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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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eignen Theilchen gegen einander oder ein Bestreben sich auszu-
breiten beizulegen; daher ist das Gleichgewicht der Electricität
zwischen allen Körpern nur im natürlichen Zustande möglich,
zwischen zwei einzelnen Körpern ist es nur dann möglich, wenn
sie sich beide in einem gleichen Zustande des Ueberflusses oder
Mangels befinden, und die electrische Materie strebt von dem
positiv geladenen Körper zu dem hinüber, der im natürlichen Zu-
stande oder negativ ist, und von dem Körper im natürlichen Zu-
stande zu dem negativ electrischen. Berühren diese ungleich mit
Electricität geladenen Körper sich unmittelbar und sind sie beide
Leiter, so theilt sich die in ihnen vorhandene Electricität gleich-
mäßig unter sie; sind sie nicht in unmittelbarer Berührung, so
zeigt sich zuerst eine Anziehung, der weniger electrische Körper wird
von dem stärker electrischen angezogen, aber wenn diese Anziehung
auch keine Berührung hervorbringt, so findet doch, bei hinreichen-
dem Unterschiede der electrischen Ladung und hinreichender Nähe,
das Ueberschlagen eines Funkens und damit eine Mittheilung von
dem einen Körper an den andern statt.

In Hinsicht auf die Leiter und Nichtleiter bemerken wir
aber hier einen wesentlichen Unterschied. Auf der Oberfläche der
erstern zeigt sich die electrische Materie als so beweglich, daß sie
ohne Zeitverlust diejenige Austheilung über den ganzen Körper oder
über die Reihe von Körpern annimmt, die dem Bestreben der an-
gehäuften electrischen Materie, sich nach den Puncten, welche we-
niger davon besitzen, zu begeben, angemessen ist; die Nichtleiter
scheinen dagegen die electrische Materie in jedem Puncte festzu-
halten, so daß sie zwar ihre Wirkung auf benachbarte Körper durch
Anziehung und ihre Wirkung auf die benachbarte electrische Ma-
terie durch Abstoßung zeigt, doch aber nur sehr langsam vom einen
Puncte des Nichtleiters zum andern übergeht. Da die Luft ein
solcher Nichtleiter ist, so geht auch in ihr die Electricität nur
angsam von einem Puncte zum andern über, obgleich die Wirkung
auf entfernte Körper sich auch durch die Luft fort erstreckt.

Mit der negativen Electricität verhält es sich in Rücksicht der
Erscheinungen ebenso, indem der in einem Puncte eines Leiters
entstandene Mangel an Electricität sogleich einen gleichen Zustand
für den ganzen Leiter zur Folge hat, weil die electrische Materie

eignen Theilchen gegen einander oder ein Beſtreben ſich auszu-
breiten beizulegen; daher iſt das Gleichgewicht der Electricitaͤt
zwiſchen allen Koͤrpern nur im natuͤrlichen Zuſtande moͤglich,
zwiſchen zwei einzelnen Koͤrpern iſt es nur dann moͤglich, wenn
ſie ſich beide in einem gleichen Zuſtande des Ueberfluſſes oder
Mangels befinden, und die electriſche Materie ſtrebt von dem
poſitiv geladenen Koͤrper zu dem hinuͤber, der im natuͤrlichen Zu-
ſtande oder negativ iſt, und von dem Koͤrper im natuͤrlichen Zu-
ſtande zu dem negativ electriſchen. Beruͤhren dieſe ungleich mit
Electricitaͤt geladenen Koͤrper ſich unmittelbar und ſind ſie beide
Leiter, ſo theilt ſich die in ihnen vorhandene Electricitaͤt gleich-
maͤßig unter ſie; ſind ſie nicht in unmittelbarer Beruͤhrung, ſo
zeigt ſich zuerſt eine Anziehung, der weniger electriſche Koͤrper wird
von dem ſtaͤrker electriſchen angezogen, aber wenn dieſe Anziehung
auch keine Beruͤhrung hervorbringt, ſo findet doch, bei hinreichen-
dem Unterſchiede der electriſchen Ladung und hinreichender Naͤhe,
das Ueberſchlagen eines Funkens und damit eine Mittheilung von
dem einen Koͤrper an den andern ſtatt.

In Hinſicht auf die Leiter und Nichtleiter bemerken wir
aber hier einen weſentlichen Unterſchied. Auf der Oberflaͤche der
erſtern zeigt ſich die electriſche Materie als ſo beweglich, daß ſie
ohne Zeitverluſt diejenige Austheilung uͤber den ganzen Koͤrper oder
uͤber die Reihe von Koͤrpern annimmt, die dem Beſtreben der an-
gehaͤuften electriſchen Materie, ſich nach den Puncten, welche we-
niger davon beſitzen, zu begeben, angemeſſen iſt; die Nichtleiter
ſcheinen dagegen die electriſche Materie in jedem Puncte feſtzu-
halten, ſo daß ſie zwar ihre Wirkung auf benachbarte Koͤrper durch
Anziehung und ihre Wirkung auf die benachbarte electriſche Ma-
terie durch Abſtoßung zeigt, doch aber nur ſehr langſam vom einen
Puncte des Nichtleiters zum andern uͤbergeht. Da die Luft ein
ſolcher Nichtleiter iſt, ſo geht auch in ihr die Electricitaͤt nur
angſam von einem Puncte zum andern uͤber, obgleich die Wirkung
auf entfernte Koͤrper ſich auch durch die Luft fort erſtreckt.

Mit der negativen Electricitaͤt verhaͤlt es ſich in Ruͤckſicht der
Erſcheinungen ebenſo, indem der in einem Puncte eines Leiters
entſtandene Mangel an Electricitaͤt ſogleich einen gleichen Zuſtand
fuͤr den ganzen Leiter zur Folge hat, weil die electriſche Materie

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[237/0251] eignen Theilchen gegen einander oder ein Beſtreben ſich auszu- breiten beizulegen; daher iſt das Gleichgewicht der Electricitaͤt zwiſchen allen Koͤrpern nur im natuͤrlichen Zuſtande moͤglich, zwiſchen zwei einzelnen Koͤrpern iſt es nur dann moͤglich, wenn ſie ſich beide in einem gleichen Zuſtande des Ueberfluſſes oder Mangels befinden, und die electriſche Materie ſtrebt von dem poſitiv geladenen Koͤrper zu dem hinuͤber, der im natuͤrlichen Zu- ſtande oder negativ iſt, und von dem Koͤrper im natuͤrlichen Zu- ſtande zu dem negativ electriſchen. Beruͤhren dieſe ungleich mit Electricitaͤt geladenen Koͤrper ſich unmittelbar und ſind ſie beide Leiter, ſo theilt ſich die in ihnen vorhandene Electricitaͤt gleich- maͤßig unter ſie; ſind ſie nicht in unmittelbarer Beruͤhrung, ſo zeigt ſich zuerſt eine Anziehung, der weniger electriſche Koͤrper wird von dem ſtaͤrker electriſchen angezogen, aber wenn dieſe Anziehung auch keine Beruͤhrung hervorbringt, ſo findet doch, bei hinreichen- dem Unterſchiede der electriſchen Ladung und hinreichender Naͤhe, das Ueberſchlagen eines Funkens und damit eine Mittheilung von dem einen Koͤrper an den andern ſtatt. In Hinſicht auf die Leiter und Nichtleiter bemerken wir aber hier einen weſentlichen Unterſchied. Auf der Oberflaͤche der erſtern zeigt ſich die electriſche Materie als ſo beweglich, daß ſie ohne Zeitverluſt diejenige Austheilung uͤber den ganzen Koͤrper oder uͤber die Reihe von Koͤrpern annimmt, die dem Beſtreben der an- gehaͤuften electriſchen Materie, ſich nach den Puncten, welche we- niger davon beſitzen, zu begeben, angemeſſen iſt; die Nichtleiter ſcheinen dagegen die electriſche Materie in jedem Puncte feſtzu- halten, ſo daß ſie zwar ihre Wirkung auf benachbarte Koͤrper durch Anziehung und ihre Wirkung auf die benachbarte electriſche Ma- terie durch Abſtoßung zeigt, doch aber nur ſehr langſam vom einen Puncte des Nichtleiters zum andern uͤbergeht. Da die Luft ein ſolcher Nichtleiter iſt, ſo geht auch in ihr die Electricitaͤt nur angſam von einem Puncte zum andern uͤber, obgleich die Wirkung auf entfernte Koͤrper ſich auch durch die Luft fort erſtreckt. Mit der negativen Electricitaͤt verhaͤlt es ſich in Ruͤckſicht der Erſcheinungen ebenſo, indem der in einem Puncte eines Leiters entſtandene Mangel an Electricitaͤt ſogleich einen gleichen Zuſtand fuͤr den ganzen Leiter zur Folge hat, weil die electriſche Materie

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/251>, abgerufen am 22.11.2024.