontal fortgefuͤhrte haͤnfene Schnur zu unterſtuͤtzen.
Wirklich gelang ſo die Fortleitung der Electricitaͤt bis zu mehr als
100 Fuß Entfernung; aber als Grey, da die Seide brach, einen
feinen Metalldrath anwandte, war die Fortleitung nach der Rich-
tung, wo man die Wirkungen der Electricitaͤt zu erhalten wuͤnſchte,
nicht mehr moͤglich, ſondern der Metalldrath zeigte ſich, ſeiner
Feinheit ungeachtet, ſelbſt als Leiter der Electricitaͤt, ſtatt daß
Seide nun als ein Nichtleiter erkannt, und ſo der wichtige
Unterſchied zwiſchen Koͤrpern, welche die Electricitaͤt leiten, und
welche ſie nicht leiten, deutlich bewieſen wurde.

Die Leitungsverſuche wurden von Grey noch weiter fort-
geſetzt, indem er Schnuͤre, die Leiter waren, bis zu mehr als
700 Fuß fortfuͤhrte, und wenn ſie durch Seide von der Verbindung
mit andern, ſeitwaͤrts ableitenden, Koͤrpern getrennt waren, auch
in dieſen Entfernungen Wirkungen der Electricitaͤt erhielt. Die
Unterſuchung, welche Koͤrper leiteten oder nicht leiteten, lehrte bald
Harze, Glas, Seide, als Nichtleiter, Metalle, feuchtes Holz, haͤn-
fene Seile, als Leiter kennen.

Ich breche hier die hiſtoriſchen Nachrichten ab, da es jetzt
noͤthig wird, bei jedem Gegenſtande ausfuͤhrlich zu verweilen, und
da die bis zu Grey's Verſuchen im Jahre 1729 ſo langſam
fortſchreitenden Kenntniſſe nun in Beziehung auf mehrere Theile
der Electricitaͤtslehre erweitert wurden; indeß werde ich gelegentlich

III. O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="209"/>
ha&#x0364;ngend, in die Na&#x0364;he leichter Ko&#x0364;rper zu bringen, wa&#x0364;hrend die<lb/>
Ro&#x0364;hre electri&#x017F;ch gemacht wurde, um zu &#x017F;ehen, ob auch die&#x017F;e Kugel<lb/>
&#x017F;ich electri&#x017F;ch zeige. Der Ver&#x017F;uch gelang, &#x017F;o wie alle &#x017F;chon fru&#x0364;her<lb/>
fu&#x0364;r kleinere Entfernungen ange&#x017F;tellten Ver&#x017F;uche, und die anziehende<lb/>
Kraft der Electricita&#x0364;t war al&#x017F;o hier bis auf &#x017F;o bedeutende Entfer-<lb/>
nungen durch eine ha&#x0364;nfene Schnur mitgetheilt oder fortgeleitet<lb/>
worden. <hi rendition="#g">Grey</hi> erkannte vollkommen die Wichtigkeit die&#x017F;er neuen<lb/>
Entdeckung, und wu&#x0364;n&#x017F;chte nun, auch in horizontaler Richtung die<lb/>
Fortleitung zu ver&#x017F;uchen; da aber ein Faden oder ein Seil &#x017F;ich durch<lb/>
bedeutende horizontale Entfernungen nicht ohne Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung fort-<lb/>
fu&#x0364;hren la&#x0364;ßt, und ihm &#x017F;ehr wohl einleuchtete, daß die Electricita&#x0364;t<lb/>
&#x017F;ich vermittel&#x017F;t einer &#x017F;olchen Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung auch den andern Ko&#x0364;rpern<lb/>
mittheilen mo&#x0364;chte, &#x017F;o &#x017F;uchte er die&#x017F;em Nachtheile dadurch abzuhelfen,<lb/>
daß er eine du&#x0364;nne und zwar eine &#x017F;eidene Schnur wa&#x0364;hlte, um<lb/>
damit die horizontal fortgefu&#x0364;hrte ha&#x0364;nfene Schnur zu unter&#x017F;tu&#x0364;tzen.<lb/>
Wirklich gelang &#x017F;o die Fortleitung der Electricita&#x0364;t bis zu mehr als<lb/>
100 Fuß Entfernung; aber als <hi rendition="#g">Grey</hi>, da die Seide brach, einen<lb/>
feinen Metalldrath anwandte, war die Fortleitung nach der Rich-<lb/>
tung, wo man die Wirkungen der Electricita&#x0364;t zu erhalten wu&#x0364;n&#x017F;chte,<lb/>
nicht mehr mo&#x0364;glich, &#x017F;ondern der Metalldrath zeigte &#x017F;ich, &#x017F;einer<lb/>
Feinheit ungeachtet, &#x017F;elb&#x017F;t als <hi rendition="#g">Leiter</hi> der Electricita&#x0364;t, &#x017F;tatt daß<lb/>
Seide nun als ein <hi rendition="#g">Nichtleiter</hi> erkannt, und &#x017F;o der wichtige<lb/>
Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen Ko&#x0364;rpern, welche die Electricita&#x0364;t leiten, und<lb/>
welche &#x017F;ie nicht leiten, deutlich bewie&#x017F;en wurde.</p><lb/>
          <p>Die Leitungsver&#x017F;uche wurden von <hi rendition="#g">Grey</hi> noch weiter fort-<lb/>
ge&#x017F;etzt, indem er Schnu&#x0364;re, die Leiter waren, bis zu mehr als<lb/>
700 Fuß fortfu&#x0364;hrte, und wenn &#x017F;ie durch Seide von der Verbindung<lb/>
mit andern, &#x017F;eitwa&#x0364;rts ableitenden, Ko&#x0364;rpern getrennt waren, auch<lb/>
in die&#x017F;en Entfernungen Wirkungen der Electricita&#x0364;t erhielt. Die<lb/>
Unter&#x017F;uchung, welche Ko&#x0364;rper leiteten oder nicht leiteten, lehrte bald<lb/>
Harze, Glas, Seide, als Nichtleiter, Metalle, feuchtes Holz, ha&#x0364;n-<lb/>
fene Seile, als Leiter kennen.</p><lb/>
          <p>Ich breche hier die hi&#x017F;tori&#x017F;chen Nachrichten ab, da es jetzt<lb/>
no&#x0364;thig wird, bei jedem Gegen&#x017F;tande ausfu&#x0364;hrlich zu verweilen, und<lb/>
da die bis zu <hi rendition="#g">Grey's</hi> Ver&#x017F;uchen im Jahre 1729 &#x017F;o lang&#x017F;am<lb/>
fort&#x017F;chreitenden Kenntni&#x017F;&#x017F;e nun in Beziehung auf mehrere Theile<lb/>
der Electricita&#x0364;tslehre erweitert wurden; indeß werde ich gelegentlich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">III.</hi></hi> O</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0223] haͤngend, in die Naͤhe leichter Koͤrper zu bringen, waͤhrend die Roͤhre electriſch gemacht wurde, um zu ſehen, ob auch dieſe Kugel ſich electriſch zeige. Der Verſuch gelang, ſo wie alle ſchon fruͤher fuͤr kleinere Entfernungen angeſtellten Verſuche, und die anziehende Kraft der Electricitaͤt war alſo hier bis auf ſo bedeutende Entfer- nungen durch eine haͤnfene Schnur mitgetheilt oder fortgeleitet worden. Grey erkannte vollkommen die Wichtigkeit dieſer neuen Entdeckung, und wuͤnſchte nun, auch in horizontaler Richtung die Fortleitung zu verſuchen; da aber ein Faden oder ein Seil ſich durch bedeutende horizontale Entfernungen nicht ohne Unterſtuͤtzung fort- fuͤhren laͤßt, und ihm ſehr wohl einleuchtete, daß die Electricitaͤt ſich vermittelſt einer ſolchen Unterſtuͤtzung auch den andern Koͤrpern mittheilen moͤchte, ſo ſuchte er dieſem Nachtheile dadurch abzuhelfen, daß er eine duͤnne und zwar eine ſeidene Schnur waͤhlte, um damit die horizontal fortgefuͤhrte haͤnfene Schnur zu unterſtuͤtzen. Wirklich gelang ſo die Fortleitung der Electricitaͤt bis zu mehr als 100 Fuß Entfernung; aber als Grey, da die Seide brach, einen feinen Metalldrath anwandte, war die Fortleitung nach der Rich- tung, wo man die Wirkungen der Electricitaͤt zu erhalten wuͤnſchte, nicht mehr moͤglich, ſondern der Metalldrath zeigte ſich, ſeiner Feinheit ungeachtet, ſelbſt als Leiter der Electricitaͤt, ſtatt daß Seide nun als ein Nichtleiter erkannt, und ſo der wichtige Unterſchied zwiſchen Koͤrpern, welche die Electricitaͤt leiten, und welche ſie nicht leiten, deutlich bewieſen wurde. Die Leitungsverſuche wurden von Grey noch weiter fort- geſetzt, indem er Schnuͤre, die Leiter waren, bis zu mehr als 700 Fuß fortfuͤhrte, und wenn ſie durch Seide von der Verbindung mit andern, ſeitwaͤrts ableitenden, Koͤrpern getrennt waren, auch in dieſen Entfernungen Wirkungen der Electricitaͤt erhielt. Die Unterſuchung, welche Koͤrper leiteten oder nicht leiteten, lehrte bald Harze, Glas, Seide, als Nichtleiter, Metalle, feuchtes Holz, haͤn- fene Seile, als Leiter kennen. Ich breche hier die hiſtoriſchen Nachrichten ab, da es jetzt noͤthig wird, bei jedem Gegenſtande ausfuͤhrlich zu verweilen, und da die bis zu Grey's Verſuchen im Jahre 1729 ſo langſam fortſchreitenden Kenntniſſe nun in Beziehung auf mehrere Theile der Electricitaͤtslehre erweitert wurden; indeß werde ich gelegentlich III. O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/223
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/223>, abgerufen am 18.12.2024.