aus einander läge; und dieses macht sich dem Ohre durch eine etwas größere Fülle des Tones in jenem, durch eine etwas vermin- derte Stärke in diesem Falle kenntlich; in jeder Secunde kömmt in diesem Falle eine solche Schwebung vor. Zählt man also in einem andern Falle 15 Schwebungen in 5 Secunden, so schließt man, daß die eine Saite 3 Schwingungen in 1 Sec. mehr macht als die andre, oder bei der Vergleichung der Saite mit der Stimm- gabel, daß die Saite eine Schwingung mehr oder weniger in 1/3 Sec. macht, als die Stimmgabel.
Es ist Ihnen aus der Lehre vom Schalle bekannt, daß die Töne einer bestimmten, immer gleich langen Saite von der Span- nung derselben abhängen; aber da die Wärme die Saite verlän- gern würde bei gleicher Spannung, so nimmt sie der in unverän- derlicher Länge aufgespannten Saite einen Theil ihrer Spannung, der Ton wird daher bei der Erwärmung etwas tiefer. Und nun wird es leicht sein, die Weberschen Versuche zu verstehen. Den- ken Sie sich eine aufgespannte Saite, die genau in der Mitte durch eine zweckmäßige Klemme festgehalten wird, so daß die Vibra- tionen des eines Theiles den andern nicht mit erschüttern, und daß man den einen schärfer spannen kann, während der andre seine Spannung behält. Hat man so beide Theile ungleich gespannt, so wird man aus der Ungleichheit der vollkommen scharf bestimmten Töne die Ungleichheit der Spannung beurtheilen können, und wenn man durch Lösung der Klemme die beiden Theile vereinigt, so wer- den sie eine gemeinschaftliche und gleiche Spannung bekommen, woraus dann, wenn man die Klemme wieder fest anschraubt, ein leicht zu berechnender gleicher Ton für beide Hälften hervorgeht. Aber nach diesem Lösen der Klemme zeigt sich eine Verschiedenheit des Tones, wenn man dieses Lösen nur einen Augenblick dauern läßt, in Vergleichung gegen den, welchen man bei längerer Dauer der Verbindung erhält. Offenbar theilt sich im Augenblicke des Lösens der Klemme (schon in 1/4 Sec. wie Weber bemerkt,) die Spannung auf beide Theile gleich aus, und der schärfer gespannte Theil verdichtet sich also während der matter gespannte Theil sich ein wenig ausdehnt; bliebe dabei die Temperatur beider Theile im strengsten Sinne ungeändert, so würde auch bei der kürzesten Dauer
aus einander laͤge; und dieſes macht ſich dem Ohre durch eine etwas groͤßere Fuͤlle des Tones in jenem, durch eine etwas vermin- derte Staͤrke in dieſem Falle kenntlich; in jeder Secunde koͤmmt in dieſem Falle eine ſolche Schwebung vor. Zaͤhlt man alſo in einem andern Falle 15 Schwebungen in 5 Secunden, ſo ſchließt man, daß die eine Saite 3 Schwingungen in 1 Sec. mehr macht als die andre, oder bei der Vergleichung der Saite mit der Stimm- gabel, daß die Saite eine Schwingung mehr oder weniger in ⅓ Sec. macht, als die Stimmgabel.
Es iſt Ihnen aus der Lehre vom Schalle bekannt, daß die Toͤne einer beſtimmten, immer gleich langen Saite von der Span- nung derſelben abhaͤngen; aber da die Waͤrme die Saite verlaͤn- gern wuͤrde bei gleicher Spannung, ſo nimmt ſie der in unveraͤn- derlicher Laͤnge aufgeſpannten Saite einen Theil ihrer Spannung, der Ton wird daher bei der Erwaͤrmung etwas tiefer. Und nun wird es leicht ſein, die Weberſchen Verſuche zu verſtehen. Den- ken Sie ſich eine aufgeſpannte Saite, die genau in der Mitte durch eine zweckmaͤßige Klemme feſtgehalten wird, ſo daß die Vibra- tionen des eines Theiles den andern nicht mit erſchuͤttern, und daß man den einen ſchaͤrfer ſpannen kann, waͤhrend der andre ſeine Spannung behaͤlt. Hat man ſo beide Theile ungleich geſpannt, ſo wird man aus der Ungleichheit der vollkommen ſcharf beſtimmten Toͤne die Ungleichheit der Spannung beurtheilen koͤnnen, und wenn man durch Loͤſung der Klemme die beiden Theile vereinigt, ſo wer- den ſie eine gemeinſchaftliche und gleiche Spannung bekommen, woraus dann, wenn man die Klemme wieder feſt anſchraubt, ein leicht zu berechnender gleicher Ton fuͤr beide Haͤlften hervorgeht. Aber nach dieſem Loͤſen der Klemme zeigt ſich eine Verſchiedenheit des Tones, wenn man dieſes Loͤſen nur einen Augenblick dauern laͤßt, in Vergleichung gegen den, welchen man bei laͤngerer Dauer der Verbindung erhaͤlt. Offenbar theilt ſich im Augenblicke des Loͤſens der Klemme (ſchon in ¼ Sec. wie Weber bemerkt,) die Spannung auf beide Theile gleich aus, und der ſchaͤrfer geſpannte Theil verdichtet ſich alſo waͤhrend der matter geſpannte Theil ſich ein wenig ausdehnt; bliebe dabei die Temperatur beider Theile im ſtrengſten Sinne ungeaͤndert, ſo wuͤrde auch bei der kuͤrzeſten Dauer
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aus einander laͤge; und dieſes macht ſich dem Ohre durch eine
etwas groͤßere Fuͤlle des Tones in jenem, durch eine etwas vermin-
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dieſem Falle eine ſolche Schwebung vor. Zaͤhlt man alſo in
einem andern Falle 15 Schwebungen in 5 Secunden, ſo ſchließt
man, daß die eine Saite 3 Schwingungen in 1 Sec. mehr macht
als die andre, oder bei der Vergleichung der Saite mit der Stimm-
gabel, daß die Saite eine Schwingung mehr oder weniger in ⅓
Sec. macht, als die Stimmgabel.
Es iſt Ihnen aus der Lehre vom Schalle bekannt, daß die
Toͤne einer beſtimmten, immer gleich langen Saite von der Span-
nung derſelben abhaͤngen; aber da die Waͤrme die Saite verlaͤn-
gern wuͤrde bei gleicher Spannung, ſo nimmt ſie der in unveraͤn-
derlicher Laͤnge aufgeſpannten Saite einen Theil ihrer Spannung,
der Ton wird daher bei der Erwaͤrmung etwas tiefer. Und nun
wird es leicht ſein, die Weberſchen Verſuche zu verſtehen. Den-
ken Sie ſich eine aufgeſpannte Saite, die genau in der Mitte
durch eine zweckmaͤßige Klemme feſtgehalten wird, ſo daß die Vibra-
tionen des eines Theiles den andern nicht mit erſchuͤttern, und daß
man den einen ſchaͤrfer ſpannen kann, waͤhrend der andre ſeine
Spannung behaͤlt. Hat man ſo beide Theile ungleich geſpannt, ſo
wird man aus der Ungleichheit der vollkommen ſcharf beſtimmten
Toͤne die Ungleichheit der Spannung beurtheilen koͤnnen, und wenn
man durch Loͤſung der Klemme die beiden Theile vereinigt, ſo wer-
den ſie eine gemeinſchaftliche und gleiche Spannung bekommen,
woraus dann, wenn man die Klemme wieder feſt anſchraubt, ein
leicht zu berechnender gleicher Ton fuͤr beide Haͤlften hervorgeht.
Aber nach dieſem Loͤſen der Klemme zeigt ſich eine Verſchiedenheit
des Tones, wenn man dieſes Loͤſen nur einen Augenblick dauern
laͤßt, in Vergleichung gegen den, welchen man bei laͤngerer Dauer
der Verbindung erhaͤlt. Offenbar theilt ſich im Augenblicke des
Loͤſens der Klemme (ſchon in ¼ Sec. wie Weber bemerkt,) die
Spannung auf beide Theile gleich aus, und der ſchaͤrfer geſpannte
Theil verdichtet ſich alſo waͤhrend der matter geſpannte Theil ſich
ein wenig ausdehnt; bliebe dabei die Temperatur beider Theile im
ſtrengſten Sinne ungeaͤndert, ſo wuͤrde auch bei der kuͤrzeſten Dauer
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/92>, abgerufen am 21.11.2024.
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