schwer sein müßte, über die Art der Einwirkung der Erde, über die Lage ihrer magnetischen Pole u. s. w. etwas ganz Genaues an- zugeben. Gleichwohl hat dieses große Schwierigkeit. Ein Theil dieser Schwierigkeiten entsteht daraus, daß wir practischer Zwecke wegen unsre Aufmerksamkeit vorzüglich auf die Lage der horizonta- len Nadel gegen den astronomischen Meridian jedes Ortes richten, obgleich es ziemlich deutlich zu erhellen scheint, daß diese Meridiane in keinem natürlichen Zusammenhange mit dem Magnetismus der Erde stehen; und wir würden vielleicht eine etwas bessere Uebersicht der Erscheinungen gewinnen, wenn wir die Richtungen der ma- gnetischen Kraft an verschiedenen Orten auf eine für die Natur der Sache angemessenere Weise zusammen zu ordnen wüßten.
Wir haben einige Kenntniß von vier magnetischen Polen aus den früher mitgetheilten Angaben geschöpft; aber wir sind noch weit davon entfernt, ihre genaue Lage zu kennen. Bleiben wir zuerst bei den Puncten stehen, die man scheinbare Pole nennen könnte, so würden sie durch Beobachtung der nahe an 90° kom- menden Neigung, und durch Beobachtung der Puncte, nach wel- chen die Abweichungsnadeln in der Nachbarschaft dieser Pole ge- richtet sind, wohl zu bestimmen sein; aber es läßt sich ziemlich leicht übersehen, daß diese Puncte nicht so gradezu die wahren magnetischen Pole der Erde sind. Deuten nämlich, wie es sehr den Anschein hat, die sämmtlichen magnetischen Erscheinungen auf der Erde darauf hin, daß die Erde zwei magnetische Axen hat; so lägen die wahren Pole da, wo diese Axen oder ihre Verlängerun- gen die Oberfläche der Erde treffen. Offenbar aber steht die Nadel im nördlichen America nicht ganz so, wie es die dahin gerichtete magnetische Axe fordert, sondern die zweite Axe übt auch einige Wirkung aus, und der von beiden Nordpolen der Erde angezogene Theil der Nadel nimmt eine mittlere Richtung zwischen beiden auf ihn wirkenden Kräften an. Da wir demnach die genaue Lage der Endpuncte der magnetischen Axen nicht kennen, so müssen wir die geographische Länge und Breite der wahren vier Pole als unbe- kannte, aus den Beobachtungen erst zu bestimmende, Größen an- sehen; und zu diesen acht unbekannten Größen kommen noch vier, nämlich die Tiefe der vier wirksamsten Endpuncte jener Axen unter der Oberfläche der Erde, und endlich das Verhältniß der magne-
III. Ff
ſchwer ſein muͤßte, uͤber die Art der Einwirkung der Erde, uͤber die Lage ihrer magnetiſchen Pole u. ſ. w. etwas ganz Genaues an- zugeben. Gleichwohl hat dieſes große Schwierigkeit. Ein Theil dieſer Schwierigkeiten entſteht daraus, daß wir practiſcher Zwecke wegen unſre Aufmerkſamkeit vorzuͤglich auf die Lage der horizonta- len Nadel gegen den aſtronomiſchen Meridian jedes Ortes richten, obgleich es ziemlich deutlich zu erhellen ſcheint, daß dieſe Meridiane in keinem natuͤrlichen Zuſammenhange mit dem Magnetismus der Erde ſtehen; und wir wuͤrden vielleicht eine etwas beſſere Ueberſicht der Erſcheinungen gewinnen, wenn wir die Richtungen der ma- gnetiſchen Kraft an verſchiedenen Orten auf eine fuͤr die Natur der Sache angemeſſenere Weiſe zuſammen zu ordnen wuͤßten.
Wir haben einige Kenntniß von vier magnetiſchen Polen aus den fruͤher mitgetheilten Angaben geſchoͤpft; aber wir ſind noch weit davon entfernt, ihre genaue Lage zu kennen. Bleiben wir zuerſt bei den Puncten ſtehen, die man ſcheinbare Pole nennen koͤnnte, ſo wuͤrden ſie durch Beobachtung der nahe an 90° kom- menden Neigung, und durch Beobachtung der Puncte, nach wel- chen die Abweichungsnadeln in der Nachbarſchaft dieſer Pole ge- richtet ſind, wohl zu beſtimmen ſein; aber es laͤßt ſich ziemlich leicht uͤberſehen, daß dieſe Puncte nicht ſo gradezu die wahren magnetiſchen Pole der Erde ſind. Deuten naͤmlich, wie es ſehr den Anſchein hat, die ſaͤmmtlichen magnetiſchen Erſcheinungen auf der Erde darauf hin, daß die Erde zwei magnetiſche Axen hat; ſo laͤgen die wahren Pole da, wo dieſe Axen oder ihre Verlaͤngerun- gen die Oberflaͤche der Erde treffen. Offenbar aber ſteht die Nadel im noͤrdlichen America nicht ganz ſo, wie es die dahin gerichtete magnetiſche Axe fordert, ſondern die zweite Axe uͤbt auch einige Wirkung aus, und der von beiden Nordpolen der Erde angezogene Theil der Nadel nimmt eine mittlere Richtung zwiſchen beiden auf ihn wirkenden Kraͤften an. Da wir demnach die genaue Lage der Endpuncte der magnetiſchen Axen nicht kennen, ſo muͤſſen wir die geographiſche Laͤnge und Breite der wahren vier Pole als unbe- kannte, aus den Beobachtungen erſt zu beſtimmende, Groͤßen an- ſehen; und zu dieſen acht unbekannten Groͤßen kommen noch vier, naͤmlich die Tiefe der vier wirkſamſten Endpuncte jener Axen unter der Oberflaͤche der Erde, und endlich das Verhaͤltniß der magne-
III. Ff
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0463"n="449"/>ſchwer ſein muͤßte, uͤber die Art der Einwirkung der Erde, uͤber<lb/>
die Lage ihrer magnetiſchen Pole u. ſ. w. etwas ganz Genaues an-<lb/>
zugeben. Gleichwohl hat dieſes große Schwierigkeit. Ein Theil<lb/>
dieſer Schwierigkeiten entſteht daraus, daß wir practiſcher Zwecke<lb/>
wegen unſre Aufmerkſamkeit vorzuͤglich auf die Lage der horizonta-<lb/>
len Nadel gegen den aſtronomiſchen Meridian jedes Ortes richten,<lb/>
obgleich es ziemlich deutlich zu erhellen ſcheint, daß dieſe Meridiane<lb/>
in keinem natuͤrlichen Zuſammenhange mit dem Magnetismus der<lb/>
Erde ſtehen; und wir wuͤrden vielleicht eine etwas beſſere Ueberſicht<lb/>
der Erſcheinungen gewinnen, wenn wir die Richtungen der ma-<lb/>
gnetiſchen Kraft an verſchiedenen Orten auf eine fuͤr die Natur<lb/>
der Sache angemeſſenere Weiſe zuſammen zu ordnen wuͤßten.</p><lb/><p>Wir haben einige Kenntniß von vier magnetiſchen Polen aus<lb/>
den fruͤher mitgetheilten Angaben geſchoͤpft; aber wir ſind noch weit<lb/>
davon entfernt, ihre genaue Lage zu kennen. Bleiben wir zuerſt<lb/>
bei den Puncten ſtehen, die man <hirendition="#g">ſcheinbare Pole</hi> nennen<lb/>
koͤnnte, ſo wuͤrden ſie durch Beobachtung der nahe an 90° kom-<lb/>
menden Neigung, und durch Beobachtung der Puncte, nach wel-<lb/>
chen die Abweichungsnadeln in der Nachbarſchaft dieſer Pole ge-<lb/>
richtet ſind, wohl zu beſtimmen ſein; aber es laͤßt ſich ziemlich<lb/>
leicht uͤberſehen, daß dieſe Puncte nicht ſo gradezu die <hirendition="#g">wahren<lb/>
magnetiſchen Pole</hi> der Erde ſind. Deuten naͤmlich, wie es<lb/>ſehr den Anſchein hat, die ſaͤmmtlichen magnetiſchen Erſcheinungen<lb/>
auf der Erde darauf hin, daß die Erde zwei magnetiſche Axen hat;<lb/>ſo laͤgen die wahren Pole da, wo dieſe Axen oder ihre Verlaͤngerun-<lb/>
gen die Oberflaͤche der Erde treffen. Offenbar aber ſteht die Nadel<lb/>
im noͤrdlichen America nicht ganz ſo, wie es die dahin gerichtete<lb/>
magnetiſche Axe fordert, ſondern die zweite Axe uͤbt auch einige<lb/>
Wirkung aus, und der von beiden Nordpolen der Erde angezogene<lb/>
Theil der Nadel nimmt eine mittlere Richtung zwiſchen beiden auf<lb/>
ihn wirkenden Kraͤften an. Da wir demnach die genaue Lage der<lb/>
Endpuncte der magnetiſchen Axen nicht kennen, ſo muͤſſen wir die<lb/>
geographiſche Laͤnge und Breite der wahren vier Pole als unbe-<lb/>
kannte, aus den Beobachtungen erſt zu beſtimmende, Groͤßen an-<lb/>ſehen; und zu dieſen acht unbekannten Groͤßen kommen noch vier,<lb/>
naͤmlich die Tiefe der vier wirkſamſten Endpuncte jener Axen unter<lb/>
der Oberflaͤche der Erde, und endlich das Verhaͤltniß der magne-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq"><hirendition="#b">III.</hi></hi> Ff</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[449/0463]
ſchwer ſein muͤßte, uͤber die Art der Einwirkung der Erde, uͤber
die Lage ihrer magnetiſchen Pole u. ſ. w. etwas ganz Genaues an-
zugeben. Gleichwohl hat dieſes große Schwierigkeit. Ein Theil
dieſer Schwierigkeiten entſteht daraus, daß wir practiſcher Zwecke
wegen unſre Aufmerkſamkeit vorzuͤglich auf die Lage der horizonta-
len Nadel gegen den aſtronomiſchen Meridian jedes Ortes richten,
obgleich es ziemlich deutlich zu erhellen ſcheint, daß dieſe Meridiane
in keinem natuͤrlichen Zuſammenhange mit dem Magnetismus der
Erde ſtehen; und wir wuͤrden vielleicht eine etwas beſſere Ueberſicht
der Erſcheinungen gewinnen, wenn wir die Richtungen der ma-
gnetiſchen Kraft an verſchiedenen Orten auf eine fuͤr die Natur
der Sache angemeſſenere Weiſe zuſammen zu ordnen wuͤßten.
Wir haben einige Kenntniß von vier magnetiſchen Polen aus
den fruͤher mitgetheilten Angaben geſchoͤpft; aber wir ſind noch weit
davon entfernt, ihre genaue Lage zu kennen. Bleiben wir zuerſt
bei den Puncten ſtehen, die man ſcheinbare Pole nennen
koͤnnte, ſo wuͤrden ſie durch Beobachtung der nahe an 90° kom-
menden Neigung, und durch Beobachtung der Puncte, nach wel-
chen die Abweichungsnadeln in der Nachbarſchaft dieſer Pole ge-
richtet ſind, wohl zu beſtimmen ſein; aber es laͤßt ſich ziemlich
leicht uͤberſehen, daß dieſe Puncte nicht ſo gradezu die wahren
magnetiſchen Pole der Erde ſind. Deuten naͤmlich, wie es
ſehr den Anſchein hat, die ſaͤmmtlichen magnetiſchen Erſcheinungen
auf der Erde darauf hin, daß die Erde zwei magnetiſche Axen hat;
ſo laͤgen die wahren Pole da, wo dieſe Axen oder ihre Verlaͤngerun-
gen die Oberflaͤche der Erde treffen. Offenbar aber ſteht die Nadel
im noͤrdlichen America nicht ganz ſo, wie es die dahin gerichtete
magnetiſche Axe fordert, ſondern die zweite Axe uͤbt auch einige
Wirkung aus, und der von beiden Nordpolen der Erde angezogene
Theil der Nadel nimmt eine mittlere Richtung zwiſchen beiden auf
ihn wirkenden Kraͤften an. Da wir demnach die genaue Lage der
Endpuncte der magnetiſchen Axen nicht kennen, ſo muͤſſen wir die
geographiſche Laͤnge und Breite der wahren vier Pole als unbe-
kannte, aus den Beobachtungen erſt zu beſtimmende, Groͤßen an-
ſehen; und zu dieſen acht unbekannten Groͤßen kommen noch vier,
naͤmlich die Tiefe der vier wirkſamſten Endpuncte jener Axen unter
der Oberflaͤche der Erde, und endlich das Verhaͤltniß der magne-
III. Ff
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/463>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.